Was planen Sie in Bezug auf Pullbacks, die Unterbringung in libyschen Lagern sowie die Zusammenarbeit mit Libyen.
Sehr geehrte Frau Vella,
vielen Dank für Ihre weitere Frage.
Als Grüne Bundestagsfraktion haben wir sehr frühzeitig auf die drohende Entwicklung in Afghanistan aufmerksam gemacht. Die Bundesregierung haben wir vor Monaten in parlamentarischen Initiativen aufgefordert, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und großzügige Regelungen für die Ortskräfte zu schaffen. Viel zu lange hat die Bundesregierung die dramatische Sicherheitslage in Afghanistan aus innenpolitischen Gründen ignoriert. Nun liegt das Kind im Brunnen. Die sofortige Evakuierung akut bedrohter Menschen, unter ihnen afghanischen Helfer*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen, wie Kämpfer*innen für Frauenrechte und Journalist*innen, muss nun absolut Vorrang eingeräumt werden. Hieran muss die Bundesregierung mit Hochdruck arbeiten.
Wichtig ist ein international koordiniertes Vorgehen: Die EU-Mitgliedstaaten müssen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und die Nachbarländer Afghanistans frühzeitig bei der Aufnahme und Versorgen der geflohenen Afghan*innen unterstützen. Die geplanten migrationspolitischen Dialoge der EU-Kommission müssen so schnell wie möglich begonnen werden. Die Bundesregierung muss sich zudem frühzeitig mit den anderen EU-Mitgliedstaaten über die Aufnahme afghanischer Flüchtlinge verständigen. Das Hin- und Herschieben von Verantwortung in der europäischen Flüchtlingspolitik, das wir all zu oft erleben, darf sich bei Afghanistan nicht wiederholen. Abschiebungen, auch nach österreichischen Überlegungen in Drittstaaten, muss die Bundesregierung angesichts der dramatischen Lage klar ablehnen.
Humanitäre Hilfe für Afghanistan ist jetzt wichtiger denn je. Wir müssen den Afghan*innen zeigen, dass sie nicht im Stich gelassen werden. Helfer*innen müssen auch in der jetzigen Situation sicher ihre Arbeit fortsetzen und die UN-Hilfsorganisationen ihre Koordinierungsfunktion aufrechterhalten können. Die Bundesregierung muss ihre humanitäre Hilfe für Afghanistan sowie für die angrenzenden Aufnahmeländer von Geflüchteten erhöhen.
Gleichzeitig ist zu beachten, dass die Lage in Ländern wie Libyen selbst weiterhin extrem instabil ist. Die Europäer müssen in Libyen endlich an einem Strang ziehen. Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass die EU und die USA zusammen mit den Vereinten Nationen und anderen Partnern darauf bestehen, dass die für Ende des Jahres angesetzten Wahlen auch wirklich durchgeführt werden und der Abzug ausländischer Kräfte aus Libyen vorangeht. Die Bundesregierung muss laut und deutlich diejenigen benennen, die gegen das verhängte Waffenembargo und die Waffenstillstandsvereinbarung verstoßen. Auch braucht es die Ausweitung der personenbezogenen Sanktionen gegen die Embargobrecher. Es gilt zu verhindern, dass in unmittelbarer Nachbarschaft der EU autokratische Akteure wie Russland oder die Türkei noch mehr das Sagen übernehmen. Die Bundesregierung muss die ganze Palette der ihr zur Verfügung stehenden Werkzeuge nutzen.
Nicht bloß vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in Afghanistan und der Gefahr einer noch weiteren Destabilisierung der Region muss die Bundesregierung ihre Lethargie mit Blick auf Libyen endlich überwinden und gemeinsam mit den Verbündeten entschlossen engagieren.
Aktuelle Positionierungen zu Afghanistan finden Sie hier: Suche „Afghanistan“: Grüne im Bundestag (gruene-bundestag.de).
Mit abermals besten Grüßen nach Lütjensee!
Konstantin v. Notz