Frage an Krista Sager von Paul P. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Sager,
2007 betrugen laut der Bundesbank Monatsbericht September 2008 Seite 30 die Bankzinserträge 419Mrd.€ und die Zinsaufwendungen 327 Mrd.€.
Obwohl dieses Geld das ganze Volk erwirtschaftet hat, landet es proportional dem Geldvermögen auf den Konten der Geldbesitzer. Das ist nach meiner Erfahrung der Hauptgrund warum reicher immer reicher werden.Laut der Finanzierungsrechnung der Bundesbank jedes Jahr um ca. 300Mrd.€.
Warum wird dieses Problem oder Zustand nicht in der Öffentlichkeit erwähnt?
Paul Prochazka
Sehr geehrter Herr Prochazka,
leider ist es nicht ganz einfach, sich ein genaues Bild vom privaten Vermögen, dem Vermögenszuwachs und der Vermögensverteilung in Deutschland zu machen. Die rot-grüne Bundesregierung hat deshalb im Jahre 2000 beschlossen, regelmäßig einen Armuts- und Reichtumsbericht verfassen zu lassen, den Sie auch im Internet finden können. Der erste Bericht stammt aus dem Jahr 2001, der dritte ist letztes Jahr erschienen. Der 3. Armuts- und Reichtumsbericht schätzt das Nettovermögen der privaten Haushalte (Geld-, Immobilien-, Betriebs- und Gebrauchsvermögen) Ende 2002 auf rund 7,8 Billionen Euro. Betrachtet man nur das Geldvermögen liegen mit der von ihnen erwähnten Finanzierungsrechnung der Bundesbank auch jüngere Daten vor. Im ersten Quartal 2008 betrug das Geldvermögen der privaten Haushalte (d.h. Bargeld und Spareinlagen, Wertpapiere, Ansprüche gegen Lebens- und Rentenversicherungen, Ansprüche aus Pensionsrückstellungen) demnach brutto rd. 4,53 Billionen Euro. Abzuziehen sind Verbindlichkeiten der privaten Haushalte (insbes. Baukredite) in Höhe von 1,54 Billionen Euro. Binnen Jahresfrist stieg das Geldvermögen brutto um rd. 54 Milliarden Euro an.
Die Armuts- und Reichtumsberichte belegen, dass die Vermögen in den letzten Jahren deutlich stärker gestiegen sind als die Erwerbseinkommen und dass zugleich die Ungleichheit der Vermögensverteilung weiter zugenommen hat. Heute besitzen fünf Prozent der Bevölkerung 47 Prozent des Vermögens. Das hat zum einen mit der immer stärkeren Spreizung der Löhne und Gehälter zu tun – nach unten wie nach oben –, andererseits mit dem Umstand, dass die Gewinne stärker gewachsenen sind als die Erwerbseinkommen und schließlich auch mit der Ausgestaltung des Steuersystems – alles Entwicklungen, die auch unter dem Stichwort finanzmarktgetriebene Ökonomie gefasst werden. Wir Grünen sind der Meinung, dass zur Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise vor allem jene ihren Beitrag leisten müssen, die in den Zeiten vor der Krise vom Finanzmarktkapitalismus besonders profitiert und große Vermögen aufgebaut haben. Deshalb schlagen wir vor, eine zeitlich befristete, einmalige Vermögensabgabe nach Artikel 106 des Grundgesetzes einzuführen.
Darüber hinaus wollen wir die Erbschaft- und Schenkungssteuer grundlegend neu und modern regeln, deren Bemessungsgrundlage ja gerade die ererbten Geld- und Sachvermögen sind. Die Erbschaftssteuer ist für uns eine Gerechtigkeitssteuer. Unser Ziel ist es, große Erbschaften stärker als bisher zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben heranzuziehen. Größere Vermögen sollen künftig verstärkt zum Erbschaftssteueraufkommen beitragen, kleine Vermögen werden durch Freibeträge verschont.
Wir Grünen wollen aber auch dafür sorgen, dass Kapitaleinkommen, also die Einkommen aus Geldanlagen, Immobilienbesitz u.ä., gegenüber anderen Einkommensarten nicht mehr bevorzugt werden. Das gilt für die Lohn- und Einkommenssteuer, wo wir die Abgeltungssteuer der großen Koalition abschaffen wollen, mit der Einkommen aus Finanzanlagen geringer besteuert werden als Arbeitseinkommen. Das gilt aber genauso für die Sozialversicherungssysteme. In die Finanzierung der grünen Bürgerversicherung im Gesundheitsbereich und für die Pflege wollen wir deshalb auch Kapitaleinkommen und Einkommen aus gewerblicher Vermietung und Verpachtung einbeziehen. Damit durch die Heranziehung weiterer Einkommensarten nicht vor allem kleine und mittlere Einkommensbezieherinnen und Einkommensbezieher belastet werden, wollen wir für die zusätzlichen Einkommensarten Freigrenzen einräumen und die Beitragsbemessungsgrenze anheben.
Mit freundlichen Grüßen
Krista Sager
PS: Die von ihnen erwähnten Bankzinserträge und Zinsaufwendungen beziffern nur die Erträge und Aufwendungen, die laut den Bilanzen der Banken bei den Banken anfallen. Jede Bank verleiht Geld und nimmt damit Zinsen ein, leiht sich aber auch Geld und hat dafür Zinsen zu zahlen, und zwar nicht nur gegenüber einfachen Sparern und Unternehmen, sondern auch im so genannten Interbankenhandel. Die Aufwendungen der einen Bank sind so zum Teil die Erträge der anderen Bank. Als Maßzahl für die Zunahme des Vermögens eignen sich diese Zahlen nur sehr eingeschränkt.