Frage an Klaus Wowereit von Peter H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Werter Herr Wowereit,
Ihre Partei wie auch die PDS behaupten mehr Transparenz und Bürgerkontrolle durchgesetzt zu haben.
1. Frage: Warum kann ich dann nicht uneingeschränkt und kostenlos die Amtsblätter und Verordnungen/Gesetzblätter bekommen?
Dadurch wird nur einer gutsituierten Schicht das Kontrollrecht und damit Handlungsspielraum ermöglicht. Die Mehrheit der Bürger wird ausgegrenzt!
2. Frage: Warum wird bei Verkäufen von kommunalem Eigentum nicht generell durch Volksbefragung das Einverständnis der Bürger eingeholt?
Schliesslich haben die Bürger diese kommunalen Eigentümer erst durch ihre Finanzabgaben/Steuern geschaffen! So wie der Verkauf der Wasserwerke erscheint mir dies ein leichtsinniges oder gar kriminelles Verschenken der Daseinsvorsorge aller Bürger!
3. Frage: Würden Sie und Ihre Partei mit der PDS eine Koalition bilden wollen um dann diese Verkäufe durch geeignete Gesetzesausnutzung rückgängig zu machen?
Dies könnte den sozialialistischen Sinn der SPD doch nur stärken!
Ihr Peter Heimann
Sehr geehrter Herr Heimann,
im Juli des vergangenen Jahres trat in Berlin das Gesetz "Mehr Demokratie für Berlinerinnen und Berliner" in Kraft, das u.a. Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auf Bezirksebene einführte. Das Gesetz hat, wie die vergangenen Monate zeigten, schon einige Abstimmungen auf den Weg gebracht. Beispielweise wird am 17. September im Bezirk Lichtenberg ein Bürgerentscheid über die Zukunft des Coppi-Gymnasiums durchgeführt.
Berlin nimmt, aufgrund des seit 1999 gültigen Informationsfreiheitsgesetzes, in Fragen der Verwaltungstransparenz eine führende Stellung unter den Bundesländern ein. Erweiterte Auskunftsansprüche der Bürger dürfen jedoch nicht zu einer Überlastung der Verwaltung führen. Daher können für die Bürger auch Gebühren anfallen. Amtsblätter und Verordnungen können Sie in Bibliotheken und im Abgeordnetenhaus jederzeit einsehen. Entscheidungen des Abgeordnetenhauses sind im Internet öffentlich dokumentiert.
Entscheidungen über den Verkauf öffentlichen Eigentums können nicht den Bürgern zur Abstimmung vorgelegt werden, weil dies nicht verfassungskonform wäre. Auf Landesebene sehen die alte Berliner Verfassung sowie die neue, am 17. September zur Abstimmung gestellte Version folgende Einschränkung vor: "Volksbegehren zum Landeshaushaltsgesetz, zu Dienst- und Versorgungsbezügen, Abgaben, Tarifen der öffentlichen Unternehmen sowie zu Personalentscheidungen sind unzulässig." (Berliner Verfassung Art.62, Abs.2, vorbehaltliche Neufassung). Auch auf Bezirksebene sind finanzwirksame Entscheide nicht möglich - hier kann mittels einer Bürgerbefragung höchstens ein empfehlendes Votum eingeholt werden.
Diesen Haushaltsvorbehalt begründet der Gesetzgeber zum einen darin, dass finanzpolitische und finanzrechtliche Fragen aufgrund ihrer Komplexität ungeeignet für Volksbegehren erscheinen. Darüber hinaus sind solche Fragen mit politischen Aushandlungsprozessen verbunden, die die Mandatsträger in die verfassungsrechtliche Pflicht nehmen, auch langfristige Kostenauswirkungen zu berücksichtigen sowie die allgemeine Leistungsfähigkeit des Staates zu garantieren. Der Volksgesetzgeber ist hingegen nicht verpflichtet, bei seiner Willensbildung auch auf den künftigen Haushaltsausgleich Rücksicht zu nehmen. Es kann also, sobald eine so genannte "Erheblichkeitsschwelle" überschritten wird, zu ausgabenintensiven Entscheidungen kommen, die die öffentlichen Kassen überfordern. Selbst wenn das Volksbegehren angibt, Haushaltsneutralität oder Kostensenkungen anzustreben, ist damit stets ein erhebliches Haushaltsrisiko gegeben. Zudem liegt es im Charakter des Volksentscheides, dass während eines laufenden Verfahrens keine inhaltlichen Ergänzungen oder Korrekturen mehr zulässig sind und die Entscheide lediglich Antwortcharakter ("Ja"
- "Nein") haben können. Kompromisslösungen sind so kaum möglich. Daher bleibt auch die Entscheidung über Verkäufe aus dem Bestand kommunaler Eigentümer Parlament und Regierung überlassen. Der finanzielle Spielraum für Käufe fehlt, allerdings setzt sich die SPD entschieden dafür ein, einen Grundbestand an Wohnungen im Besitz städtischer Unternehmen zu halten und Betriebe wie die BVG nicht zu verkaufen.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wowereit