Frage an Krista Sager von Johannes W. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrte Frau Sager,
ich bin an Ihrer Position zum Thema Freie Software in Bildung und Forschung interessiert.
Glauben Sie, dass freie Software und offene Standards eine sinnvolle Alternative zu proprietären Anbietern darstellen?
Wie stehen Sie dazu, Freie Software und Freie Betriebssysteme parallel oder als Alternative zu proprietärer Software (wie z.B. Microsoft oder der Elster-Steuererklärung) einzusetzen?
Vor allem in Bezug auf Schulen, Universitäten und öffentliche Verwaltung - sollte dort Freie Software verstärkt eingesetzt werden, um sich so von Softwaremonopolismus unabhängig machen zu können und so höhere Datensicherheit gewährleisten zu können? Könnten auf diese Weiseweiterhin Steuergelder gespart werden und auf bessere Art investiert werden als in Softwarelizenzen?
Wie stehen Sie Projekten wie Jamendo oder OpenStreetMap gegenüber?
Wie werden Sie sich dafür einsetzen?
Über eine Antwort würde ich mich freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Werner
Sehr geehrter Herr Werner,
herzlichen Dank für Ihre Fragen, die ich Ihnen im Folgenden gern beantworte.
Bündnis 90/Die Grünen sprechen sich seit langem für Freie Software, offene Formate und innovative Lizenzen wie beispielsweise Creative Commons aus. So haben wir unter anderem schon 2002 darauf hingewirkt, dass die Bundestagsserver auf Linux umgestellt wurden. Und auch zukünftig werden wir uns gegen Softwarepatente und die Diskriminierung von freier Software in der Verwaltung engagieren.
Gegenüber proprietärer Software bieten Open Source und Freie Software gute Alternativen und auch viele Vorteile, insbesondere hinsichtlich der langfristigen Kosten, der Abhängigkeit von den Softwareanbietern sowie durch die Kontrolle über den Code und die Anpassungsfähigkeit an spezielle Anwendungen. Freie Software lohnt sich aber nicht nur wirtschaftlich, sondern zusätzlich auch aus Sicherheitsgründen. Darüber hinaus hat sie durch ihre Kompatibilität und lange Lebensdauer große ökologische Vorzüge. Vor diesem Hintergrund müsste es eine Selbstverständlichkeit sein, dass z.B. die elektronische Steuererklärung auch für Open Source Betriebssysteme anwenderfreundlich zur Verfügung gestellt wird.
Offene Standards sind wichtig, um den Nutzerinnen und Nutzern Dokumente auch für die Zukunft zu erhalten. Auf offene Standards basierende Produkte sind nicht abhängig vom wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg des einzelnen Herstellers. Deswegen sind sie investitionssicher und können kostengünstig in vorhandene Systeme implementiert werden. So wird kleinen und mittleren Unternehmen der Zugang zu Informationsmärken erleichtert und der Wettbewerb im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien gestärkt. Es muss allerdings klar sein, was mit offenen Standards gemeint ist. Erst 2007 verabschiedete die große Koalition einen Antrag, in dem sie die Definition von offenen Standards so formulierte, dass sie gebührenpflichtige, patentierte Standards mit einbegriff. Wir meinen, dass Standards dann als ´offen´ betrachtet werden sollen, wenn die Schnittstellen offen gelegt, die technischen Spezifikationen auch umsetzbar sind und ihre Nutzung für jedermann ohne Gebühren oder sonstige Lizenzbedingungen erlaubt ist.
Open Source, Freie Software und Offene Formate müssen stärker als bisher Einzug in Bildungseinrichtungen und die öffentliche Verwaltung finden, weil sie kostengünstiger, energiesparender und grundsätzlich sicherer sind. Wo immer sich die öffentliche Verwaltung auf Standards festlegt, sollten - soweit verfügbar - offene und patentfreie Standards bevorzugt werden. Gleiches gilt für die Dateiformate aller von der Verwaltung veröffentlichten Dokumente.
In Schulen sollte bei der Vermittlung von Medienkompetenz nicht nur Programm-Anwendung im Vordergrund stehen, sondern auch Hintergrundwissen vermittelt werden, etwa über das Potenzial von quelloffener und freier Software für Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. So wird Schülerinnen und Schülern ermöglicht, sich frei für oder gegen einzelne Programme oder Software-Lösungen entscheiden zu können.
Bündnis 90/Die Grünen unterstützen die Verbindung gesellschaftlicher Anliegen mit unternehmerischem Handeln, wie in der Open-Source- und Freie-Software-Bewegung. Teilnahme an offenen Projekten wie Wikipedia oder OpenStreetMap hilft, die kulturellen, sozialen, medialen und demokratischen Kompetenzen zu fördern und bietet eine immense Möglichkeit der Informationsdarstellung und -sammlung. Kooperationen wie die zwischen Wikimedia und dem Bundesarchiv zur Bereitstellung von Bildern unter der Creative Commons-Lizenz begrüßen wir, weil wir wollen, dass öffentliches Wissen auch frei zugänglich wird.
Auch Jamendo bietet Musikerinnen und Musiker ein interessantes Geschäftskonzept. Allerdings kann nur so genannte "Gema-freie" Musik verwendet werden. Dies ist eines unter vielen Zeichen, dass darüber nachgedacht werden muss, inwieweit bei der GEMA Reformbedarf besteht. Wir Grünen finden das System der kollektiven Rechtewahrnehmung zwar prinzipiell gut und richtig, wollen aber eine sozial ausgewogene, transparente Tarifgestaltung mit nachvollziehbarem Verteilungsschlüssel und angemessenen Beteiligungsformen für die Künstlerinnen und Künstler. Auch der Einsatz von Creative Commons Lizenzen muss überdacht werden.
Mit freundlichen Grüßen
Krista Sager