Frage an Krista Sager von Reinhard W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Sager,
Sie haben - abweichend von dem veröffentlichten Statement der Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen ( http://www.gruene-bundestag.de/cms/internationales/dok/327/327003.unklarheiten_bleiben.html ) - am 26.02.2010 für die Erweiterung des Afghanistan-Einsatzes nach der Vorlage der Bundesregierung gestimmt.
Könnten Sie Ihre Beweggründe darlegen, die Sie zu dieser Entscheidung kommen ließ?
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Wartenhorst
Sehr geehrter Herr Wartenhorst,
im Grundsatz halte ich den Einsatz, über den zu befinden war, nach wie vor für richtig. Trotz eklatanter Mängel in der Afghanistanpolitik der Bundesregierung gilt nach wie vor: eine sofortige Beendigung des ISAF-Einsatzes würde höchstwahrscheinlich das ganze Land erneut in den über zwanzig Jahre währenden blutigen Bürgerkrieg zurückführen und die Aufbauerfolge der vergangenen acht Jahre zunichtemachen.
Am ISAF-Einsatz in Afghanistan, der auf einem UN-Mandat beruht, sind 41 Nationen beteiligt. Die Entscheidung über die richtige Strategie muss im internationalen Kontext gemeinsam mit den Partnern getroffen werden. Nationale Alleingänge sind wenig hilfreich, nicht zuletzt, weil sich durch sie auch die Einsatzbedingungen der Partnerstaaten ändern. Wenn die deutsche Regierung kein klares Mandat für den Einsatz hat, verlieren ihre Verhandlungsbemühungen für einen Strategiewechsel an Glaubwürdigkeit und Durchsetzungsfähigkeit.
Ohne Zweifel muss der Strategiewechsel mit einer Abzugsperspektive unterlegt sein. Ein fixer Termin würde die Gegner der Stabilisierung aber nur anfeuern. Der Abzug muss vielmehr von den Verhältnissen vor Ort abhängig gemacht werden. Der Maßstab wird dabei nicht sein, dass sich Afghanistan erst zum demokratische Musterstaat entwickelt. Das Minimalziel für den Abzug müssen halbwegs stabile Verhältnisse sein. Doch auch diese sind heute keineswegs gegeben: Während in etlichen Distrikten Afghanistans die Situation akzeptabel ist, gibt es in anderen Distrikten harte Kämpfe. Je nach Situation vor Ort ist ein schrittweiser Abzug denkbar.
Entscheidend für die Stabilisierung der Verhältnisse ist Stärkung der afghanischen Armee, der Polizei und Justiz. Dabei sollten wir uns aber nichts vormachen: Das Ziel, möglichst rasch aus Afghanistan abzuziehen, steht im Widerspruch zu den Bemühungen, nachhaltige Erfolge bei der Demokratisierung der Lebensverhältnisse, der Partizipation und Korruptionsbekämpfung und der Durchsetzung von Frauen- und Menschenrechten zu erzielen. Auch hier gilt es, sich zu entscheiden.
Meines Erachtens gibt es bei der Frage, ob das Mandat für den Afghanistan-Einsatz verlängert werden soll, die Option "nicht ja/nicht nein" nicht. Deshalb bin ich wie 29 andere Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen nicht dem Votum der Fraktionsmehrheit gefolgt. Die Entscheidung über das Mandat ist vor allem ein Signal an die internationalen Partner und an die Menschen in Afghanen, ob wir nach wie vor zu dem gemeinsamen internationalen Auftrag stehen.
Mit freundlichen Grüßen
Krista Sager