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Klaus Mindrup
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Frage von Andreas S. •

Frage an Klaus Mindrup von Andreas S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Mindrup,
zuerst mal meinen Glückwunsch zu dieser tollen Idee. Schade, dass ich nur rein zufällig darüber im Internet gestolpert bin. Warum wird man denn nicht auf darüber im Berliner Wahlkampf informiert, dass es dieses Angebot gibt?
Zu meiner Frage: Die Tage der PDS in Landesregierungsverantwortung sind ja hoffentlich bald, was sind Ihre Ideen, Berlin auch wieder als Wirtschaftsstandort attraktiver zu machen, damit Arbeitsplätze sowie Steuerzahler "anzulocken" und die Abhängigkeit von Sozialleistungen in Berlin (z.Zt. ca. 40%) deutlich zu reduzieren.

Mit herzlichem Gruß
Andreas Schwartz

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Schwarz,

herzlichen Dank für Ihre Frage. Aufgrund des sehr wichtigen und komplexen Themas, das sie ansprechen, möchte ich Ihre Frage ausführlich beantworten.

Ich trage seit einigen Jahren kommunalpolitische Verantwortung als Fraktionsvorsitzender der SPD im Bezirk und möchte Ihnen daher an Beispielen verdeutlichen, was hier im Bezirk -oft gemeinsam mit dem Senat - getan wurde, um den Wirtschaftsstandort attraktiver zu machen.

Beispiel 1: Sicherung von Industriearbeitsplätzen

Größter Industriestandort im Bezirk ist das ehemalige Bergmann-Borsig-Werk in Wilhelmsruh mit ABB, Alstom und Stadler. Das Problem des Standortes war seit 1990 die fehlende Anbindung an das Straßennetz nach Westen. Mit einem riesigen Aufwand mussten Schwertransporte durch Wohngebiete im Osten organisiert werden. In diesem Jahr wurde eine neue Straßenanbindung nach Westen fertiggestellt. Das Problem wurde über Jahre nicht gelöst, weil der Bezirk Reinickendorf nicht die Arbeitsplätze sondern die Störung benachbarter Wohnquartiere im Blick hatte. Die Entscheidung zum Bau der Straße haben dann der Senat und der Bezirk Pankow allein gegen den Bezirk Reinickendorf getroffen. Wenn wir als Pankower uns hier nicht durchgesetzt hätten, wäre der ABB-Standort wahrscheinlich nicht auf Dauer zu halten gewesen, denn kein Unternehmen kann einen derartigen Standortnachteil dauerhaft ausgleichen.

Beispiel 2: Entwicklung des Medizin- und Biotechnologiestandortes Buch

Der Ortsteil Buch hat eine herausragende Bedeutung als Medizin- und Biotechnologiestandort. Um dieses Potential weiter zu verbessern, hat der Bezirk bei der Bundesregierung Fördermittel für ein sog. "Regionalmanagement" beantragt und erhalten, um die Kooperation der Akteure vor Ort zu verbessern. Dies war ein erster Schritt zur Verbesserung der Zusammenarbeit. Der Bezirk wird in den nächsten Jahren verstärkt mit Fördermitteln in den öffentlichen Raum in Buch investieren, um die Gesamtattraktivität des Standortes zu steigern. Der Senat wird dafür neben eigenen Mitteln EU-Mittel und Bundesmittel zur Verfügung stellen. Wie beim Beispiel ABB geht es um die Steigerung der Attraktivität und damit um die Konkurrenzfähigkeit eines Standortes, der im weltweiten Wettbewerb um Ansiedlungen steht.

Beispiel 3: Prenzlauer Berg

Der Prenzlauer Berg hat sich in den letzten Jahren weiter zu einem attraktiven Wohn-und Arbeitsort entwickelt. In einer Zeit in der die klassischen Grenzen zwischen Wohnen, Arbeiten und Freizeit immer mehr verschwimmen, haben vor allem die Kieze im Süden des Prenzlauer Berges eine hohe Anziehungskraft für Selbständige entfaltet.

Das Potential zur wirtschaftlichen Entwicklung in Prenzlauer Berg liegt u.a. im Tourismus. Tourismus schafft direkt Arbeitsplätze im Beherbergungswesen und stabilisiert bzw. fördert Arbeitsplätze im Handel und der Gastronomie.

Wir hatten als Bezirk über die Nachnutzung der Schule in der Kastanienallee in Prenzlauer Berg zu entscheiden. Wir haben uns für die GLS Sprachenschule entschieden, weil sie erstens Arbeitsplätze vor Ort schafft und weil sie zweitens Menschen aus der ganzen Welt nach Prenzlauer Berg holt, die hier ihr Geld ausgeben und damit Arbeitsplätze bei uns sichern und die sicher später auch häufiger als Gäste zurückkommen bzw. Botschafter für Prenzlauer Berg sind. An dieser Entscheidung war ich maßgeblich beteiligt.

Der Bezirk hat weiterhin ein Tourismuskonzept zusammen mit Wirtschaftsvereinen im Bezirk erstellen lassen, gemeinsam wird das TIC Tourismus-Informations-Center in der Kulturbrauerei betrieben.

Es ist mir klar, dass mit der Förderung des Tourismus auch Probleme verbunden sind, weil der Prenzlauer Berg in erster Linie ein Wohnstandort ist, d.h. man muss sehr genau darauf achten, dass der Nachbarschaftsschutz nicht vernachlässigt wird.

Große Gewerbeflächen haben wir in Prenzlauer Berg nicht. Daher sind die ehemaligen Brauereistandorte für die wirtschaftliche Entwicklung sehr wichtig. Wir haben als Kommunalpolitik in breitem Konsens vor 6 Jahren verhindert, dass der Gewerbehof in der Schwedter Straße in ein Loftwohnhaus umgewandelt wird. Dies hätte den Verlust aller gewerblichen Arbeitsplätze dort zur Folge gehabt. Inzwischen haben die Mieter dort das Objekt gekauft und sanieren es. Ähnlich erfolgreich ist die Entwicklung des Gewerbehofes in der Saarbrücker Straße, den die ansässige Gewerbemieter-Genossenschaft mit meiner politischen Unterstützung erworben hat.

Im Bezirk wurde in diesem Jahr eine zentrale Anlauf- und Beratungsstelle für Gewerbetreibende eingerichtet und schon über Jahre in Zusammenarbeit mit freien Trägern ein gutes Beratungsangebot für Existenzgründer geschaffen. Ziel ist es, den Service für Gewerbetreibende und für Gründer zu verbessern.

Die von mir geschilderten Entscheidungen wurden im Bezirk überwiegend von einem breiten politischen Konsens getragen.

Ich möchte die auf der bezirklichen Ebene gemachten Erfahrungen in das Berliner Abgeordnetenhaus einbringen. Daher möchte ich Ihnen abschließend einige Ideen und Schlußfolgerungen aus meiner bisherigen Arbeit nennen:

1. Ich halte es für falsch auf "den großen Investor" von außen zu warten. Berlin sollte in erster Linie die eigenen Potentiale nutzen. Deswegen finde ich die Existenzgründungsförderung und Beratung sehr wichtig. Dabei sollte man sich nicht nur auf "High-Tech-Bereiche" konzentrieren. Wenn Investoren von außen kommen, ist dies auch gut, aber dies ist eher selten der Fall.

2. Ich orientiere mich in der Beurteilung von Investitionsvorhaben am Begriff der "Wertschöpfung". I.d.R. führen beispielsweise neue Flächen für den Einzelhandel zu keiner Erhöhung der Kaufkraft und haben damit regionalwirtschaftlich keinen positiven Effekten. Dienstleistungen und Produkte, die hier produziert und dann "exportiert" werden, erhöhen dagegen ebenso die regionale Wertschöpfung wie der Tourismus, der Geld "von außen" in die Stadt bringt. Damit ist klar, welche Vorhaben man politisch fördern sollte.

3. Oftmals fallen Standortentscheidungen in den Bezirken. Die Bezirke haben aber keinen Anreiz wirtschaftsfördernd tätig zu werden, weil sich dies nicht auf ihre Budget auswirkt. Ich werde mich dafür einsetzen, dass hier Anreize geschaffen werden.

4. Ein Standortvorteil von Berlin sind die im Vergleich zu anderen Hauptstädten und zu vielen Regionen Westdeutschlands niedrigen Mieten.

5. Ein weiterer Standortvorteil von Berlin (insbesondere auch dem Prenzlauer Berg) ist die im Vergleich zu Westdeutschland gute Versorgung mit Kitas und Schulen.

6. Da wir in Berlin über keine natürlichen Rohstoffe verfügen, ist selbstverständlich das Thema "Bildung" ganz eng mit der wirtschaftlichen Entwicklung unserer Stadt verbunden.

7. Das Thema "Energie" wird aufgrund der Preisentwicklung und der ökologischen Situation in Zukunft immer wichtiger werden. Wer heute in Energieeinsparung, rationelle Energieverwendung und erneuerbare Energien investiert, ist konkurrenzfähiger. In der Wohnungsbaugenossenschaft Bremer Höhe, deren Aufsichtsrat ich angehöre laufen z.B. mehrere Blockheizkraftwerke. Diese führen zu niedrigeren Mietnebenkosten und zu einer Umweltentlastung sowie zu mehr Beschäftigung vor Ort. Letztlich ist das Thema Energie auch ein Bespiel dafür, dass es sinnvoll ist, regionale Wirtschaftskreisläufe zu stärken und damit auch Abhängigkeiten zu reduzieren.

8. Grundsätzlich darf man meines Erachtens den Einfluss von Politik auf die Entscheidungen der Unternehmen auch nicht überschätzen. Wirtschaftliche Dynamik kann man nicht politisch "verordnen", man kann sie aber politisch blockieren. Mich besorgt vor diesem Hintergrund das Ausspielen der "City Ost" gegen die "City West", wie es zuletzt die grüne Spitzenkandidatin Eichstätt-Bohling in der Berliner Zeitung vom 23.08. getan hat: "Sie mache sich Sorgen, dass die Ost-City mit Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Mitte immer attraktiver und hochwertiger werde, der Westteil dagegen an Wert verliere." Warum freut sich nicht, über die positiven Entwicklungen, davon profitiert doch die ganze Stadt - auch der Westen!

Ich hoffe Ihnen mit diesen Antworten gedient zu haben und stehe für Nachfragen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Mindrup