Frage an Knut Korschewsky von Volker W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Korschewsky,
Ihre Meinung zu, schafft sofort die Hartz Gesetze ab!
Ihre Meinung zu, führt sofort eine Bürgerversicherung ein, in die alle einzahlen müssen!
Ihre Meinung zu, gleicht die Rentenanwartschaften sofort mit denen der Beamten an!
Ihre Meinung zu, schafft sofort die 70.000 Ausnahmeregeln im deutschen Steuergesetz ab!
Ihre Meinung zu, schließt sofort mindestens 6 Bundesländer und schafft deren Behörden ab!
Ihre Meinung zu, gibt dem Bundesrechnungshof den Rang eines Bundesgerichtes!
Ihre Meinung zu, entlässt die Justiz in die politisch unabhängige Selbstverwaltung!
Ihre Meinung zu, halbiert den deutschen Bundestag und lässt nur noch direkt gewählte Ab-
geordnete zu!
Ihre Meinung zu, zieht das steuerfinanzierte Stiftungsvermögen der Parteien ein!
Ihre Meinung zu, fordert eine vom Volk selbst bestimmte Verfassung gemäß Art. 146 GG!
Ihre Meinung zu, ist für bindende Volksentscheide in allen existenziellen Fragen der Republik!
Ihre Meinung zu, zerschlägt das Universalbankenrecht!
Ihre Meinung zu, befiehlt den sofortigen Rückzug aller Truppen aus allen Kriegseinsätzen!
Ihre Meinung zu, kündigt den Konkordats Vertrag Acta Apostolica Sedis von 1933
zwischen Hitler und dem Vatikan!
Ihre Meinung zu, stimmt für die Zerschlagung der Presse – Kartelle!
Sicher können Sie nicht alle "Fragen beantworten, aber das ist das wenige was mich interessiert.
Mit freundlichen Grüssen
Volker Wetterich
Sehr geehrter Herr Wetterich,
vielen Dank für Ihre Frage bzw. Ihre 15 Ersuchen um Stellungnahme. Wie Sie sicherlich verstehen werden, kann ich nachfolgend nicht alle Teile in der Ausführlichkeit beantworten, die jedem einzelnen Thema eigentlich angemessen wäre. Ich möchte stattdessen gern, anstelle Ihnen ausschließlich in den Punkten Recht zu geben, wo wir vollkommen übereinstimmen und die anderen Punkte zu vernachlässigen, Ihnen meine Meinung auch zu ausgewählten streitbaren Themen übermitteln.
Zunächst einmal kennen Sie sicherlich unsere sozial- und friedenspolitischen Positionen, auf die sich ein Teil Ihrer Forderungen bezieht. DIE LINKE hat schon immer erklärt: Hartz IV muss weg, und dabei bleibt es auch. Stattdessen wollen wir eine existenzsichernde und sanktionsfreie Grundsicherung für alle Menschen in Erwerbslosigkeit. DIE LINKE fordert auch schon geraume Zeit die Einführung von solidarischen Bürgerversicherungen in den Bereichen Rente, Gesundheit und Pflege in die alle Menschen einzahlen müssen, auch Selbständige, Beamte, Abgeordnete. Wir streiten auch für mehr direkte Demokratie - sei es in Thüringen, wo wir als wichtiger Bündnispartner schon vieles bewegen konnten und selbstverständlich auch auf Bundes- und EU-Ebene. Dafür sind uns auch eine unabhängige Medienlandschaft und eine breite Vielfalt der Presse wichtig. Gleichbedeutend ist für uns die Unabhängigkeit der Justiz, so tritt DIE LINKE unter anderem für die Richterselbstwahl ein, fern politischer Einflussnahme. Abschließend möchte ich natürlich nicht unerwähnt lassen, dass DIE LINKE als einzige Friedenspartei im Deutschen Bundestag bisher gegen jeden Auslandseinsatz der Bundeswehr gestimmt hat und wir auch weiterhin jeden Einsatz ablehnen werden.
Nachfolgend würde ich gern noch auf vier weitere Themengebiete eingehen, die Sie angesprochen haben: Ausnahmeregeln der deutschen Steuergesetzgebung, Ihre Forderung nach einer Reduzierung der Bundesländer, sowie der Halbierung des Bundestages und abschließend zum so genannten Reichskonkordat von 1933.
*Steuern:* Grundsätzlich haben Sie Recht, dass das deutsche Steuerrecht ein bürokratisches Monstrum ist, welches einer Generalüberholung bedarf. Das heutige System ermuntert regelrecht zu Steuervermeidung und bevorteilt dabei diejenigen Menschen, die große Beträge „zu verstecken“ haben und sich entsprechenden steuerlichen Sachverstand auch leisten können. Dennoch warne ich vor dem so genannten „Bierdeckel“-Modell, wie es einstmals von Friedrich Merz (CDU) vorgeschlagen wurde. So genannte Einheitssteuern belasten alle Steuerzahlenden gleichermaßen, unabhängig von Ihrem Vermögen, Einkommen und sozialen Status. Es ist jedoch ein riesiger Unterschied, ob ein Milliardär oder eine Putzfrau 15 Prozent Steuern zahlen müssen: Was für Sozial Schwache eine riesige Belastung ist, ist für Vermögende eine wahre Freude. Deshalb ist uns LINKEN zweierlei besonders wichtig: Starke Schultern müssen in einer solidarischen Gesellschaft mehr tragen und Steuern sind auch immer Möglichkeiten zum Um-Steuern und Um-Fairteilen. Deshalb sind aus Sicht der LINKEN nicht Ausnahmetatbestände oder Sondersteuergesetze per se ein Problem, sondern vielmehr die daran geknüpften Gerechtigkeitsziele. Deshalb fordert DIE LINKE u.a. die Einführung einer Millionärs- und Reichensteuer, die Wiederanhebung des Spitzensteuersatzes auf 53 Prozent, eine Reform der Erbschaftssteuer und die Wiederherstellung der Körperschaftssteuer für Unternehmen. All dies würde jährliche Mehreinnahmen von 180 Milliarden Euro bringen, die wir unter anderem dazu nutzen wollen, alle steuerlichen Einkommen unter 6.000 € brutto pro Monat zu entlasten.
*Reduzierung der Bundesländer:* Sie werden sicherlich die derzeitige Debatte um einen möglichen Zusammenschluss der drei Bundesländer Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen aufmerksam verfolgen. Ich bin solchen Debatten keineswegs generell abgeneigt, möchte jedoch zwei Bedingungen, die für mich zentral sind, formulieren. Zum einen ist es für mich unerlässlich bei einer solchen Diskussion die Bevölkerung mitzunehmen. Dies bedeutet auch, dass am Ende die Menschen aller (in unserem Fall) drei Bundesländer in Volksentscheiden für eine Vereinigung stimmen müssten. Dies setzt für mich auch voraus, dass unsere Bürgerinnen und Bürger in den Entscheidungsprozess frühzeitig involviert werden müssen und das Verfahren transparent und offen sein muss. Daraus ergibt sich eine zweite Forderung an diesen Prozess, welche meine Partei und Fraktion in Thüringen ebenso an die dringend notwendige Funktional- und Verwaltungsreform stellt, der gegebenenfalls dann eine Gebietsreform folgen kann: Welches Ziel soll mit einer solchen politischen Entscheidung verknüpft sein? Wenn es nur darum gehen soll Personal und Geld einzusparen, sage ich Ihnen klar: Dann bin ich dagegen. Finanzen neu und besser zu ordnen darf ein Grund, aber nicht der Grund für eine solche Entscheidung sein. Ich befürchte, und ich vermute zu Recht, einen weiteren Kahlschlag an den öffentlichen Aufgaben zum Nachteil der meisten Bürgerinnen und Bürger. Vielmehr muss es darum gehen die Verwaltung serviceorientiert und bürgernah zu gestalten und nach diesen Vorstellungen Strukturen zu schaffen. Deshalb sage ich: Erst die Verwaltungen reformieren und dann die örtlichen Strukturen anpassen. Ob wir im Endeffekt vier, sechs oder acht Kreise in Thüringen haben und in Deutschland am Ende zehn, zwölf oder weiterhin sechzehn Bundesländer existieren, ist für mich nachrangig, wenn die staatlichen Aufgaben endlich bürgerorientiert umgesetzt werden.
*Halbierung des Bundestages:* Ihre Forderung der Halbierung des Bundestages durch die Streichung der Listenmandate kann ich nicht teilen. Dies hängt nicht an meiner Sorge um mein eigenes Mandat - ich kandidiere, wie Sie vielleicht wissen, gar nicht auf der Thüringer Landesliste, sondern ausschließlich als Direktkandidat -, sondern ist vielmehr eine demokratische Frage: In unserem Wahlsystem tendieren die Menschen dazu bei den Direktwahlen Parteien ihre Stimme zu geben, die eine reale Chance haben das Mandat auch zu gewinnen. Dies führt zu einer extrem verzerrten Polarisierung, meistens zwischen CDU und SPD, teilweise auch noch mit uns, der LINKEN. Bei der letzten Bundestagswahl 2009 lässt sich das sehr deutlich erkennen. Dort erhielt die CDU 218 Direktmandate, die SPD kam auf 64, DIE LINKE erhielt 16 und ein Direktmandat entfiel auf die Grünen ( http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/wahlen-in-deutschland/55581/direktmandate-und-landeslistensitze ).
Damit hätte die CDU eine deutliche Zwei-Drittel-Mehrheit erhalten. Hätte dieses Verhältnis den tatsächlichen Wählerwillen abgebildet? Wohl kaum.
Dass auch ein kleinerer Bundestag sehr wohl möglich ist und die getroffene Neuregelung der Überhangmandate ein schlechter Kuhhandel zwischen CDU, SPD, FDP und Grünen war, steht dabei auf einem ganz anderen Blatt. Hier hatte die Linksfraktion einen alternativen Gesetzentwurf eingebracht, der gerade ein zukünftiges Aufblähen des Bundestages verhindern sollte.
Abschließend möchte ich mich noch zum so genannten Reichskonkordat äußern. Sie werden mir verzeihen, dass ich als Nicht-Historiker hier nur ein paar allgemeine Äußerungen von mir gebe: DIE LINKE tritt für eine deutliche Trennung von Kirche und Staat ein. Dies bedeutet keinen Kampf gegen Religion oder den Glauben eines Menschen, sondern vor allem gegen die Bevorzugung bestimmter Bekenntnisse und ihrer Vermittlungsmöglichkeiten. So haben wir beispielsweise in der letzten Legislaturperiode als LINKE einen Gesetzentwurf zur Ablösung der Staatsleistungen an Religionsgemeinschaften (BT-Drucksache 17/8791) eingebracht, der selbst auf der Seite der Kirchen als gute Diskussionsgrundlage eingestuft wurde. In unserem Bundestagswahlprogramm fordern wir zudem weitere Schritte, wie etwa die volle Durchsetzung der Arbeitnehmerrechte in den religionsgebundenen Trägern oder die Abschaffung der Kirchensteuer. Diese Maßnahmen sind dabei nicht als „kirchenfeindlich“ zu interpretieren. Ich möchte im Gegenteil betonen, welche wichtige Rolle Kirchen und Religionsgemeinschaften in Deutschland gerade in uns so wichtigen Fragen der Sozial- und Friedenspolitik oder auch im gemeinsamen Kampf gegen neue und alte Nazis stets gespielt haben. Die alljährlichen Proteste gegen den Nazi-Aufmarsch in Dresden, wo ich selbst auch regelmäßig teilnehme, und die damit verbundene Solidarität gegen die Repression, welche Pfarrer Lothar König zu erdulden hatte, sollen hier nur als ein Beispiel genannt sein.
Sehr geehrter Herr Wetterich, ich hoffe Sie verzeihen mir angesichts der bisherigen ausführlichen Beantwortung, dass ich nicht alle Fragen hier aufgegriffen habe. Sie können gern auch einmal das direkte Gespräch mit mir suchen, meine Wahlkreistermine finden Sie unter: http://www.korschewsky.de/termine/aktuell/
Mit freundlichen Grüßen,
Knut Korschewsky