Frage an Kordula Schulz-Asche von Helge R. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Schulz-Asche,
wir wohnen in Hörweite des Frankfurter Flughafens und erfreuen uns seit dem Nachtflugverbot zwischen 23:00 und 5:00 eines zwar viel zu kurzen, aber weitgehend lärmfreien Kurz-Schlafs. Abgesehen von den Güterzügen am Main, die keine Nachtzeit kennen, und eine zusätzliche Belastung darstellen.
Immer öfter stört uns seit dem Erlass des Nachtflugverbots massiver Fluglärm zwischen 23:00 und 5:00. Bei den Landungen verstehe ich das noch, wenn sich ohne Verschulden (!) der Airline die Landung verzögert. Bei Starts verstehe ich es gar nicht, falls es keine Not gab. Um ein Beispiel zu nennen: In der Nacht von Sonntag, 17.3.2019, zu Montag 18.3.2019 starteten im Minutentakt Flugzeuge bis 23:30 in Richtung Nord. Ich wohne in einem Hochhaus am Mainufer, ich höre (leider, trotz Schallschutz) und sehe die Flugzeuge! Nun kann man sagen, es macht ja nichts, wenn man den Menschen von den 6 Stunden Schlaf in einem engen Zeitfenster mal 8% wegnimmt. Das Geschrei möchte ich aber hören, wenn die FraPort 8% Gewinn einbüsst, weil Menschen einfach nur schlafen möchten. Das war ja schon so, als es um die Einlösung des Versprechens ging, ein Nachtflugverbot einzuhalten, wenn die neue Landebahn gebaut werden darf (gottlob wurde das in Kassel korrekt entschieden!)
Bitte teilen Sie den Bürgern mit, wie Sie mit unnötigen Starts im Nachtflugverbot umgehen möchten, und warum die überhaupt geschehen.
In Hessen regiert schwarz-grün. Wie grün sind Sie?
Sehr geehrte Frau R.,
vielen Dank für Ihr Schreiben. Um gleich Ihre letzte, und natürlich etwas provokant gemeinte Frage aufzugreifen: Ich bin sehr grün. Und das schon sehr lange. Ich glaube nicht, dass ich Ihnen etwas Neues erzähle, wenn ich Ihnen sage, dass wir Grünen die einzige Partei waren und sind, die dem Frankfurter Flughafen und seinem ungebremsten Ausbau immer kritisch gegenüberstanden, nicht zuletzt, weil die Lärmbelastung der Menschen im Rhein-Main-Gebiet enorm gestiegen ist und auch generell eine einseitige Bevorzugung der Interessen der Luftverkehrswirtschaft nicht länger Maßstab der Flughafenpolitik sein darf.
Was die Verspätungsflüge anbelangt, so ist zu mindestens schon mal eines gelungen: Der permanente Kontrolldruck hat dazu geführt, dass sich die Verspätungsflüge wenigstens schon mal halbiert haben. In der ersten Jahreshälfte 2019 setzten nämlich 261 Flugzeuge nach 23 Uhr auf. Im Vorjahreszeitraum waren es mit 570 Landungen noch mehr als doppelt so viele. Der Grund war häufig bei chronisch zu spät kommenden Flügen bestimmter Airlines zu finden. Hier liegt der Verdacht nahe, dass die verspätete Landung bereits aus der Flugplangestaltung resultiert. Diese Flugplangestaltung steht auf dem Prüfstand. Wir erhoffen uns außerdem durch Aufrechterhaltung des Kontrolldrucks und konsequenter Bußgeldverfahren an Piloten, Fluglinien und nicht zuletzt auch bei der Fraport durch eine Änderung der Entgeltordnung für die lärmabhängigen Entgeltanteile insbesondere für die Nachtstunden eine weitere Minderung der Zahl der Verspätungslandungen. Darüber hinaus kann es hin und wieder auch aus Sicherheitsgründen zu Ausnahmegenehmigungen für Starts während der Flugpausen kommen. Im genannten Beispiel vom 17. März 2019 beispielsweise wurde wetterbedingt eine Enteisung von 12 Flugzeugen nötig, die deswegen später starteten.
Das sind die Maßnahmen, die auf Landesebene umgesetzt werden können. Hier nun zur Bundesebene, also dem Bereich, auf dem ich tätig bin: Aktuell will die Bundesregierung erst 2021 geringfügige Verbesserungen im Fluglärmgesetz verankern. Sie begründet den geringen Umfang der Verbesserungen damit, dass die Lärmwirkungsforschung seit der letzten Überprüfung des Fluglärmgesetzes 2007 keine neuen Erkenntnisse erbracht habe. Dagegen hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Oktober 2018 eine Neubewertung der Schädlichkeit von Fluglärm vorgenommen. Diese ist in den "Leitlinien für Umgebungslärm für die Europäische Region" nachzulesen. Aktuelle Forschungsergebnisse missachtend kommt die Bundesregierung beim Lärmschutz nicht voran: Jetzt wäre der Zeitpunkt, das Fluglärmgesetz deutlich zu verbessern und den aktiven Lärmschutz im Luftverkehr endlich zu stärken. Denn nur so wird der Lärm tatsächlich weniger.
Damit der Fluglärm nun endlich mal wirksam reduziert wird, haben wir als Grüne Bundestagsfraktion die Bundesregierung u.a. dazu aufgefordert (Antrag Drucksache 18/4331), das Luftverkehrsrecht zu erneuern, Obergrenzwerte für die Lärmbelastung zu schaffen, die Mitwirkungsrechte von Anwohnern bei der Festlegung von Flugrouten zu stärken und die Flugentgelte anzupassen. Leider hat die Koalition aus CDU/CSU und SPD diesen Antrag abgelehnt.
Wir haben uns außerdem dafür eingesetzt, Klimaschutz im Luftverkehr zu verankern und eine klare CO2-Reduktion zu schaffen (Antrag Drucksache 18/9801). Wir wollen die Emissionshandelsrichtlinie wieder in Kraft setzen, da die Vereinbarungen der ICAO ungenügend sind und kein wirksames System zur Senkung der CO2-Emissionen in Sicht ist.
Außerdem muss die klimaschädliche und wettbewerbsverzerrende Steuerbefreiung für Kerosin abgeschafft werden. Das beantragen wir Jahr für Jahr bei den Haushaltsverhandlungen. Wir fordern die Bundesregierung auch seit Jahren auf, mit gutem Beispiel bei Inlandsflügen voranzugehen und sich auf europäischer Ebene für einen erweiterten Subventionsabbau einzusetzen. Die Luftverkehrssteuer wollen wir beibehalten.
Wie Sie sehen, sind wir auf Bundesebene auf allen Feldern tätig, die hier beeinflussbar sind. Es ist die Crux einer Oppositionspartei, dass Entscheidungen Mehrheitsverhältnissen unterliegen. Natürlich freuen wir uns, dass langsam jetzt auch in größeren Teilen der Bevölkerung ein Umdenken erfolgt und dem Umwelt-, Lärm- und Klimaschutz größere Bedeutung zumisst. Da nicht nur ich weiterhin grün bleiben werde, sondern auch noch ganz viele meiner Mitstreiterinnen und Mitstreiter hoffe ich, dass wir in Ihrem Sinne in Zukunft größere Veränderungen realisieren können. Bitte, zögern Sie nicht, sich bei weiteren Fragen an mich zu wenden!
Mit freundlichen Grüßen,
Kordula Schulz-Asche