Frage an Klaus Hagemann von Rainer H. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Hagemann,
Ich möchte gern die Möglichkeit nutzen, Sie um Stellungnahme zum Antrag der Linken zum Mindestlohn zu bitten.
Bitte erklären Sie mir, warum die SPD (Sie inbegriffen) so geschlossen gegen einen Antrag zum Mindestlohn gestimmt hat, der doch eigentlich dem entspricht (laut abgeordnetenwatch fast im Wortlaut), was die SPD selbst gern realisieren würde.
Aufgrund der Tatsache, dass es in diesem Land viele Menschen gibt, die menschenunwürdige Stundenlöhne hinnehmen müssen, verstehe ich dieses Abstimmungsverhalten innerhalb der SPD-Fraktion nicht wirklich.
Auch wenn es der politische Gegner ist, der diesen Antrag eingebracht hat, verstehe ich nicht, warum dieser abgelehnt wird, wenn er doch dem entspricht, was man selbst vertritt und in der eigenen Partei schon abgesegnet hat.
Sie sind als Abgeordneter des Bundestages Ihrem Gewissen verantwortlich. Wie vereinbaren Sie es mit Ihrem Gewissen, dass Menschen für menschenunwürdigen Stundenlohn arbeiten müssen, und Sie die Chance hatten, dieses zu ändern. Vor allem, wenn es doch erklärtes Ziel Ihrer Partei ist dieses zu ändern.
Ich kann mir auch nicht erklären, dass laut Umfragen ca. 70 Prozent der Deutschen für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns sind und die Abgeordneten im Bundestag dieses anscheinend nicht wahrnehmen oder wahrnehmen wollen (es stellt sich mir so dar, siehe Abstimmungsergebnis). Wie erklären Sie sich dieses?
Ich erhoffe mir auf meine Fragen eine ehrliche Antwort und verbleibe mit freundlichen Grüßen.
Rainer Herrmann
Sehr geehrter Herr Herrmann,
vielen Dank für Ihre Frage zum gesetzlichen Mindestlohn. Um es von vorneherein klar zusagen: Wer Vollzeit arbeitet, muss von seiner Arbeit auch menschenwürdig leben können.
Eindeutig ist aber auch, dass es bei dem von Ihnen angesprochen Antrag der Linkspartei, der Wort für Wort von der SPD abgeschrieben war, um eine reine Politshow ging. In der Sache selbst hätten wir damit für die betroffenen Arbeitnehmer nichts erreicht. Da führt – auch angesichts der Bundesratsmehrheit - leider nur der müheselig, quälende Weg weiter, unseren Koalitionspartner Stück für Stück von einem gesetzlichen Mindestlohn zu überzeugen.
Mit der im Koalitionsauschuss am Montag vereinbarten Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes um weitere Branchen haben wir dazu jetzt einen Einstieg hin zu einer gesetzlich fixierten Lohnuntergrenze erreicht. Über das Entsendegesetz kann der Tariflohn einer Branche zur festen Lohnuntergrenze erklärt werden. Voraussetzung für die Aufnahme ins Gesetz ist eine Tarifbindung von 50 Prozent. Bis zum 31. März 2008 können die Tarifvertragsparteien der betreffenden Branchen wie zum Beispiel Bewachungsgewerbe, Postdienstleistungen, Entsorgungswirtschaft und Zeitarbeit einen entsprechenden Antrag stellen.
Für die Wirtschaftszweige, in denen es keine Tarifverträge gibt oder die Tarifbindung nur für eine Minderheit der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber besteht, werden wir das Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen aktualisieren und den heutigen Bedingungen anpassen, damit wir in Branchen wie der Fleischwirtschaft möglichst rasch soziale Arbeitsbedingungen für alle Arbeitnehmer erreichen. Beide Maßnahmen sind wichtige Schritte hin zu fairen Löhnen. Die Forderung nach gesetzlichen Mindestlöhnen bleibt für uns aber weiter auf der Tagesordnung.
Übrigens war es die SPD, die die Debatte um einen Mindestlohn in der vergangenen Legislaturperiode angestoßen hat und von dieser Forderung auch einige Gewerkschaften erst überzeugen musste! Und wir haben in diesem Zusammenhang noch mit rot-grüner Mehrheit auch dafür gesorgt, dass Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen zumindest ergänzende Hilfen vom Staat erhalten.
Was den tatsächlichen Gehalt der Forderungen der Linken betrifft, möchte ich Sie gerne auf einen Artikel im SPIEGEL vom 4. Juni 2007 unter der Überschrift „Linke – Rotes Hire und Fire“ verweisen. Zitat: „Die Linken geben sich als Vorkämpfer für Arbeitnehmerrechte. Der Umgang vieler Abgeordneter mit ihren Angestellten aber alarmiert die Gewerkschaften. Entsprechendes finden Sie auch in der Süddeutschen Zeitung vom 14. Juni 2007: „Die Linke und der Mindestlohn – Abteilung Attacke in der Defensive“. Da heißt es zu dem von Ihnen angesprochenen Antrag und der Abstimmung im Bundestag: „Die Aktion der Linkspartei war wohl doch zu schlicht gestrickt“. Arbeitnehmerrechte lassen sich eben nur mit der SPD durchsetzen.
Mit freundlichem Gruß
Ihr Klaus Hagemann MdB