Frage an Kordula Schulz-Asche von Michaela B. bezüglich Gesundheit
Welche Nachweise, Belege, Aufzeichnungen etc. haben Sie, die die Verhältnismäßigkeit des aktuellen polit. SARS-COV-2 Umgangs sowie die geplanten Änderungen/ Verschärfungen zugehöriger Gesetzesmaßnahmen stützen? Konkret bedeutet dies: Wonach sind die Maßnahmen 1. geeignet? Wonach sind sie 2. erforderlich; also das MILDESTE Mittel? Und 3. welche Argumente wurden schließlich bei der Prüfung von Verhältnismäßigkeit, im Sinne von Nutzen und Schaden, gegenübergestellt? Denn der Nutzen soll den Schaden deutlich überwiegen! Danke.
Sehr geehrte Michaela Borger,
herzlichen Dank für Ihre Zuschrift. Ende April 2021 hat der Deutsche Bundestag das Vierte Bevölkerungsschutzgesetz verabschiedet. Gerne möchte ich Ihnen im Folgenden ein paar Zeilen zu dem Gesetz und meinem Abstimmungsverhalten und unserer Fraktion schreiben.
Die pandemische Lage bleibt weiter besorgniserregend. Wir befinden uns inzwischen in der dritten Welle der COVID 19-Pandemie. Um diese zu brechen und eine Überlastung unseres Gesundheitssystems abzuwenden, brauchen wir konsequente und verhältnismäßige Maßnahmen. Eine bundesgesetzliche Regelung der wesentlichen Fragen der Pandemiebekämpfung durch den Bundestag ist seit langem überfällig. Eine epidemische Lage nationaler Tragweite braucht auch eine nationale Antwort.
Ich halte es deswegen für richtig, dass nun eine bundeseinheitliche Notbremse beschlossen wurde. Um eine weitere Eskalation der Lage zu verhindern, haben wir Grüne uns in zahlreichen Gesprächen mit der Koalition für dringende Nachbesserungen an diesem Paket eingesetzt und konnten Verbesserungen erzielen: schärfere Regelungen fürs Homeoffice, stärkere Schutzvorschriften für die Schulen und Regelungen, die die Notbremse lebenspraktischer und damit umsetzbarer machen.
Dennoch reicht diese Notbremse nicht aus. Bereits seit Wochen ist das Virus uns einen Schritt voraus, jetzt dürfen wir nicht auch noch weiterhin zu wenig tun. Eine zu einseitige Politik, die vor allem Restriktionen für Bildung und Privatleben vorsieht, ist weder konsequent genug, um uns vor der Epidemie zu schützen, noch verhältnismäßig. Angesichts der angespannten Pandemielage stehe ich einer schnellen Umsetzung jedoch nicht im Weg und habe mich deshalb bei der Abstimmung zum Gesetzesentwurf enthalten.
Was konnten wir verbessern?
* Besserer Schutz von Beschäftigten: Die Regelungen zur Homeoffice-Angebotspflicht wurden verschärft. Das Arbeiten von Zuhause darf vom Arbeitgeber nur noch verweigert werden, wenn zwingende betriebliche Gründe dagegen stehen.
* Ausgewogenere und trotzdem wirksame Regeln bei Freizeitaktivitäten und für Familien mit Kindern, indem die unterschiedlichen Infektionsrisiken in Innen- und Außenbereichen besser unterschieden werden.
* Die Transparenz bei den Corona-Regeln wurde verbessert: Die Geltungsdauer der Maßnahmen muss nun unverzüglich ortsüblich bekanntgegeben werden.
Die bundesweiten Einschränkungen sind bis zum 30. Juni 2021 befristet.
Was fehlt noch?
* Es war richtig und wurde von uns seit langem gefordert, die Debatte und den Beschluss von Maßnahmen und Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Epidemie in den Deutschen Bundestag zu holen. Dieser schwache Start aber verdient kein Lob.
* Es ist absolut notwendig, dass Infektionen am Arbeitsplatz wirksam durch Testen und Home Office eingedämmt werden können. Das Testen am Arbeitsplatz ist ein Weg, weitere Infektionsausbrüche zu vermeiden und die Beschäftigten und ihre Familien zu schützen. Eine Testpflicht kann zudem zur Eindämmung der Pandemie und zur Verhinderung der Überlastung des Gesundheitssystems beitragen und dadurch können Betriebsschließungen auch verhindert werden. Der Arbeitsschutz für die Beschäftigten ist ohne Testpflicht nicht gegeben, weil so auch nicht getestete, womöglich erkrankte Personen nicht von der Arbeitsstelle fern gehalten werden können.
* Dies gilt auch für Schulen und Kitas. Kinder sind zur Zeit von den neuen Mutationen stark betroffen. Zum Schutz der Kinder und Eltern sollten wir dafür sorgen, dass dieser Schutz wirklich gewährleistet ist. Deshalb ist es dringend notwendig, dass weitere Testmöglichkeiten und verbindliche Hygienekonzepte beim Wechsel- und Präsenzunterricht für alle Schüler:innen und Lehrkräfte unterstützt werden.
* Ausgangssperren können aufgrund ihrer freiheitsbeschränkenden Wirkung als Ultima ratio nur Teil eines schlüssigen Gesamtkonzepts sein. Durch ihr Zögern für Beschränkungen in der Arbeitswelt gefährdet die Bundesregierung die Akzeptanz der Menschen für die Maßnahmen und verursacht eine erhebliche Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit von Ausgangsbeschränkungen.
* Die Notbremse greift bei einer Inzidenz von 100, allerdings muss auch vor dem Ziehen der Notbremse schon gebremst werden. Das heißt, auch schon bei Inzidenzen unter 100 müssen entsprechende Schritte und Maßnahmen greifen, die der raschen Verbreitung des Virus entgegenwirken. Dennoch reichen Inzidenzen alleine nicht aus. Es braucht mehrere Faktoren, um das Infektionsgeschehen künftig besser einordnen zu können. Wir möchten Folgendes mit einbeziehen: Testungen, Impfquote, Intensivbettenbelegung und die Überlastung des Gesundheitswesens, weil die Inzidenz alleine nicht mehr aussagekräftig genug ist.
Insgesamt müssen wir jetzt schnellstmöglich erreichen, dass wieder möglichst viele Menschen mitziehen. Schon deshalb, weil viele Infektionen im privaten Bereich stattfinden. Daher brauchen wir konsequente Maßnahmen. Wir müssen erreichen, dass jetzt in dieser hoffentlich letzten Phase der Pandemie nochmal alle gemeinsam an einem Strang ziehen.
Ich werde mich mit meiner Fraktion weiterhin dafür einsetzen, dass wir so gut wie möglich durch diese Krise kommen. Bleiben Sie gesund.
Mit freundlichen Grüßen
Kordula Schulz-Asche