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Klaus Wowereit
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Frage von Rudolf M. •

Frage an Klaus Wowereit von Rudolf M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Klaus Wowereit,

Zu der Problematik der Privatisierung hat der Landesverband Berlin-Brandenburg des Internationalen Bundes der Konfessionslose und Atheisten (IBKA) auch der Berliner SPD 2 Wahlprüfsteine zugeschickt. In Gegensatz zu den anderen Parteien hat Ihre Partei bis jetzt darauf nicht geantwortet. Deshalb bin ich so frei, Ihnen als Spitzenkandidat diese Fragen in Kurzform hier persönlich zu stellen.

1. Durch die Bestrebungen zur Privatisierung öffentlicher Güter wie z.B. Wasser, Energie, Verkehrsräume aber vor allem Kultur, Bildung, Gesundheit und sozialer Dienste werden:
a. durch sozial ungerechte Verteilungsstrukturen und ideologische Ausgrenzung die Menschenrechte auf Chancengleichheit und Selbstbestimmung geschmälert,
b. zugunsten kommerzieller oder ideologischer Minderheitsinteressen die existentiellen Bedingungen der Solidarität und die Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse abgebaut,
c. durch zunehmenden sozialen Druck und Armut die für die Demokratie lebensnotwendigen individuellen Freiheiten geschwächt.

Was werden Sie dagegen im Falle Ihrer Wahl tun?

2. Der so genannte Kirchenvertrag mit der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz enthält eine nie da gewesene Zusammenballung von Privatisierungsgeschenken an eine in Berlin privilegierte Minderheit. Er verstößt gegen fast sämtliche Regeln der parlamentarischen Demokratie und des Verfassungsgebots der Trennung von Kirche und Staat, indem z.B.:
a. der Vertrag in "Geheimverhandlungen" mit nur einigen privilegierten Mitgliedern des Senats entstand.
b. die Einführung des Pflichtfaches Ethik, nun durch die Hintertür des Vertrages teilweise verwässert wird.
c. die Reihe der anderen, für die nichtkonfessionelle Bevölkerung der Stadt diskriminierenden Bestimmungen kaum noch zu übersehen ist.

Werden Sie sich im Falle Ihrer Wahl für die Rücknahme dieses Vertrages im Abgeordnetenhaus einsetzen?

Portrait von Klaus Wowereit
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Mondelaers,
selbstverständlich hätten Sie von der Berliner SPD eine Antwort auf die von Ihnen übersandten Wahlprüfsteine erhalten. Wir können dies aber gerne auch an dieser Stelle tun.
Ihre grundsätzliche Bewertung der Folgen von Privatisierungen teile ich nicht. Es ist allerdings richtig, dass insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge und bei besonderen gesellschaftlichen Aufgaben, Privatisierungen öffentlicher Dienstleistungen jeweils genau zu prüfen sind.
Angesichts der Lage der öffentlichen Haushalte ist es durchaus zu diskutieren, ob bestimmte Leistungen durch Private nicht besser, effektiver und damit auch kostengünstiger erbracht werden können. Dabei ist dann allerdings die öffentliche Steuerung sicherzustellen.
Für den ÖPNV lehnt die SPD eine Privatisierung der BVG ab, ebenso wird es keine weitere Privatisierung von Anteilen der Wasserbetriebe geben. Im Bereich der städtischen Wohnungsbaugesellschaften haben wir einen Mindestbestand von Wohnungen in öffentlichem Besitz definiert, der nur noch geringen Spielraum für Verkäufe lässt. Die Berliner SPD hat sich bei der Diskussion um die EU-Dienstleistungsrichtlinie auch eindeutig gegen die geplante Freigabe ausgesprochen. Insgesamt ist festzustellen, dass viele öffentliche Leistungen auch weiterhin von öffentlichen Unternehmen erbracht werden können und sollen.
Dies schließt aber auch das Ziel effizienter Strukturen bei diesen Unternehmen und im öffentlichen Dienst insgesamt ein.
Berlin hat mit dem Abschluss eines Staatsvertrages mit der evangelischen Kirche kein Neuland beschritten, sondern das nachvollzogen, was in allen anderen Bundesländern längst erfolgt ist. Hierin liegt auch nichts Überraschendes. Wenn Sie der Auffassung sind, dass der Vertrag, der in ähnlicher Weise in allen anderen Bundesländern gilt, gegen Verfassungsrecht verstößt, steht Ihnen der Klageweg offen. Es hat keine Geheimverhandlungen gegeben, die Fraktionen und Ausschüsse des Abgeordnetenhauses haben zudem den Staatsvertrag erörtert.. Das Pflichtfach Ethik wird durch den Staatsvertragsinhalt nicht materiell berührt, das Schulgesetz gilt uneingeschränkt.
Wir sind froh, dass es nach jahrzehntelangen Verhandlungen endlich gelungen ist, das Verhältnis zwischen dem Land Berlin und der größten in Berlin vertretenen Religionsgemeinschaft auf eine solide vertragliche Grundlage zu stellen und damit eine Vielzahl von Einzelvereinbarungen abzulösen. Es entstehen dadurch weder neue Zahlungsverpflichtungen des Landes noch neue, vorher nicht landes- oder bundesrechtlich geregelte Rechte oder Pflichten. Ihre aktuelle Aufregung ist daher nicht nachvollziehbar.
Eine Änderung ist aus unserer Sicht weder erforderlich noch wünschenswert.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wowereit