Frage an Krista Sager von Dieter S. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Privatisierung der öffentlichen Vergabe von Forschungsgeldern?
In den Heise News vom 10. 3. werden Sie mit Äußerungen wiedergegeben, einer wettbewerblichen europäischen und damit privaten Vergabe von Forschungsgeldern in einer Höhe von ca. 2, 1 Mrd. positiv gegenüber zu stehen.
Das derzeitige System der überwiegend hoheitlichen Vergabe über öffentliche Projektträger erfolgt unter strikten Auflagen und Kontrollen seitens des Ministeriums und damit des Parlaments. Dieses System ist auch nicht durch das EFI Gutachten 2010 in Frage gestellt worden.
Wie aber soll die Kontrolle durch das Parlament und Öffentlichkeit bei einer privaten europaweiten Vergabe sichergestellt werden, bei dem die Wettbewerber nicht zur Offenlegung ihrer Internas verpflichtet sind? Wie wird sichergestellt, dass diese umfangreichen Gelder dann noch national vergeben werden und nicht über Beratungskonzerne ins Ausland abfließen?
Hierzu vermisse ich Antworten und detaillierte Hinweise.
Mit freundlichen Güssen
Dieter Scheuble
Sehr geehrter Herr Scheuble,
Ministerin Schavan hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Aufgaben aus dem Ministerium an privatrechtliche Projektträger ausgelagert. Inzwischen sind bei den Projektträgern sogar mehr Personen beschäftigt als im Ministerium. Für 2011 nennt der Haushaltsplan 978 Beschäftigten (Vollzeitäquivalente) bei den Projektträgern, die direkt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert werden, im Ministerium selbst dagegen nur 935. Seit 2006 ist die Zahl der so von direkt aus dem BMBF finanzierten Beschäftigten um 60 Prozent gestiegen. Die Erstattungen des BMBF für die Projektdurchführung stiegen im gleichen Zeitraum sogar um 75 Prozent auf 115,1 Mio. €.
Der effektiven Kontrolle durch das Parlament oder gar die Öffentlichkeit sind die privatrechtlichen Projektträger weitgehend entzogen. Die Kontrolle der beliehenen Projektträger obliegt der Exekutive, das heißt dem verleihenden BMBF. Aber selbst beim BMBF besteht die Gefahr, dass es seine Kontrolle nicht effektiv ausüben kann, wenn es nicht entsprechende Controlling-Kapazitäten aufbaut.
Auch der Beitrag des Modells der Projektträgerschaften für die deutsche Innovationspolitik ist zumindest verbesserungswürdig. Das EFI Gutachten 2010 hat, wie sie erwähnen, das Projektträgersystem zwar nicht grundsätzlich in Frage gestellt, aber kritisch angemahnt: „Programme werden häufig fortgeschrieben und können über Jahrzehnte laufen. Das gewachsene organisatorische Gefüge von Ressorts, Projektträgern und Forschungseinrichtungen ist mit dafür verantwortlich, dass es bislang noch keine konsequente strategische Neuausrichtung in der Innovationspolitik gegeben hat.“ (S. 48f.)
Vor diesem Hintergrund begrüße ich in der Tat grundsätzlich, die verkrusteten Strukturen der Forschungsförderung aufzubrechen und die Projektträgerschaften des BMBF wettbewerblich zu gestalten. Die Öffnung macht allerdings nur Sinn, wenn sie mit einer Neuordnung der Aufgabenteilung zwischen Ministerium und Projektträgern einhergeht. Politikformulierung, Programmentwicklung und Abwicklung müssen klar voneinander getrennt werden.
Die Projektträger sollen sich auf ihre eigentlichen Kernaufgaben konzentrieren, nämlich die Organisation und Abwicklung der Programme. Die Planung der Programme, die Formulierung der Ausschreibungstexte und auch die Evaluation der Programme sollte dagegen nicht von den Projektträgern übernommen werden. So bietet sich die Chance, die teilweise sehr exklusiven Zirkel aus Projektträgern und Forschungs-Community aufzubrechen, um die Entstehung von Beute-Gemeinschaften und zu verwobenen Netzwerken schon durch die Art der Ausschreibung entgegenzuwirken. Auch führt die klare Trennung zwischen Evaluierung und der durchführenden Organisation in der Regel zu zuverlässigeren Resultaten.
An diesen Kriterien werde ich den Vorschlag des Forschungsministeriums messen, wie die Vergabe der Projektträgerschaften umgestellt werden soll.
Eine drastische Verlagerung der Trägerlandschaft ins europäische Ausland erwarte ich vor dem Hintergrund der Erfahrungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie allerdings nicht, die seit 2007 die Trägerschaften ausschreiben.
Mit freundlichen Grüßen
Krista Sager