Frage an Klaus-Peter Flosbach von Helmut G. bezüglich Wirtschaft
Hallo Herr Floßbach,
das Grundgesetz der BRD geht prinzipiell von der Freiheit des einzelnen Bürgers aus, die nur da eingeschränkt werden darf, wo es unbedingt erforderlich und unvermeidbar ist.
Hierzu trägt der Gesetzgeben die uneingeschränkte Beweislast.Jede Einschränkung muß umfänglich begründet werden .Vorrangig ist zu prüfen, ob nicht andere Maßnahmen mit geringeren Einschränkungen ebenso geeignet sind, die legitimen Staatsinteressen zu erreichen. Schaut man sich in der Welt um, so gibt es kaum eine vergleichbare Zwangsverkammerung.
Können Sie begründen, warum wir gegen den Willen der überwiegenden Mehrheit (Umfragen zufolge um 90 % ! ) der Unternehmer/innen noch eine Zwangsmitgliedschaft in den Kammern brauchen? Gibt es Ihrer Auffassung nach keine Alternativen? Der Hauptgeschäftsführer der IHK Köln, Dr.Herbert Ferger kommentierte vor der Vollversammlungswahl:"---Die Vollversammlung braucht die demokratische Legitimation durch eine hohe Wahlbeteiligung,damit sie ihre Funktion- die Artikulation und die Vertretung der Interessen der hiesigen Wirtschaft - glaubhaft erfüllen kann.---"Wahlergebnis: 12,95 % ! oder OVZ "fast 20 % Hohe Wahlbeteiligung ?????"
Mit freundlichem Gruß aus Marienheide Zwangsverkammerter Helmut Gebske
Sehr geehrter Herr Gebske,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Das Thema wir immer wieder von Einzelnen angesprochen. Besonders von kleineren Unternehmern, die kaum Vorteile sehen oder zusätzlich einem speziellen Berufsverband angehören. Dennoch liegt bisher kein mehrheitsfähiger Vorschlag vor, der eine bessere Lösung bietet.
Den Kammern gehören in Deutschland kraft Gesetz seit langem alle natürlichen und juristischen Personen an, die im Kammerbezirk eine gewerbliche Niederlassung, eine Betriebsstätte oder Verkaufsstelle unterhalten, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt werden (Pflichtmitgliedschaft). Pflichtmitglieder sind auch Kleinunternehmer und Nebenerwerbsbetriebe, falls der gewerbliche Charakter dieser Betriebe nicht fraglich ist. Diese Pflichtmitgliedschaft ist vom Bundesverfassungsgericht für verfassungskonform erklärt worden. Auch nach Ansicht des Gerichts ist die Pflichtmitgliedschaft hinnehmbar, weil sie für die Kammerzugehörigen eine Chance zur Beteiligung und Mitwirkung an staatlichen Entscheidungsprozessen eröffnet. Die Pflichtmitgliedschaft hat überdies nach den Ausführungen des Gerichts eine freiheitssichernde und legitimatorische Funktion, weil sie auch dort, wo das Allgemeininteresse einen gesetzlichen Zwang verlangt, die unmittelbare Staatsverwaltung vermeidet und stattdessen auf die Mitwirkung der Betroffenen setzt. Das Gericht hat allerdings auch herausgestellt, dass die Industrie- und Handelskammern die Grenzen ihrer Aufgaben beachten müssen.
Auch kleine und mittelständische Betriebe profitieren von einer Mitgliedschaft bei den Industrie- und Handelskammern. Die Kammern bieten ihnen zahlreiche Dienstleistungen, wie z. B. Starthilfen und Existenzgründungsberatung, Beratung in/zu Finanzierungs- und Steuerfragen, Suche nach Gesprächspartnern im In- und Ausland, Hilfe und Unterstützung bei Verkehrsproblemen und bei Kontakten mit der öffentlichen Verwaltung. Ebenso kommt die hoheitliche wirtschaftsverwaltende Tätigkeit der Kammern den kleinen und mittelständischen Betrieben zugute (u. a. Sachkundeprüfungen, Aus- und Fortbildung, Berufsbildungszentren, Vermittlungsstellen).
Aus der Pflichtmitgliedschaft folgt nach unserer Rechtsordnung die Beitragspflicht der Kammerzugehörigen. Der Beitrag ist eine Gegenleistung für den Vorteil des Mitgliedes aus der Kammertätigkeit. Dieser Vorteil besteht vor allem darin, dass die Kammer ihre gesetzlichen Aufgaben erfüllt, insbesondere das Gesamtinteresse der ihr zugehörigen Gewerbetreibenden wahrnimmt und für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft arbeitet/eintritt. Der Vorteil dieser Interessenvertretung kommt allen Mitgliedern zugute. Dies entspricht dem Äquivalenzprinzip. Es ist nicht erforderlich, dass der Beitrag einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil bewirkt, der sich bei den einzelnen Kammerzugehörigen messbar niederschlägt.
Die Bundesregierung hält an der IHK-Pflichtmitgliedschaft fest. Dies hat sie in dem Bericht für den Deutschen Bundestag (Bundestagsdrucksache 14/9175 - Bericht der Bundesregierung über Beiträge, Aufgaben und Effizienz der Industrie- und Handelskammern) festgestellt, sie hat aber auch erklärt, dass sie die Problematik weiter beobachten wird. In der Koalitionsvereinbarung der derzeitigen Bundesregierung ist eine Aufhebung der IHK-Pflichtmitgliedschaft nicht vorgesehen.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus-Peter Flosbach MdB