Frage an Kordula Schulz-Asche von Johannes M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Schulz-Asche,
es gibt Studien, nach denen durch die digitale Revolution 40 -50 % der sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze ersatzlos wegfallen. Ob dies eintrifft mag dahingestellt bleiben, aber denkbar wäre es, da im Gegensatz zur industriellen Revolution erstmals Maschinen sich selbst bauen können. So gibt es bereit jetzt 3-D-Drucker, die von 3-D-Druckern gedruckt werden. Falls durch die digitale Revolution tatsächlich eine kritische Anzahl von Arbeitsplätzen ersatzlos wegfällt, würde dies den Kollaps unserer sozialen Absicherungssysteme bedeuten, da deren Finanzierung (fast) ausschließlich auf Beschäftigung von Arbeitnehmern ausgerichtet sind.
Was wollen Sie tun, um sicher zu stellen, dass unsere soziale Absicherungssysteme so organisiert werden, dass sie auch dann noch funktionieren, falls es wirklich zu einer solchen Entwicklung kommen würde?
Mit freundlichen Grüßen
J. M.
Sehr geehrter Herr M.,
mit der Frage nach der Sicherstellung unserer sozialen Absicherungssysteme in den Zeiten des digitalen Wandels stellen Sie eine wichtige Frage für die Zukunft, mit der wir uns heute befassen müssen. Die Digitalisierung wirkt sich schon heute auf unser Leben aus: Auf die Art, wie wir kommunizieren, wie wir uns informieren, wie wir produzieren und konsumieren. Wirtschaft und Gesellschaft durchlaufen derzeit grundlegende und richtungsweisende Veränderungen. Wir wollen, dass es in Zukunft genug und attraktive Arbeitsplätze für alle gibt.
Sie verweisen auf die Bedeutung digitaler Anwendungen, die schon heute in verschiedenen Wirtschaftsbereichen genutzt werden, z.B. in der IT-Sicherheit, Logistik und Unterhaltungselektronik. Das sehen wir als Chance. Durch digitale Anwendungen können Energie und Material eingespart und teilweise sogar komplett ersetzt werden. Mobilitätsprozesse können durch intelligente Steuerung effizienter gestaltet werden. So werden beispielsweise 3-D-Drucker unsere Art der Produktion revolutionieren, indem sie durch ihre lokale Verfügbarkeit Transportwege überflüssig machen und kaum Abfall produzieren. Neue Märkte und Geschäftsmodelle mit neuen Jobs entstehen. Dazu brauchen wir den Gestaltungs- und Veränderungswillen von Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften gleichermaßen. Wer heute den Innovationsschub und die Möglichkeiten des vernetzten, digitalen Wirtschaftens nicht nutzt, verliert morgen seine Wettbewerbsfähigkeit und damit seine Geschäftsgrundlage.
Zur Wahrheit gehört, wie Sie richtigerweise andeuten, aber auch: Berufe für gering qualifizierte Menschen - insbesondere in der Produktion - und Arbeitsplätze mit hohem Routinegrad werden durch die Automatisierung nach und nach wegfallen bzw. durch Maschinen und Computer ersetzt. In Deutschland ist in etwa jeder zehnte Arbeitsplatz davon betroffen. Wir dürfen diese Menschen nicht alleine lassen – der Schlüssel liegt - wie so oft - in einer guten Aus- und Weiterbildung. Fachkräfte werden auch morgen gebraucht, sei es im IT-Sektor oder im wachsenden Markt der sozialen Dienstleistungen. Die Arbeitswelt von morgen braucht daher ein besseres Sicherungsnetz. Darum wollen wir Grünen die heutige Arbeitslosenversicherung und die Grundsicherung perspektivisch zu einer umfassenden Arbeitsversicherung umbauen, die für Beschäftigte und Selbständige da ist. Ziel ist, neben der sozialen Sicherheit bei Arbeitslosigkeit, beim erfolgreichen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu helfen. Sie soll aber nicht erst im „Versicherungsfall Arbeitslosigkeit“ tätig werden, sondern bereits vorbeugend: mit Qualifizierungen noch während der Berufstätigkeit.
In unserem Modell der Bürgerversicherung für die Kranken- und Pflegeversicherung berücksichtigen wir, dass die Einkommen aus abhängiger Beschäftigung zurückgehen und andere Einkommensarten immer mehr Gewicht erlangen. Die Einbeziehung anderer Einkommensarten ist ein zentraler Baustein, um von der Lohnabhängigkeit der Beiträge wegzukommen und schafft mehr Gerechtigkeit, da alle Einkommensquellen gleich behandelt werden. Mit unserem Konzept der Bürgerversicherung wollen wir mittelfristig alle Bürgerinnen und Bürger, unabhängig davon, wie und wo sie arbeiten, in die Kranken- und Pflegeversicherung einbeziehen und faire Beiträgen für alle sicherstellen.
Mit freundlichen Grüßen,
Kordula Schulz-Asche