Frage an Klaus Wowereit von Julia M. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Wowereit,
mein Lebensgefährte wurde vor einigen Jahren von drei Jugendlichen im Rahmen eines frustentladenden Gewaltaktes überfallen und schwer verletzt mit der Folge bleibender Körperschäden, Schwerbehinderung und verminderter Berufsfähigkeit. Die Täter wurden von der Polizei leider nicht ermittelt.
Aufgrund der dauerhaften Körperschäden wurde vom Versorgungsamt Berlin meinem Lebensgefährten (nach Abzug der altersbedingten Vorschäden) eine Opfer-entschädigungsrente (Grundrente nach dem Opfer-entschädigungsgesetz OEG) zuerkannt.
Aufgrund des Wohnsitzes "Ost"-Berlin zum Zeitpunkt des Überfalles wird jedoch nur eine abgesenkte Leistung vom Versorgungsamt gezahlt.
Meine Fragen an Sie:
1. Halten Sie es für richtig, dass es in Berlin 2 Klassen von Opfern gibt: Westberliner Opfer und Ostberliner Opfer mit unterschiedlicher Entschädigung bei gleichem Maß der Schädigung ?
2. Die Entschädigungsrenten für die Kriegsopfer und SED-Opfer in den neuen Bundesländern wurden schon zum 1.1.1999 an das Westniveau angeglichen. Warum nicht die Entschädigungen für anerkannte Kriminalitätsopfer, zumal in den alten Bundesländern der Grundsatz gilt: die Opfer von Gewalt und Kriminalität erhalten die gleiche Entschädigung wie die Kriegsopfer !
3. Ist körperliches und seelisches Leid innerhalb Berlins unterschiedlich zu bewerten nach Straße und Hausnummer ?
4. Was haben Sie persönlich in den letzten 5 Jahren politisch veranlasst, um diesen skandalösen Zustand zu ändern, zumal Ihnen das Problem bekannt ist und eine Bundesratsinitative möglich war/ist ? An den (in Relation) äußerst geringen Angleichungskosten kann es ja nicht liegen bei der geringen Zahl anerkannter Gewaltopfer mit Adresse "Ost"-Berlin.
Mit freundlichem Gruß
Julia Morgenstern
Sehr geehrte Frau Morgenstern,
zunächst einmal möchte ich Ihnen mein Bedauern über das Schicksal Ihres Lebensgefährten aussprechen.
Ihrem Lebensgefährten steht eine Grundrente nach dem Gesetz über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten (OEG) zu. Jedoch enthält das OEG keinen eigenständigen Leistungskatalog, der Höhe und Art der Entschädigungen festlegen würde. Vielmehr verweist es hier auf das Bundesversorgungsgesetz, das die jeweiligen Ansprüche - auch die Bemessung je nach Wohnsitz - vollständig regelt. Solch ein Bundesgesetz kann nur geändert werden, wenn dafür ein übergreifender Konsens in den Bundesländern besteht.
In den vergangenen Jahren hat es bereits Initiativen gegeben, die Versorgungsleistungen in Ost und West anzugleichen. 2002 hat die rot-rote Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern einen entsprechenden Entschließungsantrag in den Bundesrat eingebracht.
Damals war Berlin das einzige Bundesland, das Mecklenburg-Vorpommern in seinem Anliegen unterstützte. Die Einheit von Ost und West zu vollenden, ist eines der wichtigsten Anliegen der Berliner SPD. Jedoch wurde die Angleichung 2002 nicht beschlossen, weil alle anderen Bundesländer dagegen stimmten. Angesichts der bestehenden Kräfteverhältnisse im Bundesrat, in dem die CDU-dominierten Länder die Mehrheit haben, wäre eine erneute Initiative derzeit relativ aussichtslos..
Ich wünsche Ihnen und ihrem Lebensgefaehrten weiterhin alles Gute und hoffe, dass sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat bald wieder so verändern werden, dass ein erneuter Versuch Aussicht auf Erfolg haben wird.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wowereit