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Klaus-Peter Flosbach
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Frage von K.U. M. •

Frage an Klaus-Peter Flosbach von K.U. M. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Flosbach,

wie stehen Sie zu Ceta und TTIP und vor allem, wie stehen Sie zu der Art und Weise, dass ein einzelner EU-Kommissar solche Abkommen hinter verschlossenen Türen ohne parlamentarische Kontrolle aushandeln kann?

Insbesondere interessiert es mich, wie Sie zu dem Investorenschutz als Privat-Justiz stehen, der anscheinend die Grundlagen unseres Rechtssystems (unabhängige Justiz als dritte Gewalt) aushebeln wird.

Es fehlen mir bisher öffentlich von Mandatsträgern oder Regierungsmitglieder vorgetragene Argumente für eine solche Privat-Justiz zum Nutzen aller Bürger.

Es wurde uns Bürgern immer wieder gesagt, man können nicht über Abkommen reden, die es noch nicht gäbe. Nun gibt es Ceta, und Herr Gabriel sagte im Bundestag, er sehe keine Chance, den Investorenschutz "jetzt noch" aus dem Vertrag zu streichen. Also: Man wartet einen Vertrag ab, der dann nicht mehr veränderbar ist.

Wie stehen Sie zu solch einer an Salamitaktik erinnernden Vorgehensweise?

Mit freundlichem Gruß
K.U.Müller

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Müller,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 29.11.2014 zu den Freihandelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) und TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership).

Erlauben Sie mir, zunächst nochmals ganz grundsätzlich und in aller Kürze auf die Bedeutung des Freihandels für Deutschland und für unser Sozial- und Wirtschaftssystem einzugehen. Deutschland als größte Volkswirtschaft in der EU und drittgrößter Exporteur weltweit profitiert in besonders hohem Maße von international frei handelbaren Gütern und Dienstleistungen sowie von grenzüberschreitenden Investitionen. Der Anteil der Exporte am deutschen Bruttoinlandsprodukt („Exportquote“) liegt bei rund 51 Prozent. Die deutschen Ausfuhren an Waren und Dienstleistungen betrugen rund 1,4 Billionen Euro im Jahr 2013. Freihandel ist zudem für die Wertschöpfungsketten innerhalb Europas von hoher Bedeutung. Zwei Drittel der europäischen Importe sind Rohstoffe, Zwischenprodukte oder Komponenten für Hersteller in der EU. Ohne offene Märkte, durch Beschränkungen der Importe oder durch eine Verteuerung von Einfuhren würde somit die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und deutschen Unternehmen verschlechtert und Arbeitsplätze gefährdet.

All diese Zahlen belegen, dass der freie weltweite Handel mit Waren und Dienstleistungen für Europa nicht nur wünschenswert ist. Er ist vielmehr Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Prosperität und damit für den Erhalt von Lebensqualität, hohen sozialen Standards und kultureller Vielfalt in der EU und in Deutschland. Deutschland und die EU haben somit ein hohes Interesse an dem Abschluss von Freihandelsabkommen wie CETA und TTIP. Diese Gesamteinschätzung müssen wir im Auge behalten, wenn wir über einzelne Aspekte der Abkommen wie zum Beispiel den Investitionsschutz reden. Zu berücksichtigen ist überdies, dass die Abkommen uns die – vielleicht letztmalige – Möglichkeit bieten, unsere hohen sozialen, umwelt- und verbrauchpolitischen Standards auch im 21. Jahrhundert weltweit zu verbreiten. Denn wenn es uns nicht gelingt, diese globalen Standards der Zukunft mit unseren amerikanischen Partnern zu setzen, werden sie von anderen aufstrebenden Mächten wie zum Beispiel China und Indien gesetzt.

Konkret zu dem von Ihnen angesprochenen Thema Investitionsschutz erlauben Sie mir folgende Anmerkungen:

Die Verhandlungen zu den Investitionsschutzbestimmungen in TTIP sind derzeit ausgesetzt. Es liegen keine Texte vor, die eine inhaltliche Bewertung erlauben. Die EU-Kommission hat allerdings Ende März 2014 öffentliche Konsultationen zum Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren in TTIP eingeleitet, die es Bürgern, Unternehmen und interessierten Gruppen ermöglichen, ihre Positionen in den Verhandlungsprozess einzubringen. Erst auf dieser Basis wird die EU ihre Verhandlungsposition zum Thema festlegen.

Diese Vorgehensweise der Kommission ist zu begrüßen. Es ist unsere Position, dass Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, nicht unterwandert werden dürfen. Nur Investitionen, die im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen des Gaststaats stehen, sind durch Investitionsschutzverträge geschützt. Nicht diskriminierende Vorschriften zum Umwelt- und Verbraucherschutz können auch kein Klagerecht von Unternehmen begründen.

Das Freihandelsabkommen mit Kanada CETA enthält Regelungen zum Investitionsschutz und zum Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren. Auch hier gilt, dass Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, nicht unterwandert werden dürfen. CETA setzt dies nach jetzigem Prüfungsstand um, indem es nur solchen Investitionen Schutz einräumt, die unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Anlagelandes getätigt wurden, in Deutschland also im Einklang mit deutschen Recht und EU-Recht stehen. Außerdem enthält CETA eine Regelung, wonach nicht-diskriminierende staatliche Maßnahmen im öffentlichen Interesse, wie beispielsweise im Bereich des Umwelt- und Gesundheitsschutzes, keine entschädigungspflichtige indirekte Enteignung darstellen. Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn die betreffenden Maßnahmen manifest unverhältnismäßig sind. Dann wären sie aber bereits nach deutschem Verfassungsrecht rechtswidrig, so dass CETA insoweit keine zusätzlichen Ansprüche für Investoren schafft. Ein aktuelles Rechtsgutachten des Max-Planck-Instituts für das Bundeswirtschaftsministerium bestätigt, dass der durch CETA gewährte Schutz ausländischer Investoren deutlich hinter dem Investitionsschutz des Grundgesetzes zurück bleibt. Mit anderen Worten: Das deutsche Verfassungsrecht bietet für ausländische Investoren bereits heute einen wesentlich stärkeren Schutz gegen staatliche Maßnahmen als CETA. Der im Grundgesetz verankerte gesetzgeberische Spielraum zum Schutz öffentlicher Interessen (z.B. nationale Sicherheit, Umwelt, Gesundheit etc.) wird durch CETA nicht tangiert.

Eine Klage wie die von Vattenfall wäre demnach nach CETA nicht möglich. Im Übrigen zeigt gerade die Causa Vattenfall (deren Erfolgsaussichten im Übrigen völlig offen sind), dass es bereits heute für Unternehmen möglich ist, einen Staat zu verklagen, denn die Klage läuft auf der Grundlage eines vorhandenen Investitionsschutzabkommens, der Energiecharta. Dieses Beispiel zeigt aber auch, dass klarere Regeln zum Schutz von Investitionen im Rahmen von CETA und TTIP gerade hilfreich und notwendig sein können, um neue und bessere Standards für Schiedsverfahren zu definieren.

Deutschland hat Investitionsschutzregeln vor rund 50 Jahren erfunden und hat bereits mit rund 130 Staaten sogenannte Investitionsförderungs- und -schutzverträge abgeschlossen, darunter auch mit anderen EU-Mitgliedern. Bisher hat es auf dieser Basis nur drei Klagen gegen Deutschland gegeben. Keine dieser Klagen war bisher erfolgreich. Investitionsschutz ist nicht grundsätzlich negativ, denn er garantiert den Unternehmen, dass ihre Investitionen im Ausland gerecht und gleichberechtigt mit den Investitionen der nationalen Unternehmen behandelt werden. Er schafft Rechtssicherheit und Berechenbarkeit für Unternehmen. Investitionsschutzabkommen garantieren, dass Länder weltweit für ausländische Direktinvestitionen attraktiv sind. Denn eine der größten Gefahren für Investoren in einem fremden Land besteht in indirekten Enteignungen (z.B. Nicht-Anerkennung von Patenten, Verbote von Finanztransfers ins Heimatland, intransparente Vergabeverfahren). Dies heißt nicht, dass die geltenden Investitionsschutzverfahren nicht verbesserungswürdig sind. Insbesondere dürfen, dies darf ich nochmals ausdrücklich betonen, Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, nicht unterwandert werden.

Zu Ihrer Information schicke ich Ihnen als Anlage eine Ausarbeitung des Bundeswirtschaftsministeriums zu den CETA-Verhandlungen. Darin wird der aktuelle Sachstand und das weitere Vorgehen erläutert.

Für einen weiteren konstruktiven Austausch stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung und verbleibe

Mit freundlichen Grüßen

Klaus-Peter Flosbach MdB