Frage an Klaus Mindrup von Thomas G.
Sehr geehrter Herr Mindrup,
als Einwohner des Bezirkes Pankow, Prenzlauer Berg, wende ich mich an Sie als gewählter Bundestagsabgeordneter.
Teilen Sie mir bitte mit, ob Sie für oder gegen die Aufnahme von Verhandlungen über ein 3. Hilfspaket für Griechenland stimmen werden. Ich bitte Sie, mir ebenfalls mitzuteilen, ob Sie für oder gegen ein 3. EURO-Hilfspaket für Griechenland stimmen werden.
Ich gehe davon aus, eine konkrete Antwort zu erhalten und kein schwammiges Geschwurbel.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Grabinger,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Mit der Zustimmung des Deutschen Bundestags am 17. Juli 2015 über die Erteilung eines Verhandlungsmandats für ein drittes Hilfsprogramm beim Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) für Griechenland ist die erste Voraussetzung für die Aufnahme von Verhandlungen erfüllt. Als wesentliche Bedingung dafür hatten die 19 Staats- und Regierungschefs der Euro-Mitgliedsstaaten von Griechenland den Beschluss von Reformen im Steuer- und Rentensystem sowie im Justiz- und Bankenwesen gefordert, um sein Entgegenkommen mit den europäischen Verhandlungspartnern zu verdeutlichen. Das griechische Parlament hat bislang alle geforderten Reformen beschlossen, so dass die Verhandlungen über ein drittes Hilfsprogramm Ende Juli aufgenommen werden konnten.
Es besteht kein Zweifel daran, dass die Bedingungen zur Gewährung dieses Hilfsprogramms in Höhe von rund 86 Mrd. Euro harte Spar- und Reformmaßnahmen von Griechenland abverlangen. Doch dieses Hilfsprogramm stellt den Griechen erstmals dringend notwendige Maßnahmen für Investitionen in Aussicht und bietet ihnen eine Chance auf wirtschaftliches Wachstum, damit das Land die Schuldenkrise überwinden kann.
Die vorangegangenen zwei Hilfsprogramme der Europäischen Union verpflichteten Griechenland zur Umsetzung strikter Haushaltskürzungen und Steuererhöhungen. Der damit verbundene permanente und einseitige Sparzwang, der den Griechen auferlegt wurde, hat den wirtschaftlichen Abschwung des zuvor schon verschuldeten Landes indes zusätzlich befördert. Es wurde dabei klar unterschätzt, wie stark sich Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen auf die Wirtschaftsleistung Griechenlands auswirken. Zudem hat der eingeschlagene Weg zu einer Verschärfung der sozialen Situation insbesondere zulasten der Menschen mit niedrigen Einkommen geführt. Die Folgen sind unter anderem: Lohnsenkungen um fast 40%, durchschnittliche Rentensenkungen um 48%, drastische Einkommensverluste der ärmsten Haushalte, eine Steigerung der Arbeitslosigkeit auf 27%, bei Jugendlichen auf über 50%.
Jetzt besteht die Chance in Zusammenarbeit mit der griechischen Regierung in Griechenland einen Reformprozess einzuleiten, indem einerseits Initiativen für Wachstum und Beschäftigung ermöglicht werden und andererseits die Griechen ihr Verwaltungssystem reformieren und funktionsfähige staatliche Strukturen im Kampf gegen Korruption, Steuerhinterziehung und Klientelismus etablieren.
Auf diesem Weg müssen wir Europäer die Griechen aus meiner Sicht unterstützen. Denn man sollte nicht vergessen auf welchen Werten Europa fußt, nämlich Freiheit, Solidarität und Mitmenschlichkeit. Diese Werte sollten umso mehr in Krisenzeiten gelten, andernfalls droht die europäische Gemeinschaft auseinanderzubrechen.
Allerdings ist Solidarität hier nicht als Einbahnstraße zu begreifen. Es sollte nicht vergessen werden, dass von allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, gerade Deutschland am meisten durch die Europäische Union und den Euro profitiert hat. Dies ist erstens der Fall, weil der Euro-Kurs niedriger ist als er es unter den Bedingungen der D-Mark-Zeit wäre. Folglich sind unsere Exporte billiger und besitzen dadurch einen Wettbewerbsvorteil innerhalb und außerhalb der Eurozone. Zweitens beruht der derzeitige Haushaltsausgleich im Bundeshaushalt, der es uns derzeit ermöglicht zusätzliche Investitionen zu tätigen, darauf dass wir extrem niedrige Zinsen auf alle unsere Staatsschulden zahlen müssen. Das sind über 10-12 Mrd. Euro pro Jahr, die wir einsparen. Inwiefern Deutschland von der Eurokrise profitiert hat, ist in dem hier verlinkten Spiegelartikel nachzulesen: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/deutschland-hat-100-milliarden-euro-durch-minizinsen-gespart-a-1047483.html
Die Diskussion um einen Grexit als Alternative zu einem weiteren Hilfsprogramm halte ich nicht nur für unwürdig gegenüber dem griechischen Volk, sondern auch für fatal im Hinblick auf die Folgen für Griechenland, Deutschland und Europa. In Griechenland würde das Bankensystem zusammenbrechen, eine medizinische Versorgung wäre nicht mehr gewährleistet, noch mehr Arbeitsplätz würden vernichtet, die Armut in Griechenland würde weiter ansteigen und schließlich müsste das Land humanitäre Hilfe aus EU-Mitteln erhalten. Für Deutschland wäre ein Grexit die teuerste Variante, denn in diesem Fall würden die gewährten Kredite sofort fällig werden. Weitaus schlimmer als für Deutschland wären die Folgen allerdings für Europa. Es käme zu einem Auseinanderbrechen der europäischen Gemeinschaft. Gerade im Hinblick auf die Bewältigung von Krisen (Ukraine) und den Herausforderungen unsere Zeit (Klimawandel, Flüchtlinge) bedarf es des Zusammenhalts und des gemeinsamen Handelns der europäischen Mitgliedsstaaten.
In dieser Abstimmung ging es somit nicht allein um Griechenland, sondern auch darum eine Spaltung Europas zu verhindern. Denn die Einheit Europas, die in den letzten 60 Jahren aufgebaut worden ist, bildet die Grundlage für den andauernden Frieden und den gewachsenen Wohlstand in der Region. Insbesondere Deutschland hat von der Einheit Europas wirtschaftlich, sozial, kulturell und politisch profitiert. Aus diesen Gründen habe ich am 17. Juli 2015 der Aufnahme von Verhandlungen zu einem neuen Hilfsprogramm für Griechenland zugestimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Mindrup, MdB