Frage an Klaus-Peter Willsch von Dr. Jürgen S. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Lieber Herr Willsch,
ich habe immer wieder versucht, das "C" in Ihrem Namen ernst zu nehmen...es fällt mir immer schwerer, insbesondere seit Frau Merkel, mit Paul Kirchhoff einen Mann berufen haben, dessen Steuerpläne den Sozialstaat gänzlich ruinieren würden. "Einer trage des anderen Last" heißt es im Neuen Testament und dass die - in dieser Betrachtung finanziell - Starken mehr schultern müssen als die Schwachen liegt doch auf der Hand. Unser Staat ist hoch verschuldet, die Bürger dagegen sehr reich (10 Billionen EURO, also etwa das 20zigfache der jährlichen öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen betragen die privaten Vermögen) und wird durch die Finanznot immer handlungsunfähiger und dies vor dem Hintergrund, dass die Aufgaben der öffentlichen Hand zunehmen und immer dringender werden. Bildung, Umweltschutz, Sicherheit, Terrorismusbekämpfung, Gesundheit, Behinderten- und Altenpflege, Infrastruktur
kann man einfach nicht privatisieren, zumindest nicht, ohne dass große Teile der Bevölkerung unter die Armutsgrenze sinken.
Kann die CDU nicht erst einmal einen Teil der Kirchhoff-Ideen realisieren, nämlich die Abschaffung von Steuerschlupflöchern, von ungerechtfertigten Subventionen, die nur dazu dienen die Reichen noch reicher zu machen und ansonsten die derzeitigen Steuersätze belassen? Und Arbeitsplätze werden ja auch durch vom Staat wahrgenommene Aufgaben (siehe oben) geschaffen, die wesentlich wichtiger sind als Konsum. Wir sollten uns endlich bewusst werden, dass darüber hinaus materielles Wachstum wertvolle Ressourcen verschwendet und außerdem die Umwelt belastet und materiell geht es uns in den Industrieländern so gut, dass wir wirklich kein Wachstum mehr brauchen.
Ich bitte Sie um eine Stellungnahme noch vor dem Wahltermin!
Mit freundlichem Gruß
Jürgen Schulz
Am Kreuzstück 19
65510 Hünstetten
PS: Übrigens: könnten Sie sich eine gesetzlich vorgeschriebene Maximalvergütung
(für die Manager) vorstellen?
Sehr geehrter Herr Dr. Schulz,
ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen und Fragen, die ich gern beantworte.
Die Union sagt: „Sozial ist, was Arbeit schafft.“ Daran richtet sich unser
gesamtes Wahlprogramm aus. Auch die Pläne unseres Finanzexperten Paul
Kirchhof zielen darauf ab, wieder mehr Menschen in Arbeit zu bringen.
Das deutsche Steuerrecht steht wie nirgendwo sonst auf der Welt für
Komplexität, Unübersichtlichkeit, überhöhte Steuersätze und verfestigte
Besitzstände. Es wirkt leistungshemmend und lenkt die wirtschaftliche
Leistungskraft der Menschen fehl. Für in- und ausländische Investoren stellt
es ein gravierendes Investitionshindernis dar. Seine Unübersichtlichkeit
führt zu Ungerechtigkeit und Staatsverdrossenheit bei Bürgern und Betrieben,
Arbeitnehmern und Unternehmern.
Ein neues, zukunftsfähiges Steuerrecht ist eines der zentralen Ziele unserer
Politik. Die Menschen müssen erkennen können, dass es bei den Steuern
gerecht zugeht. Die Unternehmen brauchen dringend ein international
wettbewerbsfähiges Steuerwesen, damit sie in Deutschland investieren und
Arbeitsplätze schaffen. Der Staat muss sich endlich wieder auf berechenbare
Einnahmen verlassen können, um die von Ihnen richtigerweise als äußerst
wichtig bezeichneten Aufgaben des Gemeinwesens finanzieren zu können. Um
dies zu erreichen, braucht Deutschland einen steuerpolitischen Neuanfang.
Im Mittelpunkt steht die Vereinfachung und mit ihr die
Leistungsgerechtigkeit. Dazu werden wir die Ausnahmen weitestgehend
beseitigen und im Gegenzug die Grundfreibeträge erhöhen und die Steuersätze
absenken. Für eine Netto-Entlastung besteht angesichts der Krise der
öffentlichen Haushalte vorerst kein Spielraum. Es gilt deshalb:
Vereinfachung vor Entlastung.
Bereits zum 01.01.2006 ergreifen wir erste steuerpolitische Maßnahmen, um
schnell Arbeit und Beschäftigung zu fördern. Die Maßnahmen werden durch den
Abbau von Steuersubventionen und Ausnahmetatbeständen vollständig
gegenfinanziert. Bei den Gegenfinanzierungsmaßnahmen wird im Vordergrund das
Schließen von Steuerschlupflöchern stehen. Insbesondere werden wir die
lukrativen Verlustverrechnungsmöglichkeiten bei Fondsmodellen wie etwa
Medien, Windkraft, Schiffs- und Flugzeugbeteiligungen und Sonderregeln im
unternehmerischen Bereich abschaffen. Wir sorgen so dafür, dass der
Spitzensteuersatz nicht länger nur auf dem Papier steht, sondern von den
Spitzenverdienern auch tatsächlich bezahlt wird. So erreichen wir wesentlich
mehr für ein gerechtes Steuersystem als die SPD, die am geltenden Recht
festhält und eine spezielle „Reichensteuer“ einführen will.
Bei der Lohn- und Einkommensteuer senken wir den Eingangsteuersatz auf zwölf
Prozent und den Spitzensteuersatz auf 39 Prozent. Das sind die niedrigsten
Steuersätze in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Im Gegenzug
werden in gleichem Umfang eine Vielzahl von Steuerbefreiungen,
Steuervergünstigungen und Ausnahmetatbeständen gestrichen oder
eingeschränkt. Dazu gehören die Reduzierung der Pendlerpauschale auf eine
angemessene Höhe von 25 Cent bis maximal 50 Entfernungskilometer und der
gleichmäßige Abbau der Steuerfreiheit von Sonn-, Feiertags- und
Nachtzuschlägen innerhalb von sechs Jahren. Wir ersetzen die degressiven
Abschreibungen durch lineare Abschreibungen.
Wir werden einen einheitlichen Grundfreibetrag für jede Person, sei sie
Erwachsener oder Kind, von 8.000 Euro einführen. Der Kindergrundfreibetrag
kann, soweit er durch eigene Einkünfte des Kindes nicht ausgeschöpft wird,
auf die Eltern übertragen werden. Dabei bleibt eine Arbeitnehmerfamilie mit
zwei Kindern bis zu einem Einkommen von rund 38.200 Euro im Jahr
einkommensteuerfrei unter Berücksichtigung des neuen Kindergrundfreibetrages
und sonstiger pauschaler Abzüge. Gegenüber heute sind das für diese Familie
rund 5.000 Euro mehr. Im Zusammenhang mit der Einführung des
Kindergrundfreibetrages ist unter Berücksichtigung des Kinderbonus eine
Auswirkung auf das Kindergeld zu prüfen.
Zudem werden Steuererklärung und Steuerveranlagung vereinfacht. Das
Ehegattensplitting als Ausdruck des besonderen grundgesetzlichen Schutzes
von Ehe und Familie bleibt erhalten. Es ist keine Steuervergünstigung,
sondern Ausdruck der Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft Ehe. Wir werden
eine Abgeltungssteuer auf Kapitaleinkünfte einführen. Das vereinfacht das
Steuerverfahren. Wer nicht einkommensteuerpflichtig ist, wird nicht
belastet. Der Zufluss von Kapital nach Deutschland wird wieder attraktiv.
Die Verlagerung aus Deutschland hinaus lohnt sich nicht mehr. Das Bedürfnis
für Kontoabfragen im steuerlichen Bereich entfällt.
Insgesamt werden die steuerpolitischen Leitlinien der Union und die über das
Regierungsprogramm hinausgehenden Vorschläge unseres Experten Paul Kirchhof,
die neben den Freibeträgen reduzierte Steuersätze für kleine Einkommen
vorsehen, weit reichende Entlastungen bringen. Über die nach Abarbeiten des
Regierungsprogramms anstehenden weiteren Reformen werden wir uns noch
unterhalten müssen. Untersuchungen haben aber bereits gezeigt, dass die nach
den Vorstellungen der Union umzusetzenden Maßnahmen gerade kleine Einkommen
entlasten werden. Zusammen mit unseren familienfreundlichen Konzepten in der
der Sozialpolitik ergibt sich aus den Unionsansätzen daher ein durchaus
sozialer Kurs.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Klaus-Peter Willsch
Mitglied des Deutschen Bundestages