Klaus Lederer
Klaus Lederer
parteilos
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Frage von Michael S. •

Frage an Klaus Lederer von Michael S. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Dr. Lederer,

Welche Beratungsmöglichkeiten und Zufluchtswohnungen gibt es in Berlin für gewaltbetroffene Männer? Halten Sie es für sinnvoll, nachdem es ein breites Angebot zur Beratung von Frauen gibt, auch ein entsprechendes Angebot für Männer einzurichten? Kann man das nach dem Antidiskriminierungsgesetz erwarten?

Welche Bemühungen gibt es Ihrerseits in allen Betreuungs- und Bildungseinrichtungen den Anteil der männlichen Erzieher in Kindertagesstätten, Betreuer in Jugendeinrichtungen, Grundschullehrer, etc., durch konkrete Fördermaßnahmen oder verpflichtende Einstellungsvorgaben zu erhöhen?

Mit freundlichen Grüßen
Michael Stiefel

Klaus Lederer
Antwort von
parteilos

Sehr geehrter Herr Stiefel,

vielen Dank für Ihre Frage, die Sie ja auch meinem Kollegen Marian Krüger gestellt haben. Wir haben uns erlaubt, uns über die Antwort auszutauschen. So hilft Kandidatenwatch auch, dass wir mehr Details dazulernen!

Die Linkspartei.PDS setzt sich ausdrücklich für Geschlechtergerechtigkeit ein und hat in der vergangenen Legislaturperiode maßgeblich dazu beigetragen, Gender Mainstreaming in Politik und Verwaltung zu verankern. Das bedeutet nicht, dass Frauenpolitik als eigenständiges Handlungsfeld mit entsprechenden materiellen, finanziellen und personellen Ressourcen
vernachlässigt wurde.

Damit tragen wir dem Umstand Rechnung, dass Frauen in unserer Gesellschaft vielfach benachteiligt sind. Die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen im privaten und im Berufsleben, die Vergütung und Anrechnung von Anwartschaften auf Sozialleistungen und Renten sowie ihre Beteiligung an Macht und ihre Repräsentanz in Führungspositionen sind solche Felder. Gleiches gilt auch für die Notwendigkeit, Frauen vor Gewalt und Diskriminierung zu schützen und ihnen Perspektiven für ein selbstbestimmtes Leben zu bieten.

Nun gibt es ebenfalls Fälle, in denen Männer in ihrer Würde verletzt werden oder und ihr Selbstbestimmungsrecht eingeschränkt wird. Das Gewaltschutzgesetz und Vorschriften für polizeiliches Eingreifen bei häuslicher Gewalt tragen dem Rechnung. Sie gelten für Frauen und Männer gleichermaßen.

Es gibt in Berlin ein breites Beratungs- und Hilfeangebot für Opfer von häuslicher Gewalt. Die Frauenhäuser, Zufluchtswohnungen und die Mehrzahl der Beratungsstellen arbeiten ausschließlich für Frauen. Gewalt im häuslichen Bereich geht in der großen Zahl der Fälle von Männern aus. Aber es gibt natürlich auch Männer, die psychischer und physischer Gewalt von ihren Partnerinnen oder Müttern ausgesetzt sind.

Wenn sich von Gewalt betroffene Männer über die bekannte BIG-Hotline gegen häusliche Gewalt zu erkennen geben oder ein solcher Fall polizeilich bekannt wird, werden die Betroffenen an spezielle Beratungsstellen weitervermittelt. Vertreterinnen und Vertreter der jeweiligen Beratungsprojekte haben sich in der Vergangenheit darüber ausgetauscht, wie verfahren werden kann.

Für viele Männer ist es wegen der traditionell geprägten Rolle vom starken Mann schwieriger, sich als Opfer zu erkennen zu geben. Sie brauchen spezielle Beratungsangebote wie z. B. Mannege e.V. es bietet. Auch bei Maneo e.V. finden von häuslicher Gewalt betroffene Männer Hilfe, nicht nur homosexuelle Männer, sondern ausdrücklich alle von häuslicher Gewalt betroffenen Männer. Die Polizei verweist in solchen Fällen auf die Opferhilfe sowie auf die o.g. Krisen- und Notfalldienste, die speziell Männer beraten.

Männer sind nicht im gleichen Maß wie Frauen auf anonyme Zufluchtmöglichkeiten angewiesen, um sich aus der Gewaltsituation befreien zu können. Doch auch wenn Gewalt im sozialen Nahbereich häufiger von Männern als von Frauen ausgeübt wird, ist das Tabu zu brechen und den Opfern zu helfen. Dazu ist es erforderlich, das Dunkelfeld aufzuhellen.

Im Verlauf der letzten Jahre wurden deshalb verschiedene Studien und Untersuchungen über von Gewalt betroffenen Männer, dem Ausmaß und erforderlichen Interventionsmöglichkeiten in Auftrag gegeben. In Fachtagungen haben Expertinnen und Experten in Sachen häuslicher Gewalt aus Wissenschaft, Justiz, Polizei u.a. speziell Gewalterfahrungen von Männern im
häuslichen, privaten Bereich untersucht.

So wie wir uns in der vergangenen Zeit für die Umsetzung der Gender-Mainstreaming-Strategie eingesetzt haben und dabei einen vergleichsweise guten Stand erreicht haben, werden wir uns auch für die landesseitige Umsetzung des Antidiskriminierungsgesetzes einsetzen. Wir werden für entsprechende Rahmenbedingungen kämpfen und prüfen, ob und wie die bestehenden Beratungsangebote dem Bedarf angepasst werden müssen.

Zu Ihrer zweiten Frage Folgendes: Die Linkspartei.PDS unterstützt alle Bemühungen, den gleichberechtigten Zugang von Männern und Frauen in allen Berufen zu gewährleisten. Das gilt für Frauen, die sich in der Mehrzahl für typisch Frauenberufe entscheiden und das gilt für Männer, die verstärkt in den sogenannte Pflege- und Betreuungsberufe. Allerdings halten die weniger guten Verdienstmöglichkeiten und traditionelle Rollenverständnisse viele Jungen und Männer ab, sich für sogenannte Frauenberufe zu entscheiden.

Es gibt verschiedene wissenschaftliche Studien, die untersuchen, was Männer daran hindert, "Frauenberufe" zu ergreifen und welche Veränderungen notwendig sind, um diese Berufe für Männer attraktiver zu machen. Ich verweise hier auf eine Studie, die das Bildungsnetz Berlin herausgegeben hat und die von Dissens e.V. in Kooperation mit der Katholischen Fachhochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB) erarbeitet wurde. Die Ergebnisse dieser und anderer Untersuchungen versuchen wir, in unsere politische Arbeit einzubeziehen. Vor allem geht es darum, das öffentliche Ansehen dieser Berufe zu erhöhen und durch Imagezugewinn stärker in den Blickpunkt auch von Männern zu rücken und so aktiv für diese Berufe zu werben. Wir setzen uns für geschlechtergerechte Arbeitsteilung und Vergütung ein, wir wollen dass Männer und Frauen gleichberechtigten Zugang zu allen Berufen haben und traditionell geprägte Rollenmuster aufgebrochen werden.

Die Ausbildungsinhalte in Pflege -und Erziehungsberufen sind den neuen Erfordernissen stärker anzupassen. Sie zu reformieren heißt, u.a. auch, ihre Basis zu verändern, die z.T. immer noch auf sogenannten "weiblichen Tugenden" aufbaut. In diesem Sinne erfolgte beispielsweise in Berlin die Reform der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung und die Einrichtung eines entsprechenden Modellstudienganges auf Fachhochschulniveau an der Fachhochschule "Alice-Salomon" in Marzahn-Hellersdorf. Wir werden unsere Bemühungen in dieser Hinsicht fortsetzen. Die gesetzlichen Rahmendingungen dafür sind mit dem Landesgleichstellungsgesetz und dem neuen
Antidiskriminierungsgesetz gegeben.

Mit den besten Grüßen
Klaus Lederer

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