Frage an Klaus Riedelsdorf von Christiane L. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Riedelsdorf,
sicher sind Ihnen die Untersuchungen und Statistiken bekannt, nach denen ein Tempolimit auf Autobahnen dazu führen würde, dass sich weniger Unfälle ereignen würden und dass der Kraftstoffverbrauch und mit ihm der Schadstoffausstoß sinken würde. Bestimmt sind diese Ziele auch in Ihren Augen erstrebenswert - etwas Anderes erscheint mir kaum vorstellbar. Dann hätte ich von Ihnen gern gewusst, weshalb Sie sich so vehement dagegen stemmen, ein Tempolimit einzuführen. Sind Raserei und PS-Fetischismus Weniger soviel schützenswerter als körperliche Unversehrtheit Vieler, Umwelt- und Ressourcenschonung?
Auf die Frage, warum ausgerechnet bei 130 km/h die Grenze sein sollte, kann ich Ihnen vielleicht eine Antwort geben: das ist für die meisten Menschen - also auch z.B. für Sie und mich - die neurobiologische Grenze, oberhalb derer sie aus physiologischen Gründen ihr Fahrzeug objektiv nicht mehr sicher steuern können, unabhängig vom subjektiven Empfinden.
In Erwartung Ihrer Antwort verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
C. L.
Sehr geehrte Frau L.,
die Frage eines Tempolimits wird seit Jahrzehnten mit geradezu religiöser Unerbittlichkeit und Kompromißlosigkeit geführt. Ein Beispiel dafür ist auch Ihre Behauptung, daß ausgerechnet Tempo 130 (und nicht etwa 140, 150, 160 ...) die "neurobiologische Grenze" wäre, bis zu der man Fahrzeuge noch "objektiv sicher" steuern könnte, nur um genau diese (und keine andere, womöglich höhere) Grenze zu begründen. Dabei hätten die Befürworter selbst bei einem sehr hohen Limit ihr Hauptziel erreicht, nämlich die Schaffung einer Vorschrift, wo es bisher keine gab. De facto sind ja 94% unseres Autobahn-Netzes bereits tempobeschränkt, unabhängig von der tatsächlichen Verkehrssituation und den örtlichen Gegebenheiten. Echter Handlungsbedarf besteht insofern nicht. Und wo die Bundesländer Handlungsbedarf sehen, werden auch ständig weitere Beschränkungen verfügt.
Der heutige Stand der Technik ermöglicht situationsbezogene Verkehrsbeeinflussung, die ja an vielen Stellen bereits installiert ist. Das halten wir für den richtigeren Weg. Ob der einzelne Autofahrer mehr oder weniger Kraftstoff verbrauchen will, sollte seine Entscheidung bleiben, denn die Mehrkosten trägt er ja selbst. Unfälle passieren in aller Regel durch Unachtsamkeit und nicht ursächlich durch zu hohe Geschwindigkeit. Wobei auch unangepaßte Geschwindigkeit eine Unachtsamkeit sein kann - dagegen helfen aber Vorschriften nichts. Der Umwelt-Aspekt erscheint mir zu sehr politisch herbeigeredet. Es mag sein, daß der Autoverkehr insgesamt die Umwelt belastet. Die Differenz zwischen dem Gros der 130 bis 150 fahrenden Autos und den wenigen, die sich auf den wenigen freigegebenen Streckenabschnitten ohne Rücksicht auf die Kosten ein durchweg hohes Tempo leisten können, dürfte kaum in's Gewicht fallen.
Tempo 130 erfordert nicht weniger Aufmerksamkeit als Tempo 180 oder mehr. Bei langen Nachtfahrten auf leeren, schnurgeraden Autobahnen (ich denke dabei nicht an Urlaub, sondern an die täglichen Geschäftsreisenden) ist es aber ein Unterschied, ob man 4 oder 6 Stunden arbeiten muß. Das hat nichts mit "PS-Fetischismus" und "Raserei" zu tun (auf solche Begrifflichkeit kommt man nur, wenn man selbst nicht berührt ist), sondern damit, ob man am Ziel 2 Stunden mehr oder weniger schlafen kann. Das ist meine eigene Erfahrung.
Autos fahren nicht zum Spaß, sondern in aller Regel aus bestimmten Notwendigkeiten heraus. Bei Anerkennung dieser Tatsache würden sich viele verkehrsbezogenen Diskussionen - u.a. auch der sog. Diesel-"Skandal" - von vornherein erübrigen.