Frage an Kerstin Tack von Lars S. bezüglich Finanzen
? Ist Ihnen bekannt, dass das Privileg, Giralgeld zu erzeugen, weder in europa?ischen noch in deutschen Rechtsvorschriften explizit erwa?hnt und geregelt wird?
? Ist Ihnen der Vorschlag der Vollgeldreform bekannt, demzufolge neues Geld nur noch durch die Zentralbanken als unabha?ngige vierte Staatsgewalt (die Monetative) in Umlauf gebracht werden soll?
? Werden Sie sich in der na?chsten Wahlperiode im Deutschen Bundestag dafu?r einsetzen, dass das vollsta?ndige staatliche Vorrecht auf Geldscho?pfung gesetzlich verankert wird?
? Ist Ihnen bekannt, dass der gro?ßte Teil des von uns verwendeten Geldes (das Giral- geld) durch private, gewinnorientierte Banken erzeugt und in Umlauf gebracht wird und nicht wie von den meisten Menschen vermutet durch staatliche Organe und dass diese Praxis auch von der Deutschen Bundesbank so besta?tigt wird?
? Halten Sie die private Banken-Geldscho?pfung fu?r gerechtfertigt oder sind Sie der Meinung, dass Geld nur von einer o?ffentlichen Institution erzeugt und in Umlauf gebracht werden sollte?
? Ist Ihnen bekannt, dass durch die Wiederherstellung des staatlichen Vorrechts auf Geldscho?pfung die derzeitige Staatsverschuldung zu einem großen Teil ohne Steuererho?hungen und Sparpakete beseitigt werden ko?nnte und dass der IWF (Internationale Wa?hrungsfonds) in einer Studie aus dem Jahr 2013 besta?tigt hat, dass dies ohne Inflationsgefahr mo?glich ist?
? Was halten Sie davon, das Volk selbst über die gesetzlichen Grundlagen unseres Geldsystems abstimmen zu lassen?
? Ist die Wiedereinführung der Nationalwährung als Komplementärwährung der Euro- (GIIPS-) länder eine Lösung für die Eurokrise ((Vorschlag des Prof. Hankel)?
? Was halten Sie davon, das Volk selbst über die gesetzlichen Grundlagen unseres Geldsystems abstimmen zu lassen?
? Sollte es Volksbegehren und Volksentscheide auch für bundespolitische Fragen geben?
Sehr geehrter Herr Stoltmann,
vielen Dank für Ihre Fragen hier auf abgeordnetenwatch.de, die ich gerne wie folgt beantworte:
Als Arbeits- und Sozialpolitikerin war ich bisher in diesem Themenfeld sowie zuvor im Bereich des Verbraucherschutzes tätig. Selbstverständlich beschäftige ich mich intensiv mit aktuellen politischen Fragen, die parlamentarisch und innerfraktionell beraten werden, die Vollgeldtheorie von Joseph Huber und James Robertson, deren Implikation die Herstellung eines staatlichen Geldschöpfungsmonopols ist, gehörte bislang nicht dazu. Ihre Fragen habe ich zum Anlass genommen, mich allgemein über die Vollgeldtheorie zu informieren und insbesondere auch Finanzpolitiker meiner Fraktion hierzu zu befragen.
Bisher war das Thema weder in den politischen Gremien Europas, noch im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages auf der Tagesordnung. Eine politische Positionierung meiner Partei hierzu kann ich Ihnen daher leider derzeit noch nicht mitteilen.
Die Zielsetzung des Modells, das Finanz- und Kreditsystems vor spekulativen Blasen zu schützen, unterstütze ich. Ich teile jedoch die Zweifel der Finanzexperten meiner Fraktion daran, dass das Vollgeldsystem der richtige Weg zur Verwirklichung dieses Zieles ist. Auf der einen Seite stellen sich erhebliche Probleme bei der Umstellung auf ein Vollgeld-System. Es ist nur schwer vorstellbar, dass die instabilen (Un-)Gleichgewichte in denen sich die Finanzmärkte derzeit befinden, bei einer faktische Erhöhung des Mindestreservesatzes auf 100 Prozent nicht zu einem Kollaps der Finanzmärkte führen würden.
Doch abseits der Umsetzungsprobleme auf nationaler und internationaler wird nicht nur von mir die enge Verzahnung von Regierung und Zentralbank kritisch gesehen. Daneben besteht die Gefahr negativer Auswirkung/Stagnation auf die Realwirtschaft. Außerdem sieht selbst der IWF, der durchaus Sympathien für die Theorie hegt, die Gefahr, dass bei einem Vollgeldsystem schon rasch neue Paare von Forderungen und Verbindlichkeiten geschaffen würden, mit denen dann Handel getrieben wird.
Wir als SPD haben es uns zum Ziel gesetzt, auch ohne eine radikalen Systemwechsel wie er bei der Umstellung auf ein Vollgeld-System nötig wäre, das Primat der Politik auf den Finanzmärkten wiederherzustellen. Eine Finanztransaktionssteuer zur Beteiligung der Banken an den Kosten der Rettungsmaßnahmen wollen Dank des konsequenten Einsatzes der SPD bereits 10 andere europäische Länder auf den Wege bringen. Die Umsetzung werden wir bei einer Regierungsbildung unter sozialdemokratischer Führung beschleunigen und weitere Partner in Europa dafür werben.
Wir wollen außerdem den Rückzug aus der Staatshaftung für Banken. Daher braucht Europa ein einheitliches Abwicklungsregime für seine Banken und einen bankenfinanzierten Restrukturierungsfonds.
Wir wollen zudem die unter dem Stichwort "Trennbankensystem" geläufige Trennung des Einlage- und Kreditgeschäftes vom riskanten Investmentbanking bei Banken mit komplexer Geschäftstätigkeit. Dazu gehört für uns in weiterer Konsequenz auch ein Verbot des spekulativen Eigenhandels durch die Banken.
Wir wollen als weitere Maßnahmen die Spekulation mit Agrar- und Nahrungsmitteln verbieten, Derivatgeschäfte standardisieren, um sie einer stärkeren Transparenz und Kontrollmöglichkeiten zu öffnen und dem Kontext auch den ungedeckten Kauf von Kreditderivaten verbieten.
Schließlich wollen wir eine europäische Aufsichtsbehörde für große Banken errichten. nach unserem Konzept soll zunächst die EZB diese Funktion übernehmen, mittel bzw. langfristig wollen wir aber eine unabhängige Institution schaffen, über die das Europäische Parlament als demokratisch gewähltes Aufsichtsgremium wacht.
Ich bin der festen Überzeugung, dass unser hier nur kurz dargestelltes Gesamtkonzept nicht nur realistisch in der Umsetzung ist, sondern in der Summe die Ursachen der Banken-, Wirtschaft- und Währungskrise wirksam bekämpft.
Wir wollen mehr Mitwirkungsrechte der Menschen bei der politischen Willensbildung. Dazu werden wir in Regierungsverantwortung auch auf Bundesebene Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide einführen. Für die notwendige Mehrheit einer Grundgesetzänderung werden wir bei den anderen Fraktionen werben. Wir wollen mehr Menschen an der politischen Willensbildung teilhaben lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Tack