Frage an Klaus Riegert von Lang F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Herr Riegert,
als Neubürger in Ihrem Wahlkreis würde mich interessieren, wie Sie es mit Ihrem Gewissen vereinbaren konnten für das Vorratsdatenspeicherungsgesetz zu stimmen? Zumindest werden Sie Teil der Geschichte der Berliner Republik werden, die es schaffen wird die bürgerrechtlichen Errungenschaften zu Grabe zu tragen.
Wie kann man für ein Gesetz stimmen von dem man schon jetzt weiß, dass es höchst wahrscheinlich verfassungswidrige Teile enthält?
Wie kann man reinen Gewissens and der Basis unseres Staates sägen (Grundgesetz)?
Ich verlange eine Stellungnahme, warum Sie für das Gesetz gestimmt haben.
Ich muss sagen, dass die Verbreitung von Angst langsam funktioniert und der Terrorismus ein Tolles Argument dafür ist mehr Bürgerrechte aufzugeben. Allerdings beruht meine Angst nicht auf islamischem Terrorismus sondern auf dem Verfassungsterrorismus der von den Regierungsparteien in dieser Berliner Republik vollzogen wird.
Können Sie meine Angst nachvollziehen oder ist das für Sie ein Hirngespinnst? Was können Sie sagen, um meine Sorgen zu zerstreuen?
Scheinbar hat eine Initialzündung durch den Terrorismus gereicht, um unsere eigenen Überzeugungen aufzugeben. Wir ergeben uns den wünschen der Terroristen freiwillig. Nicht willkommenes Zukunftszenario: Was wenn so viele Daten gespeichert werden und jemand unvorhergesehenes an die Macht kommt? Dann haben wir selbst Tür und Tor geöffnet damit unerwünschte Meinungen sanktioniert werden können. Die Daten können schließlich auch manipuliert werden und man kann "Gegener" mit falschen Daten auf die "Schwarze Liste" setzen und ausser Gefecht setzen.
Kritische stimmen wie die meine könnten Mundtot gemacht werden.
Mal schauen was hierauf folgt... werde ich schon abgehört?
Ist es nicht schon zu viel, dass wenn ich einen Text schreibe ich darüber nachdenken muss ob ich dadurch unangenehm aufalle? Alleine dieses Zögern ist selbst auferlegte Zensur durch Angst! Wollen Sie und wir alle das haben?
Mit freundlichen Grüßen
Florian Lang
Sehr geehrter Herr Lang,
die rege Diskussion auf diesem Portal hat die Argumente für und wider die Vorratsdatenspeicherung ausführlich wiedergegeben. Der Deutsche Bundestag hat die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit meiner Stimme in deutsches Recht beschlossen. Warum habe ich zugestimmt? Ich bin ehemaliger Kriminalbeamter und aus Sicht der Ermittler braucht man die Vorratsdatenspeicherung, um einige Straftaten überhaupt verfolgen zu können. In bestimmten Bereichen, wie der Terrorismusbekämpfung, bietet die Vorratsdatenspeicherung die einzige Chance, einen Ermittlungsansatz zu bekommen.
Sie sprechen von Ihrer Angst vor dem „Verfassungsterrorismus, der von den Regierungsparteien in dieser Berliner Republik vollzogen wird“. Sie sollten in Ihrer Wortwahl vorsichtiger sein. Nur zu Ihrer Erinnerung: Es war eine SPD-geführte Bundesregierung, unter der Online-Durchsuchungen durchgeführt wurden, bis der Bundesgerichtshof gefordert hat, dafür eine gesetzliche Grundlage zu schaffen. Dies haben wir getan. Das Bundesverfassungsgericht wird die Regelungen prüfen. Hier von "Verfassungsterrorismus" zu sprechen, liegt neben der Wirklichkeit. Ihre persönlichen Ängste kann ich deshalb nicht nachvollziehen. Verstehen kann ich ein gewisses Unbehagen an dem Gesetz. Es stellt sich ein, wenn man sich beobachtet fühlt. Dies ist durchaus menschlich.
Es werden nur Verkehrsdaten gespeichert, Daten aus denen sich ergibt, von welchem Anschluss aus zu welchem Anschluss hin wann und wie lange telekommuniziert wurde, also die genutzten Rufnummern und Kennungen, die Uhrzeit und das Datum der Verbindungen, keine Telekommunkationsinhalte. Viele TK-Unternehmen speichern diese Daten schon heute zu geschäftlichen Zwecken; für Abrechnungszwecke ist das nach geltendem Recht 6 Monate lang zulässig, § 97 Abs. 3 Satz 3 Telekommunikationsgesetz (TKG). Gespeichert werden die Daten bei den Telekommunikationsunternehmen, nicht beim Staat.
Viele der beschriebenen Daten können (und werden in vielen Fällen) schon nach geltendem Recht von den Telekommunikationsunternehmen für geschäftliche Zwecke zwischen 3 und 6 Monaten gespeichert. Neu ist vor allem, dass die Unternehmen künftig nicht nur speichern dürfen, sondern entsprechend der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für 6 Monate speichern müssen, damit eine effektive Strafverfolgung gewährleistet ist. Die Daten werden - wie bisher – nur beim Telekommunikationsunternehmen gespeichert. Wie bisher schon können Polizei und Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur dann auf die Daten zugreifen, wenn dies in einem Ermittlungsverfahren zur Aufklärung einer konkreten Straftat zuvor durch einen richterlichen Beschluss erlaubt wurde. In diesem Beschluss legt der Richter genau fest, welche Daten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln muss.
Der Präsident des Bundeskriminalamtes hat oft genug darauf hingewiesen, dass Online-Durchsuchungen nur in wenigen Einzelfällen nötig sein werden. Es geht nicht darum, in die Privatsphäre von Bürgerinnen und Bürgern einzudringen. Die Sicherheitsbehörden müssen jedoch angemessen reagieren können, wenn sich Feinde des Rechtsstaates bei ihrer Kommunikation neuester Technologie bedienen. Dafür und nur dafür haben wir die gesetzlichen Grundlagen schaffen. Es gibt keinen Grund für eine Verunsicherung, denn Online-Durchsuchungen werden nicht flächendeckend, sondern nur im Einzelfall angewendet - und nur dann, wenn ein Richter sie angeordnet hat, nachdem er ihre Notwendigkeit geprüft hat.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Riegert.