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Kordula Schulz-Asche
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Steffen M. •

Frage an Kordula Schulz-Asche von Steffen M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Schulz-Asche,

seit 17 Jahren bin ich als IT Spezialist tätig, habe 34 Jahre IT Berufspraxis, sorge selbst für meine Altersvorsorge und zahle Steuern die das Durchschnittseinkommen eines AN übersteigen.
Am 16.02.2016 will das BMAS den Gesetzesentwurf gegen den Missbrauch von Werkverträgen dem Kabinett vorstellen.

Der derzeitige Katalog zur Definition von Scheinselbständigkeit §611a, BGB erklärt mich zum Scheinselbständigen.

Als Management Berater erbringe ich vertragliche Leistungen üblicherweise in den Räumlichkeiten des AG. Eine Eingliederung erfolgt trotzdem nicht.

Aufgrund Projektlaufzeit und Budget werden zeitliche Vorgaben gemacht.

Datenschutz und IT-Sicherheit macht es ist es i.d.R. unumgänglich mit Betriebsmitteln des Auftraggebers zu arbeiten.

Als beauftragter IT-Spezialist arbeite ich zusammen mit AN des AG und weiteren Externen. Dies ist erforderlich, um mein Wissen mit der betrieblichen Expertise der AN sinnvoll verknüpfen zu können.

Komplexe IT-Projekte haben häufig mehrjährige Laufzeiten. Dies führt i.dR. dazu, dass ich über diesen Zeitraum – zumindest überwiegend – nur für einen AG tätig bin.

Als IT-Experte muss ich regelmäßig keine eigene betriebliche Organisation vorhalten, um auf selbstständiger Basis mein Expertenwissen als Unternehmung einbringen zu können.
Werde ich als reiner Management Berater eingesetzt schulde ich kein konkretes Arbeitsergebnis. Folglich ist auch keine Gewährleistung vereinbart.

Ist es im Sinne des Wirtschaftsstandortes Deutschland, wenn das einzige Mittel dem Fachkräftemangel auf dem Sektor der IT Sicherheit auf flexible Weise zu begegnen, per Gesetz abgeschafft wird?

Was soll ich tun? Meinen Beruf werde ich in der gewohnten Form nicht mehr ausüben dürfen.
Hochqualifizierte Fachleute wie ich erzielen einen Stundensatz von mehr als 65.- Euro, gehören also gar nicht zum eigentlichen Gegenstand der Debatte. Ich bitte Sie, für die Nachbesserung des Gesetzesentwurfes einzutreten.

MfG Steffen Müller

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Müller,

Vielen Dank für Ihre Frage zu der anstehenden Regulierung der Werk- bzw. Dienstverträge, und vielen Dank auch für die Schilderung Ihrer persönlichen beruflichen Situation.

Wie Sie wissen, ist Ziel dieses Gesetzes, den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen zu unterbinden sowie sogenannter Schein-Selbstständigkeit von Personen, die durch ihre wirtschaftliche Abhängigkeit in prekäre Situationen gedrängt werden, entgegen zu wirken. Dieses Ziel unterstützen wir, die von Ministerin Nahles geplante Umsetzung lehnen wir jedoch ab.

Die Bundesregierung plant Abgrenzungskriterien abhängiger Beschäftigung von anderen Vertragsformen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und will damit den Missbrauch von Werkverträgen an Drittfirmen sowie Schein-Selbstständigkeit gleichermaßen und mit denselben Kriterien unterbinden. Wir sind der Auffassung, dass das den unterschiedlichen Problemen nicht gerecht wird.

Insbesondere die Unterscheidung zwischen Schein-Selbstständigkeit und tatsächlicher Selbstständigkeit ist schwierig. Ein Grund dafür ist, dass die Gruppe der Selbstständigen sehr uneinheitlich ist. Viele haben sich bewusst für die Selbstständigkeit entschieden und brauchen - sofern sie tatsächlich für das Alter abgesichert sind - den Schutz und die Fürsorge des Staates nicht. Sie können im Regelfall gut von ihren Honoraren leben.

Uns ist bewusst, dass unzeitgemäße Abgrenzungskriterien, langwierige Statusfeststellungsverfahren, viel Bürokratie und widersprüchliche Gerichtsurteile eine massive Beeinträchtigung für viele Selbstständige und Freiberufler darstellt. Selbstbestimmung und Eigenverantwortung sind zentrale Leitmotive für grüne Politik und wichtige Gründe für Menschen, sich selbständig zu machen. Wir wollen mit unserer Politik Risikobereitschaft und Kreativität fördern und sie nicht behindern. Dumpinghonorare und Scheinselbstständigkeit sind mit einer nachhaltigen und fairen Gründungskultur nicht zu vereinbaren. Wir dürfen Selbstständige aber nicht unter Generalverdacht stellen. Das Statusfeststellungsverfahren muss daher rechtssicher und transparent reformiert werden - z.B. mit einer Positivliste, die gut abgesicherten Selbständigen Rechtssicherheit verschafft. Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, die gesetzlichen Abgrenzungskriterien im Sozial-, Arbeits- und Steuerrecht zu vereinheitlichen, um mögliche Doppel- bzw. Dreifachprüfungen zu vermeiden.

Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass ein Teil der formal Selbstständigen - meist unfreiwillig - mit niedrigsten Einkommen auskommen müssen, die kaum ihre Ausgaben decken. Dazu gehören z.B. viele Paketzusteller*innen, Lehrkräfte und Pflegende. Viele von ihnen haben nur einen Auftraggeber, von dem sie wirtschaftlich abhängig sind. Ein Viertel aller Selbstständigen erzielt rechnerisch ein Einkommen von weniger als 8,50€ pro Stunde (DIW 2015). Oft landen diese Menschen spätestens im Alter in der Grundsicherung. Notwendig sind deshalb klare, an eine moderne Arbeitswelt angepasste Kriterien, die Scheinselbstständigkeit unterbindet, ohne die tatsächlichen Selbstständigen - so wie Sie als IT-Experte - in ihrer Tätigkeit zu beeinträchtigen, sondern vielmehr diese zu unterstützen. Die in der Bundesregierung angedachten Regelungen sind nach unserer Überzeugung dafür ungeeignet. Ein Gesetzentwurf in dieser Form, werden wir im parlamentarischen Verfahren deutlich kritisieren.

Für uns Grüne steht im Vordergrund, den Missbrauch der Werk- und Dienstverträge zu verhindern und gleichzeitig die Rechtssicherheit für Selbstständige und ihre Auftraggebenden zu erhöhen.

Sehr geehrter Herr Müller , ich hoffe, ich konnte Ihnen unsere Grüne Position darstellen.

Mit freundlichen Grüßen

Kordula Schulz-Asche

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