Was bedeutet "Eine Erhebung zum Zwecke der Therapieoptimierung und zur Verbesserung der Lebensqualität ist nicht mehr angezeigt." ?
Hallo, für ihren Anspruch auf außerklinische Intensivpflege muss meine Tochter eine Potentialerhebung durch ihren Arzt auf Formular 62A nach AKI-RL nachweisen. Dort finden wir den Satz "Eine Erhebung zum Zwecke der Therapieoptimierung und zur Verbesserung der Lebensqualität ist nicht mehr angezeigt." Welche Bedeutung hat das? Welche Konsequenzen folgen daraus, wenn der Arzt dieses Feld ankreuzt? Hat der Gesetzgeber tatsächlich gewollt, dass die Krankenkasse halbjährlich eine Information über die Lebensqualität meiner Tochter erhalten sollen, als das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz verabschiedet wurde? Wann wird der Effekt, den IPReG auf die Versorgungssituation der Menschen mit Anspruch auf AKI hat, evaluiert?
Sehr geehrte Frau R.,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich als Berichterstatterin für Pflege von Bündnis 90/Die Grünen gerne beantworte.
Das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (IPReG), das von der Großen Koalition verabschiedet wurde, ist seit 2020 in Kraft und zeigt seine Wirkung seit Herbst letzten Jahres. Zum 31.10.2023 ist die dem Gesetz zugehörige Außerklinische Intensivpflege-Richtlinie (AKI-RL) endgültig wirksam. Die Versorgung mit außerklinischer Intensivpflege wird seitdem neu geregelt, und der bisherige Anspruch auf häusliche Krankenpflege wird durch den Anspruch auf außerklinische Intensivpflege ersetzt.
Ein Ziel des IPReG war es, zu verhindern, dass Menschen länger als nötig künstliche Beatmung oder eine Trachealkanüle erhalten. In der Vergangenheit gab es hier medizinische Fehlbehandlungen und auch falsche finanzielle Anreize. Die halbjährliche sogenannte „Potentialerhebung“ durch besonders qualifizierte Ärztinnen und Ärzte ist zur Überprüfung des möglichen Potentials gedacht, die Beatmungszeit zu reduzieren, bis hin zur vollständigen Beamtungsentwöhnung. Die Analyse kann einmal im Jahr auch telemediznisch erfolgen.
Falls es die Möglichkeit einer Beatmungsentwöhnung gibt, so ist es wichtig, dass dies qualifiziert überprüft wird, um auf dieser Grundlage die Entscheidung zu treffen. Eine regelmäßige Begutachtung halten wir als Instrument der Qualitätskontrolle außerdem grundsätzlich für einen wichtigen Ansatz, um sicherzustellen, dass Patient*innen wie ihre Tochter gut versorgt werden. Denn Qualitätsmängel in der außerklinischen Intensivpflege können schwere, sogar lebensbedrohliche Konsequenzen für die Menschen haben. Mögliche notwendige Anpassungen sind daher je nach Situation vor Ort zu beurteilen.
Die Regelungen zur Begutachtung bei Patient*innen, bei denen keine Aussicht auf Beatmungsentwöhnung besteht, sehen eine verlängerte Folgeverordnung von bis zu einem Jahr vor. Sollte diese Einschätzung konstant über einen Zeitraum von zwei Jahren gelten, können weitere Verordnungen ohne Begutachtung ausgestellt werden. Notiert der Arzt oder die Ärztin also zweimal in Folge auf dem Formular 62A, dass eine Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung nicht mehr möglich ist, muss nach zwei Jahren keine Potenzialerhebung mehr stattfinden. Somit sind langfristige Versorgungssituationen nicht von Unsicherheit geprägt und Menschen in diesen Situationen vor häufigen Begutachtungen geschützt. Sollte das auch auf Ihre Tochter zutreffen, ist sie also nicht über Jahre hinweg gezwungen, diese Potenzialerhebung durchführen zu lassen. Bei weiteren konkreten Rückfragen zum ausgefüllten Formular muss ich Sie bitten, sich an den behandelnden Arzt oder die behandelnde Ärztin zu wenden.
Darüber hinaus ist nach § 37c Abs. 6 SGB V bis Ende 2026 vorgesehen, dass die Regelungen des IPReG überprüft werden. Dann legt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen einen Bericht über die Umsetzung des Anspruchs auf Außerklinische Intensivpflege vor. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat sich außerdem selbst verpflichtet, die Auswirkungen der AKI-RL vier Jahre nach Inkrafttreten zu überprüfen.
Wir Grüne werden ebenso die Auswirkungen des Gesetzes im Sinne der Patient*innen weiterhin sehr genau beobachten.
Ich wünsche Ihnen und Ihrer Tochter alles Gute,
mit freundlichen Grüßen,
Kordula Schulz-Asche