Frage an Klaus Riegert von Michael F. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Riegert,
warum wird bei der freiwilligen Arbeitslosenversicherung kein Kurzarbeitergeld ausbezahlt?
Es werden ja durchaus die Gelder in den gleichen Töpfen verwaltet.
Grundsätzlich ist es doch so, dass ein Kleinstbetrieb eine gewisse Zeit überbrücken könnte, wenn hier auch an den Inhaber der freiwillige arbeitslosen versichert ist, Kurzarbeitergeld ausbezahlt werden würde und somit nicht in vollem Umfang bei eintreten der Arbeitslosigkeit ALG 1 bezogen werden müsste. Also würde das Sozialsystem durch die Bewilligung des Kurzarbeitergeldes bei der freiwilligen Arbeitslosenversicherung mittelfristig Geld sparen.
mfg
M. Freche
Sehr geehrter Herr Freche,
aufgrund eines noch unter der Rot-Grünen Bundesregierung beschlossenen Gesetzes gibt es die Möglichkeit, eine freiwillige Versicherung in der Arbeitslosenversicherung zu begründen. Begünstigt sind vor allem Selbstständige und Pflegende.
Der Gesetzgeber wollte auf diese Weise vor allem diejenigen begünstigen, die ihre Arbeitslosigkeit durch den Weg in die Selbstständigkeit überwinden wollen. Dieser Einstieg in die Selbstständigkeit soll nicht mit dem drohenden Verlust von Ansprüchen auf Arbeitslosengeld im Falle des Scheiterns belastet werden. Es soll damit ein Anreiz geschaffen werden, Existenzgründungen zu erleichtern, um so gegebenenfalls die Einstellung von Arbeitnehmern durch den Existenzgründer zu erreichen.
Gleichwohl profitieren auch diejenigen von der Regelung, die ihr sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis aus freien Stücken aufgeben, um eine selbstständige Tätigkeit auszuüben bzw. diejenigen, die bereits seit Jahrzehnten selbstständig tätig sind, sofern sie nur vor Aufnahme dieser Tätigkeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren oder Lohnersatzleistungen bezogen haben bzw. Beschäftigte im Nicht-EU-Ausland.
„Mit der freiwilligen Weiterversicherung für Existenzgründer und Auslandsbeschäftigte sollen zunächst Erfahrungen im Hinblick auf die Inanspruchnahme und die damit verbundenen Risiken für die Arbeitslosenversicherung gesammelt werden. Die freiwillige Weiterversicherung für diese Personengruppen ist deshalb zunächst bis zum 31. Dezember 2010 befristet“, so in der Gesetzesbegründung zu lesen.
Die „freiwilligen Arbeitslosenversicherung“ hat von Beginn an Kritik hervorgerufen. Sie gewähre bei geringen Beiträgen großzügige Leistungen und sie widerspreche dem Grundprinzip der Selbständigkeit. Da die Selbstständigen keinen Bruttolohn beziehen, nach dem sich der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung richten könnte, wurde dieser pauschal festgelegt – auf dem niedrigen Niveau von 39,81 Euro(2006). Hierfür gibt es im Bedarfsfall großzügige Leistungen, die sich nach der jeweiligen Qualifikation des Versicherten richten, wie eine Berechnung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) aus 2006 verdeutlich: Danach kann ein selbstständiger Akademiker, je nach Familienstand, immerhin bis zu 1.364 Euro Arbeitslosengeld pro Monat erhalten. Soll ein versicherungspflichtiger Beschäftigter das Recht auf ein ebenso hohes Arbeitslosengeld haben, müssen für ihn statt rd. 40 Euro monatlich 191 Euro als Beitrag eingezahlt werden – bei einem Eigenanteil von 96 Euro. Die Selbstständigen wurden somit in 2006 in der Arbeitslosenversicherung mit bis zu 151 Euro von den abhängig Beschäftigten subventioniert. Heute zahlen Selbständige in Westdeutschland 17,64 Euro monatlich in die freiwillige Arbeitslosenversicherung einzahlen; für Selbständige in Ostdeutschland beläuft sich der Beitrag auf 14,95 Euro.**
Dieses Missverhältnis von geringen Beiträgen und großzügigen Leistungen, so das IW, lasse sich ökonomisch nicht rechtfertigen. Noch grundsätzlicher sei allerdings zu kritisieren, dass überhaupt eine Verbindung von der Selbstständigkeit zur Arbeitslosigkeit gezogen werde. Denn wer sein eigener Boss sei, müsse nun einmal mit dem Risiko leben, zeitweise keine Aufträge zu haben. Die Preise für selbstständige Tätigkeiten seien entsprechend kalkuliert. Wenn die Selbstständigen jetzt die Kosten für ihr Geschäftsrisiko auf die Versichertengemeinschaft abwälzen dürften, verzerre dies den Wettbewerb. Zudem sei unklar, wann selbstständige Handwerksmeister, Rechtsanwälte und Co. als arbeitslos gelten. Schließlich drohe ihnen bei Auftragsmangel keine Kündigung. Wenn sie aber selbst bekunden könnten, dass sie keine Arbeit mehr hätten, lägen die Missbrauchsmöglichkeiten in der Luft. Hat dies nicht auch für die Kurzarbeit zu gelten?
Kurzarbeitergeld vergütet beschäftigten Arbeitnehmern, nicht Selbständigen, einen Teil der Entgelteinbuße, die sie durch einen vorübergehenden Arbeitsausfall innerhalb ihres Beschäftigungsbetriebes erleiden. Mit Blick auf das Gesagte zur „freiwilligen Arbeitslosenversicherung“ halte ich eine Ausweitung des Kurzarbeitergeldes auf Selbständige für nicht geboten.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Riegert.