Frage an Klaus Riegert von Stephan H. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Riester,
wie stehen Sie zu der Tatsache, dass Göppinger Bürger ihren Kindern tagtäglich Milch- und Fleischprodukte, die durch genmanipuliertes Tierfutter produziert wurden, kaufen und diese damit verköstigen. Die meisten Eltern wissen diesen Umstand gar nicht. Die neue Bundesregierung hat unter Seehofer wenige Wochen gebraucht, diese Umgehung der Lebensmittelsicherheit zu schaffen. Garantieren Sie, dass Göppinger Läden durch den Verkauf dieser sogenannten ´Genmilch- und Genfleischprodukte´ keine Schäden bei Göppinger Bürgern anrichten?
Warum steht auf diesen Produkten nicht ein deutlicher Hinweis auf die Herstellungsart? Ist es ausgeschlossen, dass durch genmanipuliert hergestellte Futtermittel Schäden erzeugt werden, die nicht der Verursacher tragen müsste, sondern die damit versorgten Bürger mit ihren Steuern, also vermutlich die jetzigen Kinder? Wie ist die Haftung bei etwaigen Schäden durch genmanipuliert hergestellte Nahrungsmittel bzw.
durch den Anbau von genmanipuliertem Futtermittel?
Würden Sie ihren eigenen Kindern, bzw. Enkeln Milch- und Fleischprodukte aus genmanipulierten Futtermitteln kaufen?
Mit freundlichen Grüßen ein Vater von Göppinger Kindern
Sehr geehrter Herr Hötzel,
vielen Dank für Ihre Frage.
Mit der EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG regelt in der Europäischen Union eine zentrale Rechtsvorschrift das Genehmigungsverfahren für die "Inverkehrbringung" und "Freisetzung" gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt.
Dazu müssen in einem abgestuften Verfahren gentechnisch veränderte Pflanzen während jedes Entwicklungsschrittes vom Labor über Gewächshaus- und Freilandversuch auf ihre Sicherheit für Mensch, Tier und Umwelt getestet werden. Wenn alle Stufen erfolgreich durchlaufen wurden, wird eine Genehmigung zur Inverkehrbringung erteilt. Die Freisetzungsrichtlinie von 2001 sieht nach der Anbauzulassung spezielle begleitende Beobachtungsprogramme vor. Dieses "Monitoring" soll weitere Erkenntnisse über Wechselwirkungen zwischen gentechnisch veränderten Pflanzen und Öko-Systemen liefern. Die Freisetzungsrichtlinie betrifft primär die Umweltverträglichkeit von GVOs. Diese Richtlinie musste von den EU-Mitgliedsstaaten bis Oktober 2002 in nationales Recht umgesetzt werden. Frau Künast hatte dies bis 2004 verzögert und dadurch versäumt, dass in Deutschland die durch die Beobachtungsprogramme gewonnenen Erkenntnisse vorliegen.
Mit dem dritten Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes vom 22.03.2006 wurden die EU-Richtlinien ordnungsgemäß umgesetzt. Seit dem 15. Mai 1997 ist die EG-Verordnung 258/97 für neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten - Novel Food-Verordnung in allen EU-Mitgliedsstaaten rechtskräftig. Dadurch gelten besondere Regelungen für neuartige Produkte, die bisher noch nicht in "nennenswertem Umfang" in der Europäischen Union vermarktet wurden. Im Gegensatz zu herkömmlichen Lebensmitteln müssen Produkte, die unter diese Verordnung fallen, ein Anmelde- bzw. Genehmigungsverfahren durchlaufen. Gentechnisch veränderte Produkte sind strenger geprüft als ihre konventionellen Alternativen. Die Biotechnologie bietet ein hohes Sicherheitsniveau, das die konkurrierenden Produktionsweisen nicht erreichen.
Die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften hat 2006 zum gentechnisch verändertem (GV) Mais festgestellt, dass"... der Verzehr von GV-Maisprodukten grundsätzlich risikoärmer [ist] als der Verzehr von herkömmlichen Maisprodukten." Im selben Gutachten heißt es auch: "... das Allergenitätsrisiko [ist] bei GVO (gentechnisch veränderten Organismen) deutlich geringer einzuschätzen als bei Produkten einer konventionellen Züchtung." Der Verzehr von GV-Nahrungsmitteln ist keineswegs risikoreicher als der Verzehr herkömmlicher Nahrungsmittel. Ein Beispiel dafür liefert der ökologische Landbau, der ebenfalls das Bt-Toxin einsetzt, aber auf eine sehr primitive Weise. Das Bodenbakterium “Bacillus thuringiensis“, aus dem die Gentechnik Gene entnommen hat, um sie wegen ihrer insektiziden Wirkung in das Mais-Genom einzusetzen, ist in der Natur weit verbreitet. Wird das Bakterium von Insekten über ihre pflanzliche Nahrung aufgenommen, wirkt Bt genauso insektizid wie im Bt-Mais.
Das machen sich die Ökobauern zunutze, indem sie Bakterien-Lösungen auf Kulturpflanzen versprühen, um durch das Toxin der Bakterien Schädlinge zu bekämpfen. Die Bakterien werden in großen Mengen ausgebracht. Man tötet dadurch nicht nur die unerwünschten Insekten, sondern auch viele nützliche Insekten, darunter geschützte Arten. Die Öko-Landwirte tun das, ohne Risikobegleitforschung oder Langzeitmonitoring zu betreiben. Dabei ist unklar, ob sich das Toxin aus den Bakterien im Boden anreichert. Darüber hinaus wird ignoriert, dass die unkontrollierte Freisetzung von riesigen Mengen eines Bakteriums, dessen Rolle im Ackerökosystem fast unbekannt ist, ein sehr großes Risiko darstellt. Bis heute schweigen die Umweltverbände zu diesem Bt-Einsatz im ökologischen Landbau, obwohl niemand das damit verbundene Risiko für Mensch und Umwelt einschätzen kann. Warum wird keine Kennzeichnung der Öko-Produkte gefordert, die mit den Bt-Toxin produzierenden Bakterien in Berührung gekommen sind?
Jährlich werden ca. 45 Millionen Tonnen von gentechnisch veränderten Rohstoffen (Soja und Maiskleber) in die EU importiert, weil diese ihren Bedarf an Eiweiß nur zu 50 % selbst decken kann. Allein nach Deutschland werden schon seit längerer Zeit 6 Mio. Tonnen pro Jahr von gentechnisch verändertem Soja eingeführt.
Die derzeitige Kennzeichnungsregelung dient nicht der Aufklärung des Verbrauchers, sondern führt ihn in die Irre. Nachdem alles, was durch den Tiermagen gegangen ist, nicht gekennzeichnet werden braucht, ebenso wenig wie gentechnisch veränderten Enzyme, meint ein Großteil der Bevölkerung, dass er mit Gentechnik noch nicht in Berührung gekommen ist. Experten der Lebensmittelbranche dagegen stellen fest, dass bei konsequenter Kennzeichnung 80 % unserer Lebensmittel als gentechnisch verändert auszuzeichnen wären.
Weithin ist unbekannt, dass auch bei uns Lebensmittel gentechnisch verändert (gv) sind.
Schon jetzt werden gentechnisch modifiziertes Soja-Lecithin für die Weiterverarbeitung zu Schokolade, Emulgatoren und Vitamin E aus gv-Soja und Speiseöl aus genetisch verändertem Mais oder Raps hergestellt. Weitere Möglichkeiten finden sich bei der Herstellung von Futtermitteln, Backwaren umweltschonender Waschmittel. Zur Herstellung von Käse braucht man das im Magen säugender Kälber entstehende Lab bzw. das darin enthaltende Chymosin. Es wäre illusorisch, wollte man die benötigte Menge an Chymosin heute auf diese Art und Weise gewinnen, deshalb wird es weltweit gentechnisch erzeugt.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und ich für meine Person hätten nichts gegen eine konsequente Kennzeichnung aller Lebensmittel, für deren Herstellung GVO´s eingesetzt wurden. Dies ist aber eine Frage, die zusammen mit den EU-Mitgliedstaaten entschieden werden muss. Laut dem vom Bundeskabinett am 28. Februar 2007 einstimmig beschlossenen Eckpunktepapier wird sich die Bundesregierung in Brüssel dafür einsetzen. Warum also der teilweise fanatische Kreuzzug gegen die Biotechnologie?
Bei einer parlamentarischen Anhörung im britischen Oberhaus antwortete der Vertreter von Greenpeace auf die Frage, ob irgendwelche neue Erkenntnisse die Ablehnung der Biotechnologie durch seine Organisation beeinflussen könnten: "Es ist eine dauerhafte, endgültige und vollständige Gegnerschaft". Wer so denkt, lässt sich durch wissenschaftliche Beweise nicht beeindrucken. Diese Opposition der gegen die Gentechnik ist Ausdruck einer fundamentalistischen Denkweise, die sich aus irrationalen Quellen speist.
In der Europäischen Union ist die grüne Technikfeindschaft Bestandteil der offiziellen Politik. Die EU-Kommission und das EU-Parlament haben ein dichtes Gestrüpp von Gesetzen und Verordnungen beschlossen, welche die Biotechnologie zwar nicht explizit verbieten, aber in der Praxis es äußerst schwer machen, gentechnisch veränderte Produkte in den Markt einzuführen. Natürlich wurde auch eine neue Bürokratie geschaffen: eine Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit ist für die Zulassung von GV-Lebensmitteln und -Futtermitteln zuständig. Man gönnt sich aber auch eine Informationsstelle zur Prävention biotechnologischer Risiken, die jeden GVO prüft, bevor er in ein anderes Land "verbracht" werden darf.
Die EU-Regeln sind so rigide, dass sie einem Verbot der Einfuhr von GVO in die EU gleichkommen. Gegen diese Handelsbeschränkung haben die USA, Kanada und Argentinien im Jahr 2003 eine Klage bei der Welthandelsorganisation (WTO) eingereicht.
Anfang 2006 entschied die WTO, dass die EU ihr Regelwerk zur Biotechnologie nicht so gestalten darf, dass dadurch der internationale Handel behindert wird.
Außerdem erklärte die WTO, dass die GVO-Verbote in einzelnen EU-Mitgliedsstaaten eine Verletzung der WTO-Regeln darstellen.
Für die EU-Bürger bringt die Unterdrückung der Biotechnologie einen Wohlstandsverlust mit sich. Die EU verliert den Anschluss an die internationale Entwicklung in einer der wichtigsten Hochtechnologien. Allein in Deutschland sind durch die grüne Blockade 10.000 High-Tech Arbeitsplätze in biotechnologischen Unternehmen gefährdet.
Es ist zu erwarten, dass die Weltbevölkerung von gegenwärtig 6 Milliarden auf 8 Milliarden im Jahr 2050 steigen wird. Dieser Bevölkerungszuwachs wird ausschließlich in den Entwicklungsländern stattfinden, wo heute 800 Millionen Menschen unterernährt sind. Die konventionelle Agrartechnik kann die Erträge nicht mehr nennenswert steigern. Die global vorhandene Ackerbaufläche lässt sich kaum ausweiten. Nur bei umfassender Anwendung der Biotechnologie ist es möglich, die in den nächsten Jahrzehnten neu hinzu kommenden Menschen zu ernähren. Die Nutzung der Gentechnik ist für die Armen dieser Welt eine Frage von Leben oder Tod.
Das Vorsorgeprinzip zwingt den Menschen in der Dritten Welt die Ideologien und die unbegründeten Phobien satter Aktivisten entwickelter Länder auf, um umfassende Nutzungsbeschränkungen bei Chemikalien, Pestiziden, fossilen Energieträgern und Biotechnologie für jene zu rechtfertigen, die sich diese Verbote am wenigsten leisten können. Eine Gegnerschaft zur Biotechnologie sei „ein Luxus des Nordens", meint die kenianische Ökonomin Dr. Florence Wambugu. „Ich schätze ethische Erwägungen, aber alles, was nicht dazu beiträgt, unsere Kinder satt zu kriegen, ist unethisch." Die Afrikaner wollen keine Nothilfe, auch nicht aus christlicher Nächstenliebe. Sie pochen auf ihr Recht, ihre Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen. Mehr Geld, mehr Entwicklungshilfe für Afrika? "Die wahre Arroganz, der wahre Kolonialismus wird nicht von euren Unternehmern, diesen vermeintlichen Ausbeutern, an den Tag gelegt, sondern von euren Philanthropen. Sie sollten tun, worauf sie spezialisiert sind: Popmusik machen oder Parteipolitik. Afrika ginge es ohne ihre ständigen Nachstellungen jedenfalls besser", so der afrikanische Intellektuelle Lubega.
Nicht ohne Grund nennt der Mitbegründer von Greenpeace, der Ökologe Dr. Patrick Moore (heute heftiger Kritiker der Gruppe) den „Krieg“ gegen die Biotechnologie und genetisch veränderte Organismen, „den vielleicht klassischsten Fall der irregeleiteten Umweltschutzideologie“ seit Menschengedenken.
„Umweltaktivisten“ aller Art fordern von Unternehmen, alle Aktivitäten zu beenden, die die menschliche Gesundheit oder die Umwelt bedrohen könnten, selbst dann, wenn noch keine klare Beziehung zwischen Ursache und Wirkung hergestellt wurde und die potentielle Bedrohung größtenteils oder ganz theoretischer Natur ist. Man fragt nach Haftungsregelungen für hypothetische Schäden, nicht aber nach tatsächlichen Schäden, angerichtet durch den Kampf gegen die grüne Gentechnik. Haften hierfür Umweltschützer?
Die Debatten über gesellschaftliche Verantwortung, Beteiligung von Anspruchsgruppen, nachhaltige Entwicklung, Vorsorgeprinzip und sozial verantwortliches Investieren führen dazu, dass Wissenschaft und Logik durch interessengeleitete Strategien, politische Zweckmäßigkeit und eine neue Form von Tyrannei ersetzt wurden. Dabei bleiben viele dringliche Fragen offen:
Sind die behaupteten Risiken realistisch? Überwiegen die Vorteile die Risiken? Werden radikale Programme das Leben der Armen verbessern? Oder führen sie zu noch mehr Armut, Unglück, Krankheiten und Todesfällen unter denen, die von den Entscheidungen am meisten und direkt betroffen sind?
Warum werden bestimmte Gruppen, wie die ländlichen Armen der Entwicklungsländer, so wenig an diesem Prozess beteiligt? Warum widerspiegeln sich deren Interessen nicht in den Definitionen von gesamtgesellschaftlicher Verantwortung und des Vorsorgeprinzips oder entsprechenden Aktivitäten?
Warum haben einige Unternehmen, Stiftungen und Nationen bei der Werbung für diese mutierten Konzepte derart eng mit NGO- und Regierungsaktivisten zusammengearbeitet? Was ist die Quelle der angeblichen moralischen und sonstigen Autorität der Aktivisten bei der Bewertung, was „ethisch" oder „sozial verantwortlich" oder in Übereinstimmung mit den „Erwartungen der Gesellschaft" ist? Wer wählte sie zu „Stakeholdern", die darüber zu entscheiden haben, was ein „akzeptables Risiko" ist oder nicht ist, oder welche Kosten, Vorteile und medizinische oder wirtschaftliche Prioritäten bei der Festlegung dieser Eigenschaft herangezogen (oder ignoriert) werden müssen?
James Shikwati, Direktor des Inter Region Economic Network, in Kenia, stellt zusätzliche Fragen, die in seinem Teil der Welt besonders auf den Nägeln brennen:
„Warum zwingen Europas entwickelte Länder ihre entwicklungspolitische Ethik armen Ländern auf, die lediglich eine Phase durchlaufen, durch die sie selbst bereits hindurch gegangen sind?
Warum schreiben diese armen Ländern vor, wie sie Energie erzeugen und dass sie keine landwirtschaftlichen Technologien oder Pestizide verwenden sollten, weil einige ökologische Risiken denkbar sind, nachdem sie selbst einiges riskiert haben, um ihren gegenwärtigen ökonomischen und technologischen Stand zu erreichen?
Warum zwingt man arme Länder, Theorien von nachhaltiger Entwicklung zu folgen, die nur eine geringe Entwicklung oder den Stillstand bei Energie oder Wirtschaft bedeuten würden?"
Über diese Fragen lohnt es sich, auch selbstkritisch, nachzudenken. Wenn ich Vor- und Nachteile der grünen Gentechnik gegeneinander abwäge, dann halte ich es für verantwortungslos gentechnische Verfahren zum Beispiel auf medizinische Anwendungen zu beschränken oder ganz zu verbieten. Mit der Gentechnik in der Medizin Menschenleben retten und durch Verbot der Gentechnik in der Landwirtschaft Hunger und den Tod von Menschen in Kauf nehmen, das passt nicht zusammen. Weiter wird die Sorge geäußert, dass wir mit dem Einsatz der grünen Gentechnik auf bisher nicht bekannte Weise in die Schöpfung eingreifen“. Ja, gilt dies denn nicht auch für eine geforderte Beschränkung auf medizinische Anwendungen. Ist die moderne Biotechnologie nicht nur eine Verfeinerung jener genetischen Manipulationstechniken, die man seit Jahrhunderten anwendet, um verbesserte Sorten von Blumen, essbaren Pflanzen, Nutztieren und anderen Organismen zu bekommen? Ist jedes pflanzliche und tierische Produkt, dass wir heute konsumieren, nicht das Ergebnis von Kreuzungen und anderen Techniken, die seit einem Jahrtausend oder länger angewendet werden, um die genetisch bedingte Form ihrer Vorfahren zu verändern? Selektierten nicht sogar prähistorische Farmer ihre besten Samen und Tiere zur Zucht, um deren Größe, Menge, Qualität oder Ertrag zu steigern? Und haben unsere Vorfahren nicht auch in „unbekannter Weise in die Schöpfung“ eingegriffen?
Sehr geehrter Herr Hötzel, ich bin auf Ihrer Seite, wenn es darum geht, möglichen Gefahren wirksam einzugrenzen. Für ein Verbot oder Regelungen, die einem Verbot der grünen Gentechnik gleichkommen, bin ich jedoch nicht zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Riegert