Frage an Klaus Brähmig von Ulrich H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Brähmig,
ich habe eigentlich eine kurze und präzise Frage gestellt, leider aber eine lange und ausweichende Antwort erhalten.
Es geht hier nicht um eine Rentenanpassung, sondern darum, dass wir Rentner einen Rechtsanspruch auf unsere verdiente Lebensleistung haben! Das wurde durch den Einigungsvertrag so festgeschrieben und sollte bis zum 31.12.1995 umgesetzt werden, also unter einer CDU/CSU /FDP Regierung, So mein Kenntnisstand, denn auch Sie haben meine Behauptung nicht widersprochen!
Es ist ja durchaus zu verstehen, dass die "Partei der Deutschen Einheit" sich Gedanken macht, warum sie nur Platz 3( 23.6%) im Osten belegt hinter der Linken und SPD. Nur das Ostprogramm der CDU ist keine überzeugende Antwort auf all die Probleme hier im Osten!
Deshalb meine Frage anders gestellt :
Gibt das Ostprogramm der CDU eine Antwort, wann wir Rentner 100% der Rente West erhalten, notfalls auch in Schritten? Das gleiche beziehe ich auch auf die Löhne. Mein Sohn, der Straßenbahnen fährt, erhält weit weniger Lohn für die gleiche Leistung als seine Westkollegen!
Auch ich negiere in keiner Weise die Aufbauleistung, aber die "überschaubare Zeit", die Herr Kohl meinte, ist wohl schon weit überschritten! Die vielen negativen Erfahrungen mit der "Neuen Demokratie", die Diffamierung und Benachteiligung bestimmter Berufsgruppen aus der DDR etc, das alles wird auch die CDU nicht durch das Schüren von Angst mit dem Kommunismus und durch Zitate aus alten SED-Dokumenten überspielen können.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Huse
Sehr geehrter Herr Huse,
vielen Dank für Ihre erneute Fragestellung zum Thema Rentenangleichung Ost bzw.
Lohnangleichung zwischen Ost und West. Dazu möchte ich wie folgte Stellung nehmen:
In dem Beschluss des Vorstandes „Perspektiven für den Osten Deutschlands“ vom 30. Juni 2008 wird kein Zeitpunkt für die Angleichung der Renten Ost an das Westniveau festgelegt und es werden auch keine Versprechungen zu diesem Thema gemacht. Dieser Beschluss zeigt aber Wege zu mehr Wachstum und Beschäftigung auf und nur über Wachstum und Beschäftigung werden wir als verantwortliche Politiker die Themen Lohnangleichung und Rentenangleichung in den Griff bekommen. Erneut weise ich Sie auf folgende Zusammenhänge hin:
Die von Ihnen geforderte Angleichung der Renten in Ostdeutschland an die Renten in Westdeutschland wird im Grundsatz von mir und meiner Partei unterstützt. Allerdings hängt die Angleichung der Renten ganz wesentlich von der Einkommenssituation der Beschäftigten ab. Die Erhöhung der unterschiedlichen aktuellen Rentenwerte in Ost und West ist an die Einkommensentwicklung der Beschäftigten gekoppelt. Wenn die Einkommen der Beschäftigten im Osten stärker steigen als im Westen, dann steigen auch die Renten im Osten stärker als im Westen. In dem Maße, wie sich die Einkommen angleichen, gleichen sich auch die aktuellen Rentenwerte an. Dieser Prozess hat 1992 begonnen und sich unter der unionsgeführten Bundesregierung bis Ende 1998 deutlich beschleunigt (Anstieg des aktuellen Rentenwerts (Ost) von 1992 von 23,57 DM auf 40,87 DM im Jahr 1998).
Durch die Abschwächung der konjunkturellen Entwicklung vor allem in den Jahren 2001 bis 2005 hat sich der Aufholprozess zunächst stark verlangsamt und stagniert seit 2003 (Verhältnis des aktuellen Rentenwerts in den neuen Ländern zu dem Wert in den alten Bundesländern seitdem: 87,9%). Ich habe großes Verständnis für Ihre Enttäuschung über diese Entwicklung. Allerdings gibt es auch hier eine Trendwende. Das mag Ihnen angesichts Ihrer Forderung nach einer Anpassung in Höhe der Inflationsrate nicht ausreichend erscheinen. Die Höhe der Rentenanpassung richtet sich aber nach der Lohnentwicklung der Aktiven jeweils aus dem Vorjahr. Wir haben nicht vor, diesen Regelmechanismus zu verändern.
Gegen eine vorzeitige Angleichung der Ost- an die Westrenten spricht, dass dann im Gegenzug auch die Hochwertung der im Osten erzielten Arbeitsverdienste auf das Westniveau aufgegeben werden müsste. Damit würde den gegenwärtigen Beitragszahlern und künftigen Rentnern im Osten die Aussicht genommen, bei vergleichbarer Erwerbsbiographie jemals gleich hohe Renten wie im Westen zu erhalten. Der gegenwärtige Lohnabstand würde in den zukünftigen Renten im Osten verfestigt. Die gegenwärtige Rentnergeneration würde auf Kosten der künftigen Rentnergeneration besser gestellt und damit die Generationengerechtigkeit beeinträchtigt.
Zur Verdeutlichung: Im Westen musste ein Arbeitnehmer im Jahr 2006 29.304 € verdienen, um einen Entgeltpunkt in der Rentenversicherung gutgeschrieben zu bekommen. Im Osten musste ein Arbeitnehmer lediglich 24.880 € verdienen, um ebenfalls einen Entgeltpunkt gutgeschrieben zu bekommen. Sein Einkommen wurde nämlich für die Rentenberechnung mit dem Wert 1,1911 (vorläufiger Wert für 2006) hochgewertet. Ein Entgeltpunkt erhöht die monatliche Rente derzeit um 26,13 € (aktueller Rentenwert) im Westen und 22,97 € im Osten (aktueller Rentenwert Ost). Würde die Hochwertung des Einkommens entfallen, so bekäme der Arbeitnehmer im Osten nur noch 0,8396 Entgeltpunkte gutgeschrieben.
Eine sofortige oder stufenweise Angleichung der Ost- an die Westrenten, abgekoppelt von der Lohnentwicklung, scheidet auch aus finanziellen Gründen aus. Eine Rentenangleichung würde die Rentenkasse zusätzlich mit rd. 6,2 Milliarden Euro belasten. Dies entspräche einer Beitragssatzsteigerung um rund 0,6 Prozentpunkte. Damit würden die bisherigen Erfolge bei der Stabilisierung der Lohnnebenkosten weitgehend zunichte gemacht. Die Entlastung des Faktors Arbeit ist aber Voraussetzung für mehr Wachstum und Beschäftigung.
In diesem Zusammenhang muss auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Beitragseinnahmen in den neuen Bundesländern schon derzeit nicht ausreichen, um die Rentenausgaben im Osten zu finanzieren. Der Finanztransfer von West nach Ost lag 2006 bei rd. 13 Milliarden Euro. Das entspricht rd. 1,3 Beitragssatzprozentpunkte.
Wenn Sie jetzt sogar aus dem Einigungsvertrag einen Rechtsanspruch ableiten, dann empfehle ich Ihnen einen Blick in die höchstrichterliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG, 1 BvR 824/03 vom 26.7.2007). Dort wurden entsprechende Verfassungsbeschwerden bereits abgelehnt. Wortwörtlich heißt es dort:
„Das Bundesverfassungsgericht hat bei der eigentumsrechtlichen Prüfung auf die Höhe von Rentenleistungen bezogener gesetzlicher Regelungen anerkannt, dass dem Gesetzgeber eine ausreichende Flexibilität erhalten bleiben muss, um das Rentenversicherungssystem und insbesondere dessen Finanzierung zu gewährleisten. Daher verfestigt die Eigentumsgarantie das Rentenversicherungssystem nicht so, dass es starr wird und den Anforderungen unter veränderten Umständen nicht mehr genügen kann.“ An anderer Stelle konkretisiert das Urteil diese Aussagen noch: „Das Auftreten eines erheblichen Finanzierungsdefizits hätte in der gesetzlichen Rentenversicherung entweder die Erhöhung des Beitragssatzes oder die Erhöhung des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung zur Folge gehabt (vgl. § 153, § 158 Abs. 1, § 213 SGB VI). Es liegt innerhalb des dem Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsermessens, wenn er der Stabilisierung oder der Verringerung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung Priorität, insbesondere aus arbeitsmarktpolitischen Gründen, einräumt. Dabei liegt die Annahme, dass eine Erhöhung des paritätisch vom Arbeitgeber mit zu tragenden Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung den Faktor Arbeit zusätzlich verteuert und zum Wegfall oder zum Nichtentstehen versicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse beiträgt, in der Einschätzungsprärogative des zur Gestaltung des Sozialstaats berufenen Gesetzgebers. Er war auch nicht gehalten, angesichts der angespannten Haushaltslage von Bund, Ländern und Kommunen eine Deckung des Finanzierungsdefizits in der gesetzlichen Rentenversicherung über eine Erhöhung des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung sicherzustellen.“
Nach dem Bundesverfassungsgericht liegt in solchen Fällen auch kein Verstoß gegen das schützenswerte Vertrauen auf die Kontinuität der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor, denn es begründet weiterhin: „Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 10. Mai 1983 (BVerfGE 64, 87) festgestellt, dass die Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung in den seiner Entscheidung vorausgegangenen Jahrzehnten durchaus die Erwartung bei den betroffenen Rentnern begründet habe, es fände eine fortwährende Erhöhung des Leistungsniveaus der Renten statt. Aus dieser Erwartung ergebe sich jedoch kein schützenswertes Vertrauen in eine uneingeschränkte und stetige Rentenerhöhung, weil weder die Rechtslage noch die Systematik der gesetzlichen Rentenversicherung eine entsprechende Automatik begründen könnten. Verantwortlich für den stetigen Anstieg des Rentenniveaus sei die günstige wirtschaftliche Entwicklung gewesen.“
Nach der Begründung des Bundesverfassungsgerichtes verstößt eine solche Regelung auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Dazu heißt es in der Begründung: „Der Gesetzgeber war danach verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, für Rentner, deren Ansprüche sich nach den besonderen Vorschriften für das Beitrittsgebiet bestimmen, eine besondere Form der Rentenanpassung zum 1. Juli 2000 vorzusehen. Seit der Herstellung der Deutschen Einheit hat eine kontinuierliche Annäherung des aktuellen Rentenwerts (Ost) an den aktuellen Rentenwert statt gefunden. … Der Gesetzgeber hatte – wie oben dargestellt – nachvollziehbare und sachlich gewichtige Gründe, im Rahmen der Sonderregelung der Rentenanpassung auf einen differenzierten Anpassungsmodus zu verzichten. Die seine Entscheidung tragenden Gründe der Haushaltsentlastung hatten für die Rentenbezieher der Bundesrepublik Deutschland insgesamt Geltung.“
Angesichts der o. g. Tatsachen sollte man den Einigungsvertrag als Zielvereinbarung für einen geregelten Übergang bei der Wiedervereinigung verstehen. Alle Politiker wollen, dass in Ost- und Westdeutschland die gleichen Löhne und Renten gezahlt werden. Einige Politiker sind ehrlich und appellieren an den Verstand der Menschen. Andere Politiker nutzen den Populismus, um kurzfristig Stimmen zu fangen und vergessen leider ganz beiläufig die Finanzierungsfrage. An diesem Wettlauf um die Wählerstimmen werde ich mich nicht beteiligen.
Sehr geehrter Herr Huse,
wie bereits in der Vergangenheit stehe ich Ihnen auch in der Zukunft gerne jederzeit für persönliche Gespräche in meinem Büro zur Verfügung.
Mit besten Grüßen
Klaus Brähmig