Frage an Klaus Hagemann von Oliver P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Hagemann,
am kommenden Freitag soll im Bundestag über die mittlerweile mehr als umstrittene Vorratsdatenspeicherung abgestimmt werden. Angesichts der massiven Kritik am geplanten Gesetz seitens von Journalisten, Anwälten, Bürgerrechtlern, ehemaligen Bundesverfassungsrichtern, ehemaligen Innenministern und weiteren Politkern sowie verschiedenen Berufsverbänden und staatlich beauftragten Datenschützern bitte ich Sie um Ihre Stellungnahme zu diesem (in meinen Augen verfassungswidrigen) Gesetzesentwurf.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Petras
Sehr geehrter Herr Petras,
herzlichen Dank für Ihre Frage zum Gesetz zur Novelle der Telekommunikationsüberwachung und zur Umsetzung der europäischen Richtlinie 2006/24/EG für deren verspätete Beantwortung aufgrund der leider sehr zeitintensiven Haushaltsberatungen ich mich zunächst entschuldigen möchte. Das von Ihnen angesprochene Gesetz setzt im wesentlichen die auf europäischer Ebene beschlossene Richtlinie zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung in deutsches Recht um. Es soll gleichzeitig für grundrechtswahrende Verfahrenssicherungen bei verdeckten Ermittlungsmaßnahmen sorgen.
Wir haben dabei einerseits berücksichtigt, dass es eine der Kernaufgaben des Staates ist, für unsere Sicherheit zu sorgen. Da verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen aber oftmals in die Grundrechte des Einzelnen eingreifen, war und ist es auch völlig klar, dass ihre Anordnung nur unter strengen Voraussetzungen erfolgen darf. Deshalb gilt, dass jede eingriffsintensive verdeckte Ermittlungsmaßnahme grundsätzlich nur durch einen Richter bei Vorliegen einer schweren Straftat angeordnet werden darf. Neu ist dabei, dass Straftaten grundsätzlich nicht in Frage kommen, die im Höchstmaß mit weniger als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind. Darüber hinaus sind in dem Gesetz eine Reihe weiterer Vorgaben zum Schutz des Einzelnen vorgesehen, die sehr detailliert auf der Seite des Bundesjustizministeriums unter http://www.bmj.bund.de/enid/a93ae1dae24864dff23286a01c332c13,0/Strafverfahren/Vorratsdatenspeicherung_1f6.html beschrieben sind.
Bei der Umsetzung der EU-Richtlinie haben wir versucht, eine Balance zwischen wirksamer Kriminalitätsbekämpfung und unserer Verpflichtung für die Bürgerrechte zu finden. So ist es Deutschland gegen den Widerstand anderer Mitgliedstaaten z.B. gelungen, dass die Mindestspeicherungsdauer auf sechs Monate (statt der ursprünglich auf EU-Ebene diskutierten bis zu 36 Monate) beschränkt wurde.
Die nach den EU-Vorgaben künftig zu speichernden Daten sind im Wesentlichen die Verkehrsdaten, die von den Telekommunikationsunternehmen schon heute üblicherweise zu Abrechnungszwecken gespeichert werden. Das sind insbesondere die Rufnummern und Kennungen sowie Uhrzeit und Datum der Verbindungen. Neu hinzu kommt, dass bei der Mobilfunktelefonie auch der Standort (also die Funkzelle) bei Beginn der Mobilfunkverbindung gespeichert wird. Daten, die Aufschluss über den Inhalt der Kommunikation geben, dürfen dagegen nicht gespeichert werden. Zu den Telekommunikationsverkehrsdaten gehören daneben nun auch die Daten, die bei der Kommunikation über das Internet anfallen. Auch hier werden nur Daten über den Internetzugang und die E-Mail-Kommunikation gespeichert, nicht jedoch, welche Internetseiten besucht wurden oder welchen Inhalt eine E-Mail hatte.
Wie bisher können Polizei und Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur dann auf die Daten zugreifen, wenn dies zuvor durch einen richterlichen Beschluss erlaubt wurde. In diesem Beschluss legt der Richter genau fest, welche Daten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln muss. Für alle verdeckten Ermittlungsmaßnahmen gilt darüber hinaus eine Reihe von Verfahrensregelungen für von verdeckten Ermittlungsmaßnahmen Betroffene.
Mit freundlichem Gruß
Klaus Hagemann MdB