Frage an Klaus Mindrup von Denise N. bezüglich Energie
Hallo,
Wie werden Sie in Sachen „Kohleausstiegsgesetz“ in dieser Woche im Bundestag abstimmen? Es gibt berechtigte Kritik an dem Gesetzentwurf u.a. von den Scientists For Future: https://www.scientists4future.org/defizite-kohleausstiegsgesetz-kvbg-e/
Bitte lassen Sie sich nicht von der Bundesregierung und/oder ihrer Fraktionsspitze dazu hinreißen, trotz der berechtigten Kritik und den zu hohen Zahlungen an die fossile Industrie für dieses Gesetz zu stimmen. Unsere Kinder und die zukünftigen Generationen würden ihnen dankbar sein.
Mit freundlichen Grüßen
Denise Ney
Ur-Berlinerin
Sehr geehrte Frau Ney,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage zum Kohleaustiegsgesetz.
Bitte entschuldigen Sie die etwas verspätete Antwort!
Sie beziehen sich darin auf eine Stellungnahme von SfF vom 26. Juni 2020. Dort ist davon die Rede, dass „die Bundesregierung plant, das Gesetz zum Kohleausstieg noch vor der Sommerpause zu verabschieden.“ Schon dieser Satz ist der erste sachliche Fehler in der Stellungnahme, dem noch weitere folgen. Gesetze werden in Deutschland vom Bundestag beschlossen und anschließend dem Bundesrat zugeleitet. Bundestag und Bundesrat haben das Kohleausstiegsgesetz am Freitag, den 03. Juli 2020 gebilligt. Das Kohleausstiegsgesetz und das Strukturstärkungsgesetz hängen eng zusammen und wurden daher auch im zuständigen Fachausschuss für Wirtschaft und Energie am 1.Juli gemeinsam behandelt. Die Beschlussempfehlung dieses Ausschusses umfasst 246 Seiten – 5 Tage nach der zitierten Stellungnahme von Scientists for Future.
Die Beschluss-Empfehlung finden Sie unter folgendem Link:
https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/207/1920714.pdf
Im Folgenden möchte ich auf die inhaltlichen Kritikpunkte eingehen.
In dem Papier von SfF wird ein Budgetansatz für C02-Emissionen vertreten. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat sich sehr ausführlich mit der Frage eines Budgetansatzes befasst.
https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/01_Umweltgutachten/2016_2020/2020_Umweltgutachten_Kap_02_Pariser_Klimaziele.pdf?__blob=publicationFile&v=21
Bisher ist der Budgetansatz in Deutschland kein politischer Konsens. Er ist auch völkerrechtlich nicht verankert. Naturwissenschaftlich macht er Sinn, aber zunächst nur auf der EU-Ebene. Deutschland ist Teil der EU und damit eines einheitlichen Wirtschaftsraumes. Die EU ist wie die Bundesrepublik Vertragsstaat des Pariser Abkommens. Daher regelt die EU die Emissionsbegrenzungen für Kraftwerke, Industrie und den Flugverkehr im europäischen Emissionshandel europaweit, für die anderen Sektoren den Ländern strikte Ziele vorgibt und daher auch Vertragsstaat von Paris ist.
Deswegen ist bei der UN für Deutschland auch das europäische Ziel hinterlegt:
https://www4.unfccc.int/sites/ndcstaging/PublishedDocuments/Germany%20First/LV-03-06-EU%20INDC.pdf
Gemeinsam mit Ernst Ulrich von Weizsäcker und Polina Gordienko habe ich zu diesem Thema folgenden Artikel verfasst:
https://www.klimareporter.de/gesellschaft/drei-generationen-fuer-klimagerechtigkeit
Wir zeigen dort einen Weg auf, wie man die Verschärfung der europäischen Klimaziele mit der Verhinderung des Baus von Kohlekraftwerken verbinden kann.
Ich habe auch deswegen dem Kohleausstiegsgesetz zugestimmt, weil damit ein weltweit klares Signal verbunden ist, Deutschland steigt aus der Nutzung der Kohle und der Atomenergie aus und dies in einem breiten politischen Konsens – anders als bei dem ersten – rot-grünen – Atomausstieg, der später von der CDU/CSU/FDP Koalition aufgehoben wurde, bis die Atomkatastrophe von Fukushima dieser atomfreundlichen Politik ein Ende gesetzt hat.
Die EU-Kommission hat im Zuge des Green Deal angekündigt, das Emissionsminderungsziel über alle Sektoren für die gesamte EU auf 50 bis 55% gegenüber 1990 zu erhöhen. Die SPD und auch ich persönlich unterstützen das ehrgeizigere Ziel von 55%.
Es ist noch offen, wie die Verschärfung der EU-Klimaziele auf die unterschiedlichen Sektoren aufgeteilt wird. Eines ist aber klar, die Kosten für die Emissionen von C02 werden weiter steigen und damit werden Kohlekraftwerke gegenüber Erneuerbaren Energien und Erdgaskraftwerken unwirtschaftlicher werden. Vor meiner Zustimmung zum Kohleausstiegsgesetz habe ich geprüft, ob es sich negativ auf diesen Mechanismus auswirkt. Das ist nicht der Fall. Im Entwurf der Verträge mit den Betreibern der Braunkohlekraftwerke wird darauf ausdrücklich hingewiesen, d.h. die Betreiber wissen, dass die zulässigen Emissionsmengen in der EU sinken und damit die C02 Kosten deutlich steigen werden.
Vieles spricht dafür, dass diese EU-Regelung verbunden mit den erheblichen Kostensenkungen für die Erneuerbaren Energien, für Speicher und Wandler (Wasserstoff) eine deutlich schnellere Absenkung der Emissionen aus Kohlekraftwerken zur Folge haben wird.
Entgegen anders lautender Berichte gibt es in der gesamten Kohleausstiegsgesetzgebung keine Garantie für die Verstromung von Kohle – dies wäre auch EU wettbewerbsrechtswidrig. Deswegen ist in dem Gesetz auch durchgängig von Leistung und nicht von Arbeit (Stromerzeugung) die Rede.
Es ist unter Wissenschaftlern unstrittig, dass ein schnellerer Kohleausstieg als in den Jahren 2035 oder 2038 möglich ist. Allerdings hat die Strukturwandelkommission die Enddaten 2035 und 2038 im weitgehenden Konsens vorgeschlagen. Wir haben beim Atomausstieg gesehen, dass ein breiter gesellschaftlicher Konsens sinnvoll ist. Dies war auch ein Grund für mich, dem Gesetz zuzustimmen.
Das 65% Ziel für Strom aus Erneuerbaren Energien bis 2030 wurde zusammen mit dem Kohleausstieg erstmals im Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) verankert. Die Details werden nach der Sommerpause in einer Reform des Erneuerbaren Energien Gesetzes geregelt. Entschädigungsansprüche der Kohlekraftwerksbetreiber durch den schnellen Ausbau Erneuerbarer Energien sind ausgeschlossen.
Die Kohlekommission hat empfohlen, sich mit den Betreibern der Braunkohlekraftwerke auf eine einvernehmliche Lösung zu einigen. Ohne diese Einigung ist es sicher, dass die internationalen Eigentümer von Kohlekraftwerken vor das private Schiedsgericht der Energiecharta gezogen wären und die deutschen Eigentümer vor deutsche Gerichte. Jahrelange Rechtsstreite wären die Folgen gewesen. Dies war auch der Hauptgrund für mich, dieser Lösung zuzustimmen. Ich gehöre zu den wenigen Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die regelmäßig in die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages gehen, um sich über den Prozessverlauf des Verfahrens Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem internationalen Schiedsgericht zu informieren. Vor diesem Hintergrund kann ich nur betonen, dass der Ausschluss eines solchen Verfahrens im Vertragsentwurf mit den Betreibern der Braunkohlekraftwerke von der Bundesrepublik zu Recht gefordert wurde.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/investor-staat-schiedsgerichte-wie-internationale.976.de.html?dram:article_id=478628
Entgegen anderslautender Berichterstattung wurden die Verträge auch noch nicht vom Deutschen Bundestag gebilligt. Mehr dazu:
https://www.spiegel.de/wirtschaft/kohleausstieg-spd-will-entschaedigungen-fuer-braunkohlekonzerne-pruefen-a-02751303-4173-4e1c-a55b-22946666c1c2
Wie von der Kommission empfohlen, werden die Steinkohlekraftwerke zur Stilllegung ausgeschrieben. Je früher die Kraftwerke stillgelegt werden, desto mehr Geld steht zur Verfügung. Dies ist ein klarer Anreiz für schnelle Stilllegungen.
Mir liegt vor allem die Umstellung der Wärmnetze am Herzen – nur so kann bezahlbares und klimafreundliches Wohnen in Einklang gebracht werden. Dazu gibt es ein gemeinsames Papier verschiedener Verbände, an dem ich auch im Hintergrund mitgewirkt habe:
https://www.vku.de/presse/pressemitteilungen/archiv-2020-pressemitteilungen/gemeinsame-pressemitteilung-wir-brauchen-neuen-schwung-fuer-die-waermewende/
Aus den genannten Gründen habe ich für das Kohleausstiegsgesetz und das Strukturwandelgesetz gestimmt. Beide gehören zusammen. Wie ich in meiner Kurzintervention im Deutschen Bundestag zur Kollegin Annalena Baerbock gesagt habe, haben mich die Argumente der Grünen gegen das Kohleausstiegsgesetz nicht überzeugt.
Die Kohleverstromung hat keine Zukunft mehr in Deutschland. Geld gibt es ausschließlich für Stilllegungen von Kraftwerken und damit verbundenen Tagebauen
Das Kohleausstiegsgesetz ist ein klares Signal, und zwar für den Ausstieg und für den Umstieg. Nicht für den Erhalt.
In diesem Sinne möchte ich Sie um eine Unterstützung für eine schnelle Transformation bitten. Sie können dies aktiv tun, indem Sie z.B. folgende Petition unterstützen, die ich gemeinsam mit Josef Göppel, dem Bundesverband für Erneuerbare Energien und dem Bündnis Bürgerenergie gestartet habe:
https://weact.campact.de/petitions/xxx-4
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Mindrup