Portrait von Klaus Riegert
Klaus Riegert
CDU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Klaus Riegert zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Martin S. •

Frage an Klaus Riegert von Martin S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Riegert,

2003 hat Deutschland einer UN-Kovention gegen Abgeordnetenbestechung zugestimmt.
Seither ist diese allerdings nicht umgesetzt worden. Aktuell gibt es Medienberichten zufolge einen Vorstoß von Siegfried Kauder, der aber wieder auf Widerstand innerhalb der CDU trifft.

Wie stehen Sie zu diesem Thema? Ist Abgeordnetenbestechung ein Problem? Warum wurde die UN-Konvention bisher nicht umgesetzt?

Mit freundlichen Grüßen
Martin Stoppler

Portrait von Klaus Riegert
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Stoppler,

vielen Dank für Ihre Mail zur Problematik der „Abgeordnetenkorruption“.

Die Gleichsetzung von Beamtinnen und Beamten mit Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern, wie sie das VN-Übereinkommen gegen Korruption von 30. Oktober 2003 vorsieht, wird den Besonderheiten der verfassungsrechtlichen und der tatsächlichen Stellung der Abgeordneten in keiner Weise gerecht. Auch wenn dieses Thema vordergründig sehr populär ist und man sich nicht ganz unberechtigt die Frage stellen kann, warum sich die Strafbarkeit der sog. Abgeordnetenbestechung bisher nach § 108e StGB auf den sog. Stimmenkauf beschränkt, so stellen sich hier grundsätzliche Probleme, für die bisher noch keine sachdienliche und vor allem verfassungsfeste Lösung gefunden werden konnte.
Die Probleme liegen zum einen in der bewussten Trennung von Amt und Mandat im deutschen Recht und der auf dem freien Mandat beruhenden prinzipiellen – auch verfassungsrechtlichen - Zulässigkeit der Vertretung von Partikularinteressen im Deutschen Bundestag durch Abgeordnete, worunter auch das bezahlte Lobbying gehört. Dieses wird allerdings um das Gebot der Transparenz erweitert.

Die Deutsche Rechtstradition unterscheidet bewusst zwischen Mandatsträgern in Parlamenten und Amtsträgern. Aufgrund der strukturellen Unterschiede zwischen behördlichem und behördenähnlichem Verwaltungshandeln einerseits und politischem Handeln in Volksvertretungen aufgrund eines freien Mandats andererseits wäre eine Gleichbehandlung von Abgeordneten und Amtsträgern (auch im Bereich der Korruption) sachwidrig. So hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung über die Strafbarkeit von Angehörigen kommunaler Vertretungen vom 9. Mai 2006 hierzu ausgeführt: „Bei Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung ist der Entscheidungsträger grundsätzlich substituierbar; seine Entscheidungsbefugnis kann regelmäßig in der Verwaltungshierarchie delegiert oder von höherrangiger Stelle evoziert werden. Das Amt ist nicht personengebunden. Der Amtsträger dafür aber zumeist weisungsgebunden. Im Gegensatz dazu trifft der Abgeordnete aufgrund seines freien Mandats im Plenum seiner Volksvertretung eine in diesem Sinn „unvertretbare“ Entscheidung. Sein Amt ist personengebunden, er kann seine Stimmabgabe nicht auf einen Vertreter übertragen; kein anderer darf die Entscheidungsbefugnis des Abgeordneten an sich ziehen. Gerade wegen der Unvertretbarkeit der Entscheidung bei der Wahl oder Abstimmung in einer Volksvertretung spielen aber auch legitime Partikularinteressen, für deren Wahrnehmung der Mandatsträger in die Volksvertretung gewählt wurde, eine wesentliche Rolle.“

Will man gleichwohl die Strafbarkeit für bestimmte verwerfliche Handlungen der Abgeordneten im Strafgesetzbuch ergänzen, so bestehen hinsichtlich einer derartigen Erweiterung wegen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots nach Art. 103 Abs. 2 GG erhebliche Probleme.
Bereits im Jahre 1993 bei der Schaffung des § 108e StGB setzte sich der Gesetzgeber mit dem Bestimmtheitsgrundsatz auseinander. In den identischen Begründungen der Gesetzentwürfe der CDU/CSU und FDP einerseits und der SPD-Fraktion andererseits heißt es hierzu (BT-Drs. 12/5927 und 12/1630, S. 5, 6): „Der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung kann nicht dem der Beamten- und Richterbestechung nachgebildet werden. Im Bereich des Öffentlichen Dienstes ist es generell verboten, einen persönlichen Vorteil für eine Diensthandlung oder im Zusammenhang mit einer dienstlichen Tätigkeit anzunehmen oder zu gewähren. Der Amtsträger soll seine Entscheidung im Rahmen der maßgeblichen Rechtsvorschriften stets unparteiisch und frei von unsachlichen Einflüssen treffen. Beim Träger eines Abgeordnetenmandats fehlt es hingegen bereits an einem genau umgrenzen Pflichtenkreis, wie er für Amtsträger existiert. Bei der Ausübung von Stimmrechten im Parlament spielen oft auch politische Gesichtspunkte und Rücksichtsnamen eine Rolle. Es ist nicht zu beanstanden, wenn bei der Stimmabgabe politische Zwecke mit verfolgt werden, die den eigenen Interessen des Stimmberechtigten entgegenkommen. Bei zahlreichen Abgeordneten ist die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppe von wesentlicher Bedeutung für ihre Aufstellung als Kandidat. Von dem Abgeordneten erwartet die gesellschaftliche Gruppe denn auch, dass er sich für Ihre Belange einsetzt… Zwar sind auch bei Abgeordneten Fälle denkbar, in denen Vorteile nicht für eine Stimmabgabe, sondern für ein anderes Verhalten in strafwürdiger Weise angenommen bzw. gewährt werden. Bei der Art des Aufgabenbereichs der Abgeordneten ist es jedoch nicht möglich, solche andersartigen Handlungen, die Gegenstand einer Bestechung sein könnten, begrifflich in einem klar abgegrenzten Tatbestand zu erfassen. Die Tätigkeit der Abgeordneten reicht über das eigentliche parlamentarische Wirken hinaus in das allgemeine politische Geschehen, wo scharf abgrenzbare Verhaltensvorschriften fehlen.“

Nun liegen allerdings einige Vorschläge für eine Ergänzung des Strafgesetzbuches vor. Diese knüpfen die Strafbarkeit an „ungerechtfertigte (bzw. rechtswidrige) Vorteile, welche der Abgeordnete für sich oder einen Dritten dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung vornimmt oder unterlässt“. Hier wird mit unbestimmten Rechtsbegriffen gearbeitet, bei denen die gerade im Bereich des Strafrechts besondere Zurückhaltung geboten ist. So hat das Bundesverfassungsgericht trotz gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung Bedenken gegen den Nötigungsparagraph § 240 StGB hinsichtlich des Bestimmtheitserfordernisses nach Art. 103 Abs. 2 GG geäußert: „Die erforderliche Bestimmtheit ergibt sich auch nicht daraus, dass aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung zumindest das Risiko der Bestrafung erkennbar ist. Insoweit hängt die verfassungsrechtlich verlangbare Bestimmtheit von der Möglichkeit der gesetzlichen Beschreibung des als strafwürdig angesehenen Verhaltens ab. Der Grundsatz kann aber nicht Auslegungen einer unvermeidlich vagen Strafnorm rechtfertigen, welche die Unbestimmtheit abermals erhöhen und sich damit noch weiter vom Ziel des Art 103 Abs. 2 GG entfernen.“ (BVerfGE 92, 1 LS 3 d). Dies betrifft nicht nur den schwer greifbaren Begriff „ungerechtfertigt“ (oder „rechtswidrig“), sondern auch den weiten Ansatz „bei der Wahrnehmung des Mandates“. So hat auch der Deutsche Anwaltverein im Januar 2009 zwei in den Bundestag eingebrachte Gesetzentwürfe als zu unbestimmt abgelehnt.

Bisher ist es nicht gelungen einen verfassungskonformen - auf die tatsächlich verwerflichen Handlungen beschränkten Gesetzesentwurf - zu erarbeiten, weshalb die Beratungen zu diesem Thema stagnieren. Dieser muss erst erarbeitet werden, bevor die Ratifizierung des VN-Abkommens, erfolgen kann. Dies bedeutet aber nicht, dass in Deutschland die Korruptionsbekämpfung nicht vorbildlich wäre! Im Gegenteil bin ich davon überzeugt, dass die geltenden Rechtsvorschriften die Korruption von Abgeordneten erfolgreich unterbinden und dass das deutsche Rechtssystem in diesem Sinne auch denjenigen Systemen einiger Staaten überlegen ist, welche die VN-Konvention bereits ratifiziert haben.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Riegert