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Klaus Riegert
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Frage von Markus S. •

Frage an Klaus Riegert von Markus S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Riegert

die EU droht sich in eine schuldenbasierte Transferunion, eine Haftungsgemeinschaft, zu verwandeln. Außerdem soll das Haushalts- und Budgetrecht der nationalen Parlamente an einen EU-Gouverneursrat abgegeben werden. Grundlage hierfür ist der erst vor kurzem bekannt gewordene Vertragsentwurf zum sog. "Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)", über den Sie als Mitglied des Deutschen Bundestages vermutlich nach der Sommerpause noch 2011 entscheiden werden. Deutsche Steuergelder sollen für die Schuldenpolitik anderer EU-Länder geradestehen. Wir sollen arbeiten, damit die Banken keine Verluste machen. Dem Steuerzahler wird Zwangssolidarität verordnet. Die Banken sind auf freiwilliger Basis dabei. Uns Bürgern gesteht man diese Freiwilligkeit nicht zu. Wir müssen zahlen. Der ESM-Vertrag darf deshalb den Deutschen Bundestag nicht passieren!

Ich fordere Sie daher auf, sich politisch für ein klares Bekenntnis gegen den ESM-Vertrag und die EU-Schuldenunion auszusprechen. Sie haben es in der Hand, daß der Steuerzahler nicht weiter belastet wird. Denken Sie bitte an die kommenden Generationen, die unter einer verfehlten EU-Wirtschafts- und Finanzpolitik leiden werden.

Diese ist nicht in unserem Sinne – legen Sie bitte Ihre Position zu dieser Frage offen. Werden Sie den ESM-Vertrag zustimmen oder ihn ablehnen?

Meine politische Unterstützung an der Wahlurne mache ich stark von Ihrer Haltung in dieser essentiellen Zukunftsfrage abhängig.

Mit freundlichen Grüßen

Markus Scherer

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Scherer,
sehr geehrter Herr Schuster,

Der Bundestag hat am 29. September mit überzeugender Mehrheit grünes Licht für den erweiterten Rettungsschirm EFSF gegeben. Die Zustimmung ist mir nicht leicht gefallen. Ich habe sie nach langen Debatten innerhalb unserer Bundestagsfraktion und unter Einbeziehung der vielen kritischen Zuschriften vor allem aus folgenden Gründen getroffen: Die Zustimmung des Deutschen Bundestages ist eine wichtige Zäsur in den Bemühungen zum Schutz unserer gemeinsamen Währung. Mit dem neuen Rettungsschirm haben wir jetzt - neben der Möglichkeit zur Gewährung von Krediten und zur Übernahme von Garantien für notleidende Staaten - auch weitere Instrumente in der Hand, um eine Ausweitung der Krise einzudämmen, falls dies notwendig werden sollte. Er gibt uns in der Euro-Schuldenkrise ein Stück mehr Sicherheit in unserer Reaktion auf unvorhergesehene Entwicklungen.

Vor allem aber ist festgeschrieben, dass der Bundestag bei allen Rettungsmaßnahmen das letzte Wort hat, so wie es in einer parlamentarischen Demokratie sein muss. Und zur parlamentarischen Demokratie gehört ebenso, dass Kontroversen sichtbar für die Bürgerinnen und Bürger im Deutschen Bundestag ausgetragen werden. Bundestagspräsident Prof. Dr. Lammert hat deshalb richtig gehandelt, zwei Kritikern des erweiterten Rettungsschirms aus den Reihen der Koalition das Rederecht einzuräumen. Die Mitglieder des Deutschen Bundestages, insbesondere der Regierungskoalition, haben mit Ihrer überwältigenden Zustimmung zum Rettungsschirm den Kritikern eine deutliche Antwort erteilt.

Der Rettungsschirm war im ersten Jahr seines Bestehens erfolgreich. Die praktischen Erfahrungen der Anfangszeit sind nun in ein nachgebessertes Modell eingeflossen:
Mit sogenannten vorsorglichen Kreditlinien wird in finanzielle Not geratenen Mitgliedstaaten eine Art Dispo-Kredit eingeräumt. Die Staaten erhalten damit ihre Bonität und sind bald wieder in der Lage, am freien Kapitalmarkt Kredite zu erträglichen Zinsen zu erhalten.

Um einer Zahlungsunfähigkeit von notleidenden Staaten vorzubeugen, kann der Rettungsschirm künftig auch Staatstitel auf dem Sekundärmarkt ankaufen. Das verschafft diesen Staaten ebenfalls etwas Luft. Nicht zuletzt entlastet dies auch die Europäische Zentralbank. Sie hat in jüngster Vergangenheit Staatstitel wiederholt angekauft, um Preisverzerrungen zu vermeiden. Das kann und soll aber auf Dauer nicht ihre Aufgabe sein.

Der Rettungsschirm kann künftig auch Banken helfen. Denn gerät eine Bank durch Zahlungsausfälle ins Trudeln, besteht die Gefahr, dass auch andere Banken in Mitleidenschaft geraten. Das soll verhindert werden. Diese neue Aufgabe ist wichtig, falls es doch zum Schuldenschnitt eines Staates kommt. Mit dem Rettungsschirm könnten wir gemeinsam die Folgen abmildern.

Die EFSF legt Wert auf eine Spitzenbonität, ein sogenanntes Triple-ARating. Denn ein solches Triple-A bezeugt die Verlässlichkeit und Solidität der Währungsunion. Anleihen, die der Rettungsschirm am Markt aufnimmt, um das Geld dann an die not-leidenden Staaten weiterzureichen, werden dadurch günstiger. Um die Spitzenbonität auch bei vollständiger Ausschöpfung der Darlehenskapazität zu erhalten, ist eine „Übersicherung“ durch Erhöhung des Garantierahmens von 440 auf 780 Milliarden Euro erforderlich. Der deutsche Anteil steigt dadurch von 123 auf 211 Milliarden Euro.

Der neue Euro-Rettungsschirm wird aber nur eine Zwischenlösung sein. Er ist ein wichtiger und bedeutender Schritt hin zu einem permanenten Rettungsmechanismus, den wir 2013 in Kraft setzen. Denn langfristig müssen wir unser Haus Europa auf festere Fundamente stellen. Wir brauchen daher eine Änderung der europäischen Verträge, nicht zuletzt um die Verpflichtung zu solider Haushaltspolitik im Zweifelsfall auch durchsetzen zu können. Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) wird den bisherigen Rettungsschirm EFSF weiterentwickeln. Die wichtigsten Neuerungen des ESM gegenüber der EFSF sind die systematische Risikobeteiligung des Privatsektors und die dauerhafte Verankerung als internationale Organisation. Der ESM soll quasi in die Fußstapfen der EFSF treten und dabei ihre Instrumente weitgehend übernehmen. Da die Umsetzung des ESM-Vertrags in den einzelnen Mitgliedstaaten und die Vorbereitung der neuen Anleihebedingungen eine gewisse Zeit brauchen werden, ist der neue Rettungsschirm erst zum 1. Juli 2013 arbeitsfähig.

Mit Inkrafttreten des ESM in knapp zwei Jahren werden alle neuen Schuldtitel des Euro-Gebietes mit standardisierten Umschuldungsklauseln (collective action clauses - CAC) versehen. Wird ein Land zahlungsunfähig, müssen sich die privaten Gläubiger an den Kosten des Kreditausfalls beteiligen. Mit anderen Worten: Jeder Geldgeber weiß, was im „Schadensfall“ auf ihn zukommt. Damit wird verstetigt, was die Bundesregierung mit der freiwilligen privaten Gläubigerbeteiligung bei den Griechenland-Hilfen bereits durchgesetzt hatte. Der ESM enthält also Regelungen, die als erster Schritt zu einer Insolvenzordnung für Staaten gesehen werden können.

Das ist ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit: Gläubiger, die in guten Zeiten von sicheren Anleihen profitieren, müssen in schlechten Zeiten auch das Risiko mittragen, dass ihre Schuldner zahlungsunfähig werden. So entsteht von Anfang an der nötige Druck zu einer verantwortungsvollen Kreditvergabe. Die ESM-Ausleihkapazität von rund 500 Milliarden Euro wird von allen Euro-Staaten sowohl mit Bürgschaften als auch mit Bareinlagen von insgesamt 80 Milliarden Euro abgesichert. Durch die Bareinlagen kann die für das Spitzenrating erforderliche “Übersicherung“ kleiner ausfallen als bei der EFSF. Der deutsche Baranteil von 22 Milliarden Euro wird in fünf jährlichen Raten von 2013 bis 2017 gezahlt.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Riegert