Frage an Kordula Schulz-Asche von Jens H. bezüglich Finanzen
Liebe Frau Kordula Schulz-Asche,
in der Süddeutschen Zeitung vom 1.Oktober 2016 liest man im Artikel "Reiche und andere":
"Mittel- und Geringverdiener werden in Deutschland über Gebühr belastet. (...) Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent greift schon bei Mittelschichtlern zu, die knapp 5000 Euro verdienen und damit weniger als das Doppelte des Durchschnitts - vor 50 Jahren war das erst beim 18-Fachen der Fall gewesen."
Meine Frage an Sie:
1. Weshalb greift der Spitzensteuersatz heute so viel früher als in der Vergangenheit?
2. Was haben Sie und Ihre Partei in der Vergangenheit unternommen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken? Oder, falls zutreffend, weshalb betrachten Sie diese Entwicklung als begrüßenswert / notwendig an?
Herzliche Grüße
Jens Hartmann
Sehr geehrter Herr Hartmann,
die Datengrundlage, auf die sich der Artikel der Süddeutschen Zeitung bezieht, ist mir und den für das Thema Finanzen zuständigen Abgeordneten meiner Fraktion nicht bekannt. Eine seriöse Überprüfung ist uns daher bei der Vielzahl an Variablen, die hier eine Rolle spielen, leider nicht möglich. An allererster Stelle möchte ich deshalb darauf hinweisen, dass unseren Berechnungen zufolge der Spitzensteuersatz von 42% bei einem Bruttoeinkommen eines Angestellten in Höhe von 5000€ nach noch nicht greift.
Zum Thema Steuersätze generell: In den letzten 50 Jahren wurde der Steuertarif vielfach reformiert. Sowohl die Einkommensgrenzen als auch die Steuersätze wurden abgeändert. So betrug der Spitzensteuersatz in den 70ern und 80ern noch 56%. Die Herabsenkung auf 42% hat sicher auch dazu geführt, dass der „Spitzensteuersatz“ bei vergleichsweise niedrigeren Einkommen greift.
Die Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen haben sich zuletzt stark dafür eingesetzt, den Grundfreibetrag über das Existenzminimum hinaus anzuheben, so dass alle Einkommensgruppen gleichermaßen entlastet werden, aber vor allem eine Wirkung bei unteren und mittleren Einkommen erzielt wird.
Dem Verfasser des genannten Artikels der Süddeutschen Zeitung ist im Übrigen dann auch zuzustimmen: Der Schere zwischen Arm und Reich klafft nachweislich weiter auseinander. Diese Polarisierung sehen wir als eine Gefahr für unsere Gesellschaft. Um den gesellschaftlichen Zusammenhalt wieder zu stärken, müssen wir dieser Spaltung entgegenwirken. Durch den entschlossenen Kampf gegen Steuerhinterziehung und -umgehung kann ein Zeichen gesetzt werden, dass sich Politik eben nicht nur an den Interessen der Reichen und Mächtigen orientiert. Die Grünen sind sich darin einig, dass Vermögende deshalb einen höheren Beitrag als bisher zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten können und sollten.
Sehr geehrter Herr Hartmann, ich hoffe, ich konnte Ihre Frage beantworten. Selbstverständlich stehe ich Ihnen für weitere Auskünfte zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Kordula Schulz-Asche