Frage an Klaus-Peter Flosbach von Heike R. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Flosbach,
bezüglich des Brexit habe ich Zahlen zwischen 60 bis zu 100 Milliarden Euro gehört, für die GB eindeutig verbindliche Verpflichtungen übernommen hatte und nun zahlen soll.
quelle: http://www.bild.de/politik/aktuelles/politik-ausland/parlament-in-london-aufgeloest-51566532.bild.html
Gleichzeitig denkt Großbritannien nicht daran, für einen Austritt aus der EU zu zahlen
quelle: https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2017/03/05/der-streit-beginnt-grossbritannien-will-nicht-fuer-eu-austritt-zahlen/
1. Welche realistischen Möglichkeiten hat die EU überhaupt, offene finanzielle Forderungen an GB durchzusetzen, wobei die EU ja nicht einmal Euro Stabilitätssünder bestrafen kann?
2. Wenn es zur britischen Zahlungsverweigerung kommen sollte, was dann? Wer muss die Summen tragen, wo meiner Ansicht nach, nur noch Deutschland solvent ist?
3. Halten Sie es für denkbar, daas am Ende die EU in der Frage der finanziellen Forderungen vor GB einknicken wird und dem Steurzahler dann auch noch als Verhandlungserfolg/positiven Kompromiss verkaufen wird?
Heike Rogall
Sehr geehrte Frau Rogall,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage. Vorab möchte ich kurz darauf hinweisen, dass es sich bei allen momentanen Diskussionspunkten, beispielsweise über die Höhe einer möglichen so genannten "Schlussrechnung" an das Vereinigte Königreich oder die Folgen einer Zahlungsverweigerung, um Spekulationen handelt.
Die regulären Verhandlungen über den Ausstieg des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union (EU) sollen nach der britischen Parlamentswahl am 8. Juni beginnen. Erst dann werden u.a. folgende Themen konkret besprochen und verhandelt:
- Rechte der Bürger (britischer Bürger in der EU und umgekehrt)
- "Schlussrechnung" ("exit bill")
- Umgang mit auf dem Markt befindlichen Waren und laufenden Verfahren
- Umgang mit der Grenze zwischen Republik Irland und Nordirland
- Umgang mit den britischen Militärbasen auf Zypern
Die europäische Kommission und die britische Regierung scheinen sich bei Vor-Gesprächen in den letzten Wochen in einigen Punkten näher gekommen zu sein, beispielsweise hinsichtlich des Ablaufs des Verhandlungsverfahrens oder der Frage nach einem Übergangsabkommen. Von der britischen Seite wurde weder die frühere Einschätzung "no deal is better than a bad deal" noch die Drohung mit einem aggressiven Steuer- bzw. Standortwettbewerb wiederholt. Es zeichnen sich auch Kompromisse hinsichtlich eines späteren Freihandelsabkommens mit der EU ab.
Hinsichtlich einer möglichen "Schlussrechnung" handelt es sich um eine inoffizielle grobe und vorläufige Berechnung von Beamten der europäischen Kommission und des Rates. Offiziell bestätigt wurden die Zahlen nie. Es handelt sich um Pensionsverpflichtungen, offene Rechnungen, zugesagte Beiträge für Förderprogramme und die Haftung für gemeinsame Schulden. Die Berechnung der offenen Beträge ist schwierig und genauere Zahlen werden sich erst im weiteren Verhandlungsablauf ergeben. Das Vereinigte Königreich ist trotz eines Austritts zu vielen Zahlungen weiter verpflichtet, da ein Finanzierungsabkommen zwischen allen Mitgliedstaaten und der europäischen Kommission besteht, dem auch das Vereinigte Königreich beigetreten war. Es wird (bzw. wurde) auf sieben Jahre geschlossen und finanziert die so genannten Strukturfonds. Von diesen profitieren die strukturschwachen Regionen Europas (auch im Vereinigten Königreich), denn aus ihnen fließt Geld beispielsweise für den Straßenbau oder die Förderung von Arbeitslosen. Grade hinsichtlich der "Schlussrechnung" gibt es viele unterschiedliche Rechtspositionen, am Ende muss aber ein politischer Kompromiss her.
Es ist abzuwarten, wie sich die weiteren Verhandlungen ergeben.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus-Peter Flosbach MdB