Kerstin Tack
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Frage von Tim B. •

Frage an Kerstin Tack von Tim B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Tack,

mit großer Sorge verfolge ich die Entwicklung zum Freihandlesabkommen TTIP. Mir fehlt jedes Verständnis bezüglich des Verfahrens. Die fehlende Transparenz und den Ausschluss der Bürger (Einsicht der Vertragsentwürfe)tragen dazu bei, das Vertrauen zur Politik weiter zu mindern. Wie stehen sie zu diesem Thema?

Mit freundlichen Grüßen

T. Bartels

Kerstin Tack
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Bartels,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 30. Juni 2014 auf abgeordnetenwatch.de, in der Sie kritisch auf das geplante Freihandels- und Investitionspartnerschaftsabkommen (TTIP) zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten Bezug nehmen. Ihre Sorgen hinsichtlich des genannten Freihandelsabkommen sind vor dem Hintergrund der bisherigen Entwicklungen nachvollziehbar. Gleichwohl hatten internationale Handelsabkommen für uns immer eine hohe Priorität. Die Globalisierung braucht international anerkannte und durch internationales Recht durchsetzbare Regeln. Das ist nicht zuletzt auch eine Lehre der Finanz- und Wirtschaftskrise. Gerade auch in früherer Regierungsverantwortung haben wir vielfältige Anstrengungen unternommen, neue internationale Standards zu entwickeln und mit unseren Partnern zu mehr Rechtssicherheit zu kommen. Die TTIP-Verhandlungen werden auf der Grundlage des Endberichtes der beim EU-US-Gipfeltreffen im November 2011 gegründeten hochrangigen Arbeitsgruppe für Arbeitsplätze und Wachstum und nach Maßgabe des vom EU-Handelsministerrat erteilten Verhandlungsmandates durch die Kommission geführt. Verhandlungsführer auf europäischer Seite ist Handelskommissar Karel de Gucht, auf amerikanischer Seite der US-Handelsbeauftragte Michael Froman. Das EU-Parlament ist über den handelspolitischen Ausschuss beteiligt, in dem die Kommission vor und nach jeder Verhandlungsrunde detailliert Bericht erstattet. Seit Erteilung des Verhandlungsmandates im Juni 2013 wurden in sechs Verhandlungsrunden sowohl in Washington als auch in Brüssel alle Verhandlungsthemen besprochen. Ein Abschluss der Verhandlungen ist kaum vor Ende nächsten Jahres zu erwarten. Die bisherige Positionierung der SPD-Bundestagsfraktion, der auch ich mich anschließe, lässt sich wie folgt zusammenfassen:

1. Wir sprechen uns dafür aus, das geplante transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) konsequent an bestehenden Standards auszurichten. Die Verhandlungen dürfen die Errungenschaften der EU im Bereich der Sozial-, Arbeits-, Umwelt-, Agrar-, Lebensmittel- und Gesundheitsstandards nicht in Frage stellen. Im Gegenteil: Das hohe Schutzniveau für Verbraucher, Umwelt und Arbeit muss erhalten bleiben. Dasselbe gilt für das europäische Niveau von Verbraucherrechten und Datenschutzstandards. In dem „acquis communautaire“ der EU sind alle Rechte und Pflichten, die für alle Mitgliedstaaten der EU verbindlich sind, geregelt. Darin enthalten sind ebenso hohe Bestimmungen zur Produktsicherheit wie auch die des Arbeitsschutzes und die Standards der „International Labor Organisation“ (ILO). Gerade auch die Berücksichtigung der ILO-Kernarbeitsnormen bei europäischen Handelsabkommen haben wir im Koalitionsvertrag verankert, denn Freihandel darf nicht zum Einfallstor für Lohn- und Sozialdumping werden. Die ILO stellt soziale Gerechtigkeit sowie Menschen- und Arbeitsrechte sicher. Die Beibehaltung dieser Standards ist im Verhandlungsmandat ausdrücklich vorgesehen. Uns ist wichtig, dass das auch während der ganzen Verhandlungen – und im Ergebnis – so bleibt.

2. Wir plädieren für größtmögliche Transparenz und die Einbeziehung der Anliegen von Gewerkschaften, Zivilgesellschaft, Wirtschaftsverbänden und Forschungseinrichtungen. Die Einbeziehung der Anliegen von Gewerkschaften, Zivilgesellschaft, Wirtschaftsverbänden und Forschungseinrichtungen ist für einen erfolgreichen Abschluss der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft außerordentlich wichtig. Denn TTIP ist ein Projekt, welches der breiten Bevölkerung und den Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks zugutekommen soll. Sowohl die EU-Kommission als auch die EU-Mitgliedstaaten stehen daher in engem Kontakt mit den unterschiedlichen Interessensvertretern und informieren regelmäßig über den Fortgang der Verhandlungen. Wir setzen uns dafür ein, dass auch die amerikanische Seite der Veröffentlichung ihrer Dokumente für die EU-Mitgliedsstaaten zustimmt. TTIP ist längst in der öffentlichen Debatte angekommen. In der jetzigen Phase sind vor allem kritische Stimmen zu vernehmen. Die Sozialdemokratie hat sich von Anfang an für eine größtmögliche Transparenz – auch hinsichtlich sensibler Verhandlungspunkte wie dem Investorenschutz – eingesetzt. Klar ist, dass noch offener auf die insbesondere von den Gewerkschaften geäußerten Anliegen eingegangen werden muss. Denn gerade Arbeitnehmerrechte müssen gesichert bleiben. Wir wollen neue Diskussionsforen mit Wissenschaft und Zivilgesellschaft schaffen, die unvoreingenommen jeden Kritikpunkt prüfen, falsche Behauptungen über TTIP aufklären, tatsächlich strittige Fragen identifizieren und die Verhandlungen konstruktiv begleiten.

3. Wir begrüßen die öffentliche Konsultation zum Thema Investitionsschutz – wir hatten vor den Gefahren in einem Brief an EU-Kommissar de Gucht im September 2013 gewarnt. Den Investitionsschutz sowie die zum Investitionsschutz in der Diskussion befindlichen Sondergerichte, welche die demokratischen Entscheidungsrechte der Bürgerinnen und Bürger aushebeln könnten, lehnen wir ab. Gleichzeitig begrüßen wir, dass die EU-Kommission zum Bereich des Investitionsschutzes eine 3-monatige öffentliche Konsultation zur Klärung des Vorgehens zum Thema Investitionsschutz in den Verhandlungen mit den USA über ein transatlantisches Freihandelsabkommens (TTIP) abgehalten hat. Diese Konsultation ist inzwischen beendet. Derzeit wertet die EU-Kommission die eingegangenen Stellungnahmen aus. Es ist damit zu rechnen, dass sie im November auf die EU-Mitgliedstaaten zugeht, um gemeinsam mit ihnen die EU-Verhandlungsposition zu diesem Thema festzulegen. Dieser Prozess sollte genutzt werden, um ein Modell zu entwickeln, damit künftige EU-Abkommen zum Investitionsschutz transparenter sind und klarer definieren, wie weit der Investitionsschutz überhaupt reichen darf, ohne die politische Gestaltung demokratisch gewählter Regierungen einzuschränken.

Für unser weiteres Vorgehen gilt: Die SPD entwickelt Zielkriterien für ein erfolgreiches Abkommen Wir werden als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten Zielkriterien für ein gelungenes Transatlantisches Freihandelsabkommen entwickeln. Wir begleiten die Verhandlungen aktiv, um Arbeitnehmerrechte, Verbraucherschutz, ökologische Nachhaltigkeit und öffentliche Daseinsvorsorge zu sichern und zugleich unnötige Handelsbarrieren sowie kostspielige bürokratische Verfahren abzubauen. Das ist unser politisches Ziel. Gleichzeitig setzen wir uns für ein gemischtes Abkommen ein, d.h. alle europäischen Länder müssen dem Abkommen zustimmen. In Deutschland hätte eine diesbezügliche Abstimmung demnach durch das Parlament, den Deutschen Bundestag, zu erfolgen. Weitere Informationen zum transatlantischen Freihandelsabkommen wurden vom Bundeswirtschaftsministerium in Form einer Broschüre zusammengestellt. Diese ist unter folgendem Link einsehbar: http://www.bmwi.de/DE/Mediathek/publikationen,did=637448.html.

Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Tack, MdB