Frage an Kerstin Tack von Barbara D. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Tack,
wann bekommen wir Bestandsrentner in einer Erwerbsminderungsrente Zurechnungszeiten wie Neurentner? Wir haben nicht weniger gearbeitet wie Neurentner! Meine Rente wurde 2001 gekürzt und Ihre Rentenerhöhung von Netto: 11,19 Euro meiner Rente ist doch ein Witz der Regierung. Aber ab Heute wissen wir Bestandsrentner, warum wir keine Zurechnungszeit bekommen. Ihr braucht es ja um die Türkei zu retten, was ist denn mit uns Rentner,dürfen wir uns nicht auch einmal einen Kaffee oder Kuchen ohne zu rechnen leisten, wenn wir dies machen fehlt das Geld am Ende des Monats. Schämt Ihr euch nicht,daß Menschen in unserem Land so leben müssen?
Ich bitte Sie, keine Standartantworten zu geben und selber zu antworten (nicht wieder von Frau A. Timm,wie in der E-Mail von mir an Sie)
Mit freundlichen Grüßen
B. D.
Sehr geehrte Frau D.,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 20. August, auf die ich Ihnen im Folgenden gerne antworten möchte.
Es ist tatsächlich so, dass die Regelungen zur Verbesserung der Situation von Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner nur für sogenannte Neurentner gelten. Das heißt, Menschen, die bereits Erwerbsminderungsrente beziehen, profitieren leider nicht von den im Koalitionsvertrag vorgesehenen Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente. Diese Situation ist für diejenigen, die bereits vorher in Rente waren, natürlich sehr unbefriedigend und auch wir als SPD würden uns wünschen, dass Verbesserungen in diesem Bereich auch für Bestandsrentnerinnen und -rentner gelten. Dabei handelt es sich jedoch um eine komplizierte und vielschichtige Angelegenheit, bei der verschiedene Aspekte zu berücksichtigen sind:
Würde man die Regelungen auch auf den Bestand übertragen, so müsste eine komplette Neuberechnung aller bestehenden Rentenbezüge auf Grundlage des jetzt geltenden Rechts vorgenommen werden. Dies wäre nicht nur mit einem enormen Verwaltungs- und Kostenaufwand verbunden, sondern könnte im Einzelfall – durch andere zwischenzeitlich erfolgte Rechtsänderungen – auch zu Verschlechterungen führen. Dieses Risiko können und wollen wir nicht eingehen. Eine gerechte und rentenrechtlich stimmige Lösung war hier leider zu keinem Zeitpunkt in Sicht.
Auch war diese Problematik, die unter der Überschrift „Stichtage in der Rentenversicherung“ zusammengefasst werden kann, schon häufig Gegenstand gerichtlicher Überprüfungen bis hin zum Bundesverfassungsgericht.
Stichtage (also das festzulegende Datum, ab wann eine gesetzliche Regelung gilt; im Falle der aktuellen Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente sind dies Personen, die ab dem 1. Januar 2019 als Neurentnerinnen oder Neurentner eine EM-Rente beziehen) sind im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung notwendig, um „willkürlichen“ Entscheidungen zu begegnen. Ohne sie wären die Möglichkeiten zu Gesetzesänderungen mit dem Ziel der Weiterentwicklung des Sozialversicherungsrechts und seiner Anpassung an geänderte Verhältnisse sehr begrenzt. Das Bundesverfassungsgericht hat daher in ständiger Rechtsprechung bekräftigt, dass der Gesetzgeber verfassungsmäßige Grundsätze wahren muss und nicht in bereits laufende Ansprüche verschlechternd eingreifen darf.
Würde das Gesetz solche Stichtagsregelungen nicht kennen, wären wie oben beschrieben auch Verschlechterungen durch eine neue Gesetzgebung möglich. Stichtage sind insofern auch ein Schutz für bereits laufende Renten. Denn auch im Fall von Leistungseinschränkungen, die es in wirtschaftlich schwierigen Zeiten in der Vergangenheit auch schon geben musste, blieben und bleiben bestehende Renten aus Vertrauensschutzgründen grundsätzlich unangetastet.
Als SPD werden wir auch weiterhin nach Lösungswegen suchen, um auch Menschen im Bestand eine Verbesserung ihrer Situation zu ermöglichen.
Es grüßt herzlich
Ihre
Kerstin Tack