Wie stehen sie zu dem Sondervermögen für die Bundeswehr? Ist es Ihrer Meinung nach eine sinnvolle Ausgabe angesichts des Pflegenotstandes, der Unterfinanzierung von Universitäten, usw.?
(Ich selbst bin Lehramts-Studentin und erlebe in jedem Semester, dass nicht genügend Seminare in Erziehungswissenschaften für die Anzahl der eingeschriebenen Studierenden angeboten werden, was auf zu wenig Dozierende zurückzuführen ist.)
Sehr geehrte Frau S.,
vielen Dank für Ihre Frage und Ihr damit verbundenes Interesse an meiner politischen Arbeit. Über beides habe ich mich sehr gefreut. Über beides habe ich mich sehr gefreut. Heute stimmt der Bundestag nach durchaus intensiven parlamentarischen Beratungen über das Sondervermögen ab. Gerne erläutere ich Ihnen mein Abstimmungsverhalten und die Positionen der Grünen Fraktion.
Ein solch umfangreiches Investitionspaket für die Bundeswehr wäre zu Beginn der Legislaturperiode kaum denkbar gewesen. Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine und daraus resultierende, neue sicherheitspolitische Herausforderungen waren es allerdings auch nicht.
Uns allen wurde schmerzhaft vor Augen geführt, dass die Deutsche Bundeswehr derzeit nicht in der Lage ist, ihrem Verteidigungsauftrag nachzukommen. Über viele Jahre wurden wichtige Reformen und notwendige Investitionen versäumt.
Die heutige Zustimmung meiner Fraktion zum 100 Milliarden Sondervermögen ist aus meiner Sicht die richtige Entscheidung. Mit dem Sondervermögen schließen wir bestehende Lücken bei der Ausrüstung der Bundeswehr zum Schutz unseres Landes und unserer Verbündeten außerhalb des Anwendungsbereichs der Schuldenbremse. So bleiben Spielräume im Bundeshaushalt für wichtige andere Projekte – auch zur Verbesserungen im Bereich Pflege und zur Finanzierung universitärer Forschung. Als Träger der Hochschulen sind jedoch v.a. die Bundesländer für die Grundfinanzierung der Hochschulen zuständig. Insgesamt kommen zwar fast 90 Prozent der Finanzmittel der Universitäten von der öffentlichen Hand - der überwiegende Teil von den Ländern.
Aber zurück zum Sondervermögen: Die neue Sicherheitslage erfordert, dass wir die Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit stärken. Wir haben nicht nur gegenüber dem Staat, sondern vor allem auch gegenüber unseren Soldatinnen und Soldaten die Verantwortung, sie schnellstmöglich besser auszurüsten, damit sie ihrem Auftrag nachgehen und unser aller Sicherheit gewährleisten können. Die aktuelle mangelhafte Ausstattung der Bundeswehr kann jedoch nicht nur durch mehr Geld gelöst werden, sondern benötigt vor allem eine Reform des Beschaffungswesens und klare Prioritäten.
Wir werden die Finanzierung der Bundeswehr langfristig im Grundgesetz sichern. Nicht angelehnt an ein starres 2-Prozent-Ziel, sondern bedarfsgerecht orientiert am Zweck der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit. Wir haben im Errichtungsgesetz festgehalten, dass wir im Durchschnitt der nächsten 5 Jahre etwa 2 Prozent bereitstellen werden. Es ist sicherheitspolitisch ein enormer Fortschritt, dass wir die Ausgaben zukünftig vor allem an den Fähigkeitszielen der NATO ausrichten werden. Deutschland soll langfristig ein verlässlicher Bündnispartner bleiben.
Für uns Grüne bedeutet eine angemessene Antwort auf die Sicherheitslage aber nicht nur verstärkte Investitionen in die Bundeswehr, sondern auch mehr Mittel in den Bereichen Krisenprävention, humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit. Hier bestehen weitere offene Baustellen, die mit dem Sondervermögen nicht abgedeckt werden konnten. Die humanitäre Hilfe darf nicht gekürzt werden, und das ist auch schon jetzt unser Auftrag für die kommenden Haushaltsverhandlungen.
Derzeit sehen wir uns neuen sicherheitspolitischen Gefahren ausgesetzt, die mehr Investitionen auch im Bereich IT-Sicherheit und Zivilschutz dringend erforderlich machen. In den letzten Wochen haben wir massiv darum geworben, auch die diese beiden zentralen Themen beim Sondervermögen zu berücksichtigen, konnten uns letztlich hiermit aber nicht durchsetzen – vor allem, weil CDU und CSU bis zuletzt darauf bestanden, dass das Geld ausschließlich der Bundeswehr zu Gute kommt.
Für uns gilt weiterhin: Wir brauchen eine Sicherheitspolitik auf Höhe der Zeit. Wir brauchen dringend einen effektiven Schutz unserer digitalen Infrastrukturen und effektivere Strukturen zur Erkennung und Abwehr neuer, hybrider Bedrohungen. Zudem müssen IT-Sicherheit und Zivilschutz besser verzahnt und zukünftig gemeinsam gedacht werden. Im Zuge der nun anstehenden Haushaltsberatungen werden wir auch diese Themen weiter mit Hochdruck vorantreiben und die vielen guten Projekte, die wir hierzu im Koalitionsvertrag verankern konnten, priorisiert umsetzen.
Beste Grüße nach Reinbek und alles Gute für Ihr weiteres Studium!
Konstantin v. Notz