Frage an Klaus Brähmig von Uwe K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Brähmig,
sind Sie für oder gegen eine Aufnahme der Türkei in die EU?
Meine Frage bezieht sich auf die Gegenwart, bzw. die nächste Zukunft.
Mit freundlichem Gruß
Uwe Kempcke
Sehr geehrter Herr Kempcke,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema EU-Beitritt der Türkei. Dazu nehme ich wie folgt
persönlich Stellung:
Grundsätzlich sollte die Europäische Union kein „geschlossener Club“ sein. Deshalb trete ich für eine offene Union ein, die auch Erweiterungen durch neue Mitgliedsstaaten ermöglicht. Allerdings kann die Aufnahme eines Landes nur dann realisiert werden, wenn der beitrittswillige Staat alle Voraussetzungen dafür erfüllt. Aus diesem Grund vertrete ich das Konzept einer privilegierten Partnerschaft mit der Türkei. Dieses Konzept wurde von unserer Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel entwickelt.
Neben der Errichtung einer umfassenden Freihandelszone muss die Stärkung der Zivilgesellschaft vorangetrieben werden und eine kontinuierliche Heranführung an die europäischen Standards in allen wichtigen Bereichen, wie Umweltschutz, Gesundheits- und Verbraucherschutz oder Arbeitsrecht entwickelt werden. Zudem muss die Türkei verstärkt in die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und in die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik einbezogen werden. Schließlich muss zur Bekämpfung von Terrorismus, Extremismus und organisiertem Verbrechen die Zusammenarbeit der Behörden und Institutionen im Innen- und Justizbereich sowie der Geheimdienste deutlich intensiviert werden.
Des Weiteren scheint mir die Frage wichtig, ob es der Türkei gelingt, ihre inneren Reformen weiter voranzutreiben. Dazu gehören insbesondere die Akzeptanz demokratischer Mehrheitsentscheidungen sowie die Zubilligung von Menschenrechten.
Als Christdemokrat möchte ich insbesondere den Aspekt der Religionsfreiheit herausgreifen, der meiner Meinung nach, momentan und auch mittelfristig gegen die Aufnahme spricht. Die christlichen Kirchen haben in der Türkei nach wie vor damit zu kämpfen, dass es zwar Glaubensfreiheit gibt; allerdings keine Religionsfreiheit. Die Wahl des Glaubens ist zwar frei, allerdings darf man sich nicht zu Glaubensgemeinschaften zusammenschließen. Die Kirchen sind darüber hinaus auch keine Körperschaften, wie wir es in der Bundesrepublik Deutschland kennen. Das führt dazu, dass die Kirchen keinerlei Rechtsstatus haben. Der Kauf und Bau von Immobilien ist ihnen nicht gestattet. Außerdem dürfen sie keine Mitarbeiter aus dem In- oder Ausland einstellen. Die Priesterseminare der griechisch-orthodoxen Christen in Chalki und der armenischen Christen in Üskudar sind seit Jahrzehnten geschlossen. Gerade diese Tatsache verhindert die Ausbildung und Förderung der türkischen Christen. Die wenig tolerante Stimmung in weiten Teilen des Landes erschwert die Arbeit der Kirchen zusätzlich, wie die Christenmorde in der Stadt Malatya im Frühjahr 2007 beweisen.
Als stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Zyprischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag ist weiterhin der Abzug der türkischen Armee aus Zypern und eine Beilegung des Zypern-Konfliktes eine klare Vorraussetzung für die Aufnahme der Türkei in die Europäische Union.
Die Frage des Türkei-Beitritts stellt sich daher für mich nicht, solange hier nicht erhebliche Fortschritte gemacht werden. Nach meiner Einschätzung wird es in den nächsten Jahren noch langwierige Verhandlungen geben. Die Europäische Union sollte bei möglichen Erweiterungsschritten sich nicht nur durch wirtschaftliche und militärstrategische Gedanken beeinflussen lassen. Mitglied kann nur derjenige werden, der sich den Prinzipien von Demokratie, uneingeschränkten Menschenrechten, Toleranz und Pluralismus verschreibt.
In der Hoffnung, Ihnen meine Position verdeutlicht zu haben, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Klaus Brähmig