Frage an Klaus Riegert von Ralf H. bezüglich Wirtschaft
Immer wieder stehen Probleme mit Patenten und Freier Software oft sehr kontrovers in der Diskussion.
Es gibt jedoch auch andere Computerthemen, die für die Politik von großer Bedeutung sind und vor diesem Hintergrund nicht verblassen dürfen. Daher würde mich Ihre Position zu Freier Software interessieren. Halten Sie diese für unterstützens– und schützenswert? Inwiefern werden Sie sich dafür tatsächlich einsetzen?
Wie werden Sie im Falle einer Verschärfung des Patentrechtes im Sinne der Richtlinien, wie sie aus Interessen-Kreisen aus den USA nach Europa hereingetragen werden, abstimmen?
Auch würde mich in diesem Zusammenhang interessieren, wie Sie zum Fraktionszwang stehen. Da ja wohl mehr als 80% aller Entscheidungen unter Fraktionszwang abgestimmt werden meine ich hier eine deutlich ANTI-Demokratische Tendenz zu erkennen.
Wie weit meinen Sie sich, im Falle widrigen Gewissens, gegenüber der Parteilinie behaupten zu können??
Über eine baldige Antwort würde ich mich sehr freuen.
mfg
Sehr geehrter Herr Hesse,
Open Source hat sich als ein wichtiges Geschäftsmodell neben anderen etabliert. Sie bietet in fast allen Bereichen erfolgreiche Lösungen für Wirtschaft, Forschung, den privaten Bereich sowie in besonderem Maße für die öffentliche Verwaltung an.
Open Source ist Teil des Ende 2006 von der unionsgeführten Bundesregierung beschlossenen Aktionsprogramms "iD2010 - Informationsgesellschaft Deutschland 2010". Zur weiteren Unterstützung von Open Source-Software hat die unionsgeführte Bundesregierung im April 2008 die dritte Auflage des "Migrationsleitfadens" veröffentlicht, der auf Alternativen aus dem Open Source-Bereich hinweist. Zudem wurde ebenfalls 2008 im Bundesverwaltungsamt ein Kompetenzzentrum für Open Source Software eingerichtet.
Generell sind wir der Auffassung, dass Open Source-Projekte staatsfern bleiben sollten, da sie sich so am besten entwickeln können. Die mit staatlicher Förderung zwangsläufig verbundenen Vorgaben sind nur schwer mit der Dynamik von Open-Source-Projekten in Einklang zu bringen. Wir unterstützen eine indirekte Förderung durch die stärkere Nutzung freier und offener Software durch Behörden. Open-Source-Software bietet aus wirtschafts- und sicherheitspolitischer Sicht Vorteile für den Staat. Auch unterstützen wir - wo möglich - die Bereitstellung von staatlichen Informationen zur Nutzung durch Projekte wie Wikipedia und OpenStreetMap. Vorbild kann die Bereitstellung von 100.000 Fotos aus dem Bundesarchiv für Wikipedia sein.
Wie Sie wissen, hat das Europäische Parlament hat sich gegen die Patentierbarkeit von Computer implementierten Erfindungen ausgesprochen, um nicht die Verbreitung der Innovation auf diesem Gebiet zu behindern. Aber, eine Kulturflatrate, die auch Software mit einbindet, oder eine radikale Abschaffung des Urheberrechts? Das ist finanzieller Selbstmord, auch für "freie Software", wenn sie GPL Lizensierung benutzt: Nur über das Urheberrecht und entsprechende Lizensierung kann die GPL andere zwingen, auch Ihren Code zu veröffentlichen.
Für die CDU ist der Schutz des Eigentums - des geistigen wie des Sacheigentums - auch in Zukunft ein Kernbestand ihres politischen Programms. Wir haben das Urheberrecht novelliert und hierbei EU-Richtlinien umgesetzt. Das Urheber- und Patentrecht muss geeignet sein, einen vernünftigen Ausgleich zwischen den Interessen der Rechteinhaber, die ihre Arbeit und Kreativität investiert haben, und dem Interesse der Allgemeinheit an der Nutzung solcher Innovationen herstellen. Wir werden uns in Europa für ein verbessertes Patentsystem einsetzen. Denn ein rechtssicheres und für den Mittelstand kostengünstiges europäisches Patentsystem stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Im vergangenen Jahr haben deutsche Firmen und Privatpersonen rund 18.500 Patente bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum (Wipo) in Genf eingereicht. Das entspricht einem Zuwachs von über drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit belegt Deutschland den dritten Platz bei den angemeldeten Patenten hinter den USA (54.000 Patentanmeldungen) und Japan (29.000).
Von einer internationalen Harmonisierung des Patentrechts können gerade forschende Unternehmen profitieren. So führt die Schaffung eines europäischen Gemeinschaftspatents und einer europäischen Patentgerichtsbarkeit nicht nur zu einem deutlichen Zugewinn an Rechtssicherheit, sondern ermöglicht auch Kosteneinsparungen aufgrund einheitlicher Standards bei der Patentanmeldung. Dringend notwendig zur Erreichung dieser Ziele sind:
* Die Ausstattung einer europäischen Patentgerichtsbarkeit mit einheitlichen Verfahrensregeln sowie mit erfahrenen und technisch qualifizierten Richtern auf allen Instanzen;
* Regelungen analog zum „Small Entity Status“ in den USA, um innovativen KMU mit dünner Kapitaldecke Patentanmeldungen durch verringerte Gebühren zu erleichtern;
* die Beibehaltung des in Europa bestehenden Erstanmelderprinzips bei einer Patentrechtsharmonisierung mit den USA zur Gewährleistung größtmöglicher Rechtssicherheit.
Einen „Fraktionszwang“ gibt es nicht. § 17 der Arbeitsordnung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion stellt fest: „In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gibt es keinen Fraktionszwang. Die Abstimmung ist frei. Die Mitglieder sind verpflichtet, in wichtigen Fragen ihre von der Fraktionsmehrheit abweichende Abstimmungsabsicht dem Vorsitzenden, dem 1. Parlamentarischen Geschäftsführer oder der Fraktionsversammlung bis zum Vortag der Abstimmung, 17.00 Uhr, mitzuteilen.“ Zentrale Regelung ist Artikel 38 Absatz 1 Grundgesetz, die Umschreibung des freien Mandats. Danach sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestages Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
Demokratie funktioniert durch Mehrheitsentscheidungen, die Minderheit trägt die Mehrheitsentscheidung mit. Wir könnten sonst immer nur feststellen, gegen was wir sind und nichts positiv entscheiden. Aber auch der Bürger kann dann kaum feststellen, für was eine Partei bzw. Fraktion steht. Davon hängt auch Regierungsfähigkeit und Verlässlichkeit ab. Vor diesem Hintergrund sieht der immer wieder behauptete „Fraktionszwang“ ein wenig anders aus. Dahinter verbirgt sich nicht die rechtlich verbindliche Vorgabe eines bestimmten Verhaltens, sondern die Erwartung einer „Fraktionsdisziplin“ - es geht darum, nach dem Ringen aller Mitglieder um die Haltung der Fraktion zu einer bestimmten Frage die mehrheitlich gefundene Position gemeinsam nach außen zu vertreten. Eine Erwartung, die den Abgeordneten aber nicht daran hindern kann, von der Mehrheit abzuweichen. Schon gar nicht bei Gewissensentscheidungen, wie ich es z. B. bei der Ablehnung des Nato-Operation „Essential Harvest“ in Mazedonien getan habe.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Riegert