Frage an Kirsten Kappert-Gonther von Hendrikje t. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Kappert - Gonther,
die therapeutische Versorgung abhängigkeitserkrankter Menschen wird derzeit primär über das DRV - System gesteuert. Das GKV bietet hier lediglich bei einem Teil substanzbezogener Störungen eine ambulant therapeutische Option, wenn nach 10 h die Abstinenz bewiesen ist. Die derzeitige Theoriefundierung des Erkrankungsbildes zeigt jedoch, dass (ähnlich wie bei einer Asthmaerkrankung und/oder Depressionserkrankung) das Symptom der Erkrankung mit in den Therapieprozess integriert werden muss.
Die ambulante Versorgung abhängigkeitserkrankter Menschen wird Suchttherapeuten (Masterstudiengang) (die dafür spezialisiert studiert ausgebildeten werden), verwehrt.
1. Können Sie mir erklären, warum eine Splittung zwischen dem GKV - und DRV - System bei vorliegender Abhängigkeitserkrankung vorgenommen wird, obwohl die DRV primär den Auftrag der Wiedereingliederung auf dem 1. Arbeitsmarkt zugrunde liegt? Aus Bundesebene habe ich keine wirklich fachfundierte Antwort kriegen können.
2. Könnten Sie mir erklären, warum - wenngleich eine hohe Komorbidität und insbesondere Traumafolgestörungen in der Suchttherapie zu verzeichnen sind – hier keine Therapie orientiert an den Bedarf ins Gesundheitssystem integriert wird? Bei einer Asthamerkrankung wird ja auch nicht verlangt, nach 10h anfallsfrei zu sein.
3. Können Sie mir erklären, warum die Ressourcen von Suchttherapeuten im ambulanten Setting nicht über das GKV – (und/oder DRV – System) im Einzelsetting (denn besonders Sucht + Trauma braucht eine kontinuierliche Anbindung und Therapie im Einzelsetting) integriert werden?
VIelen Dank für Ihre Antworten und Ihr Engagement in dem Bereich der Abhängigkeitserkrankungen.
Sehr geehrte Frau ter Balk,
vielen Dank für Ihre Zuschrift! Die Stärkung der ambulanten Suchttherapie und der Kooperation und Vernetzung im Suchthilfesystem sind Dauerbrenner-Themen. Denn Abhängigkeitserkrankungen - eine ganz wesentlich Rolle spielen Alkoholerkrankungen - sind weit verbreitet und es geht darum, für die Betroffenen eine bedarfsgerechte Versorgung zu ermöglichen. Als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie habe ich selbst viele Jahre betroffene Patient*innen behandelt und setze mich seit langem für ein gutes suchttherapeutisches Angebot und eine bessere Vernetzung zwischen ärztlichen und anderen Gesundheitsberufen und Gesundheitsangeboten ein. Hürden liegen u. a. in unterschiedlicher Trägerschaft und unterschiedlichen Finanzierungs- und Abrechnungssystemen. Dabei sind für die Betroffenen diese Grenzen häufig nicht transparent und nachvollziehbar. Für sie ist es wichtig, gut abgestimmte, zugewandte und professionelle Hilfe zu erhalten.
Dauerhafte Abstinenz ist aus meiner Sicht kein in jedem Fall geeignetes Kriterium als Voraussetzung für eine ambulante Therapie. So wurde auch bei der Reform der Substitutionstherapie der Schadensminimierung statt der Abstinenz als Ziel mehr Gewicht verliehen.
In vielen Fällen hat aber das System aus einer stationären Therapie zur Entwöhnung außerhalb des Alltagssettings und einer anschließenden ambulanten Therapie im gewohnten Umfeld mit Einzel- und Gruppentherapien und Selbsthilfegruppen zu Erfolgen und einem Weg aus der Sucht geführt. Klar ist aber auch, dass die Betroffenen nicht nur in Bezug auf ihre Erkrankung sondern auch beim Weg durch die verschiedenen Angebote Hilfe und Orientierung brauchen. Suchttherapie ist eine komplexe, vielschichtige und langfristige Behandlung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Kirsten Kappert-Gonther