Frage an Klaus Riegert von Michael Z. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Sehr geehrter Herr Riegert,
das Steuermodell von Prof. Kirchhof geriet in den letzten Tagen mehr und mehr in die Kritik in den Medien.
Es wurde mit Modellrechnungen (mit fiktiven Familien als Beispiele) berechnet, dass Besserverdiener eben doch stärker als niedriger Verdienende entlastet werden. Des Weiteren seien erhebliche Einnahmenausfälle (40Mrd. EUR) zu erwarten und beispielsweise Herr Eichel hält daher den Umstieg wie von der Union angestrebt für unfinanzierbar.
Der erste - durchaus positive - Eindruck, den ich über dieses System bekommen habe, wird mehr und mehr getrübt. Ich kann weder die Aussagen von Frau Merkel nachprüfen noch die Kritik, die von der SPD sowie einigen kritischen Kollegen von Prof. Kirchhof geäussert wird.
Wieso kann das (nach Prof. Kirchhofs Angaben sorgfältig durchgerechnete und konzipierte) System durch Gegenrechnungen derart offensichtlich widerlegt werden? Rechnet "die Gegenseite" (bzw. Prof. Kirchhof kritisch gegenüberstehende Wirtschaftswissenschaftler) mit falschen Zahlen? Stimmen diese Beispiele nicht, oder wurden in Prof. Kirchhofs Konzept negative Auswirkungen bzw. Schwächen verschwiegen?
Wie stellt sich das Steuermodell von Prof. Kirchhof denn nun letztendlich wirklich dar und welche maßgeblichen Auswirkungen wird das System auf die Bürger haben?
Sehr geehrter Herr Zinkand,
die Union hat in ihrem Regierungsprogramm 2005 – 2009 festgelegt, was sie in dieser Legislaturperiode umsetzen will. Dies gilt und nichts anderes. Wir setzen auf ein einfaches, verständliches und international konkurrenzfähiges Steuerrecht. Bürger und Unternehmen müssen wieder erkennen können, dass es bei den Steuern nachvollziehbar und gerecht zugeht. CDU und CSU werden zum 01.01.2007 ein modernes Steuerrecht in Kraft setzen, nach dem Motto „niedrigere Steuern und weniger Ausnahmen“.
CDU und CSU wollen den Eingangsteuersatz auf 12 Prozent und den Spitzensteuersatz auf 39 Prozent senken. Das sind die niedrigsten Steuersätze in der Geschichte der Bundesrepublik!
Durch die Abschaffung zahlreicher Ausnahmetatbestände sorgen wir dafür, dass die Steuersätze auch tatsächlich bezahlt werden. Im Gegensatz zur SPD, die auf eine populistische „Reichensteuer“ setzt, werden wir im Bereich der Spitzeneinkommen tatsächlich zu mehr Steuereinnahmen kommen. CDU und CSU rechnen alleine durch das Schließen von Steuerschlupflöchern und den Abbau von Steuersparmodellen mit Mehreinnahmen von rund 3 Mrd. Euro. Zum Vergleich: Der populistische Ansatz der SPD, eine „Reichensteuer“ einzuführen, soll lediglich die Hälfte, 1,5 Mrd. Euro, in die Kasse bringen.
Die Union will die Pendlerpauschale nicht abschaffen, sondern lediglich auf 50 Entfernungskilometer und auf 25 Cent je km begrenzen. Davon sind Familien-Heimfahrten, etwa am Wochenende, ausgenommen. Sie sind weiter voll absetzbar. Bei den Zuschlägen für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit wollen wir die Steuervergünstigungen schrittweise innerhalb von 6 Jahren abbauen. Das heißt: Die Tarifpartner haben genügend Zeit, sich darauf einzustellen. Damit besteht auch die Möglichkeit, einen entsprechenden Ausgleich für die Arbeitnehmer durch Erhöhung der Zuschläge zu vereinbaren. Dabei ist wichtig: Die Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge werden nicht abgeschafft. Sie werden lediglich, so wie alle anderen Lohnbestandteile auch, besteuert. Im Übrigen gilt: Das Steuersystem wird durch unsere Maßnahmen einfacher und transparenter.
Wir werden Familien mit Kindern spürbar entlasten. Mit dem neuen Grundfreibetrag von 8.000 Euro für jedes Familienmitglied wird eine vierköpfige Familie nach unserem Steuermodell einschließlich sonstiger pauschaler Abzüge bis zu einem Jahreseinkommen von rund 38.200 Euro keinen Cent Einkommensteuer mehr zahlen.
Es gilt: Vorfahrt für Arbeit! Deshalb senken wir die Lohnzusatzkosten und finanzieren das seriös mit einer leicht höheren Mehrwertsteuer. Für Arbeitslose werden dadurch die Chancen erhöht, Arbeit zu finden. Beides gehört zusammen: Die Senkung der Arbeitslosenversicherung, von 6,5 Prozent auf 4,5 Prozent und die Gegenfinanzierung durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 Prozent auf 18 Prozent. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent z. B. für Nahrungsmittel, öffentlichen Personennahverkehr, Bücher und Zeitungen bleibt unverändert. Das ist sozial gerecht und wird von CDU und CSU verteidigt.
Das wirkt sich sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber positiv aus, denn beide sparen jeweils 1 Prozentpunkt. Die einprozentige Entlastung bezogen auf den Bruttolohn bedeutet, dass der durchschnittlich verdienende Arbeitnehmer ab dem 1. Januar 2006 etwa 1,6 Prozent mehr netto in der Tasche hat. Die andere Hälfte der Entlastung senkt die Lohnkosten des Arbeitgebers und erleichtert es ihm, bestehende Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen.
Für die Union ist es ganz entscheidend, dass der Mittelstand und die Personengesellschaften nicht gegenüber den großen Konzernen benachteiligt werden. Deswegen beinhaltet unser Konzept sowohl eine Absenkung der Einkommensteuer wie der Körperschaftsteuer.
Wir entlasten die Familienunternehmen im Betriebsübergang bei der Erbschaftsteuer, wir weiten die Ist-Besteuerung bei der Umsatzsteuer aus, was zusätzliche Liquidität bringt, und wir entlasten den Mittelstand von Bürokratie.
Wir werden die Unternehmensbesteuerung vollständig neu ordnen. Als ersten Schritt werden wir sowohl die Körperschaftsteuer wie auch die Einkommensteuer um jeweils 3 Prozent-Punkte senken. Die Absenkung muss seriös im unternehmerischen Bereich gegenfinanziert werden. Dazu kommt eine international anerkannte Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge, die Kapital ins Land zurückholt, und den Anreiz, steuerliche Gewinne im Ausland entstehen zulassen, wesentlich vermindert.
Dies ist Regierungsprogramm 2005 – 2009, nicht mehr und nicht weniger! Dazu steht auch Paul Kirchhof. Dass Herr Kirchhof darüber hinaus denkt, ist sein gutes Recht und hilfreich. Denn: Deutschland leidet an wohlfahrtsstaatlichem Interventionismus, an einer paternalistischen Sozialbürokratie, an einer Finanzpolitik der großen Kelle und fortwährenden Staatsverschuldung, an halbherzigen Planwirtschaften im Gesundheits- und Bildungswesen, an kläglich gescheitertem Umverteilungs- und Steuerungskult.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Riegert