Frage an Kerstin Neumann von Achim R. bezüglich Umwelt
Werte Frau Neumann,
es gibt sicher jede Menge an Fragen, die man aber eigentlich nicht stellen muß, da sie bekannt sind und die Antworten eigentlich auch. Sie als engagierte Politikerin und Mitbewohnerin in unserem Wedding haben ja in einigen persönlichen Gesprächen Stellung genommen und Ihre Sicht der Dinge dargestellt, dafür meine Anerkennung.
Was aber soll man fragen, wenn ein Fahrradfahrer auf dem Bürgersteig in einem Haufen Hundekot ausrutscht, mit der Nase in einer Resttüte mit Döner landet und dann auf unsere türkischen Mitbewohner schimpft ?
Was soll man fragen, wenn Citykiez-Toiletten beworben werden - aber nie geöffnet sind ? Ist es da nicht nur zu verständlich, dass halbe Nächte lang - generationsübergreifend - die Treppen runtergep..... wird ?
Was soll man fragen, wenn Bürgersteige aufgerissen werden, liderlich zugeflickt werden und man nur still hoffen kann, dass sich niemand in den langen Wochen der "Bauphase" die Gräten bricht.
Wen soll man fragen ?
Ihnen alles Gute und liebe Grüße aus dem Wedding.
Ihr Achim Rother
Lieber Herr Rother,
herzlichen Dank für Ihre netten Worte.
(Und auch Dank, dass ich durch Ihre Anfrage die Möglichkeit habe dem Herrn W. (Gaslaternenfrage) zu schreiben, dass ich auch zu der vorherigen Frage mit den Gaslaternen noch antworte. Da haben sie mir eine interessante „Nuss“ zum Knacken gegeben. Ich benötige etwas länger Zeit dafür.)
Nun aber wieder zu Ihnen und Ihrer Frage, lieber Herr Rother.
In der Tat habe ich durch meinen Unternehmenssitz an der Bornholmer Straße, viel Kontakt zu meinen Kunden und den Menschen im Wedding. Seit meiner internen Nominierung zur CDU-Direktkandidatin, also seit 10 Monaten, führe ich im Wedding Gespräche mit den Bürgern und „hole mir die Sorgen ab“. Überdies habe ich mir sehr häufig die Zeit genommen, ganz besonders intensive Gespräche mit den Nachbarn und Nachbarinnen zu führen. Dabei habe ich auch oft den Bürgern Fragen gestellt und von den Antworten gelernt.
Insoweit ist mir Ihre Frage sehr angenehm. Ich verstehe die Frage und neben dem erheblichen Schmunzeleffekt , den Sie bei mir ausgelöst haben beim Lesen, freue ich mich also, dass Sie mir die Gelegenheit geben zu antworten.
Sie schreiben, dass ein Fahrradfahrer auf dem Bürgersteig fährt. Auch ich beklage diesen Umstand, und inzwischen ertappe ich mich, dass ich mich auch nicht mehr „traue“ Erwachsenen hinterherzurufen, dass ich mich erschrocken habe und, dass das werte Alter nicht einem Kind entspricht, das da schützenswert den Bürgersteig benutzen dürfte. In der Tat „rufe ich nur noch hinterher“, wenn mich mal wieder ein Fahrradfahrer beim Herausgehen aus der Haustür fast „erwischt“…
Das Thema „Hundekot“ und „Hunde“ ist Berlins liebstes Thema z.B. in vielen Internetkommentar-bereichen. Mein Hund Toni, siehe http://www.kerstinneumann.de/aktuelles/wahlkampfteam-wahlkreis-6.html und ich kennen diese Problematik sehr gut. Fakt ist, es gibt ein Gesetz und da steht drin, dass der Hundekot aufzuheben ist und zwar vom Menschen. Damit ist geklärt, der Hund kann nichts dafür. Bleibt, dass der Mensch gefälligst für seinen Liebling die Tüte zu schwingen hat. Nun tut er das also nicht annähernd ausreichend in vielen Kiez- und Straßengegenden. Ich habe mich mit Hundebesitzern darüber öfter unterhalten. Einige von uns sind der Meinung, dass es einen tollen Vorbildeffekt geben könnte, wenn die Nachbarn und Nachbarinnen diejenigen von uns Hundebesitzern mal lobend ansprechen würden, die die Hinterlassenschaft mit einer Tüte aufnehmen. So was spricht sich positiv herum, denn es gibt auch die, die Hinterlassenschaften ordentlich entsorgen. Das sind sozusagen die Vorbilder.
Sie geben mir mit Ihrer Frage Gelegenheit mitzuteilen, dass ich für den Hundeführerschein bin, der aber „Menschenführerschein“ heißen sollte. Ich bin grundsätzlich gegen zusätzliche Gesetze und Verbote, bin der Meinung, dass wir wirklich schon viel geregelt haben, insoweit finde ich, dass der Hundeführerschein seine erste Stunde schon haben könnte, vor Anschaffung des Tieres. Somit würden wir ein Gespräch über die Größe des Hundes und die besonderen Eigenschaften der Hunderasse führen können. Auf diesem Weg könnten wir vielleicht mittelfristig weniger sehr große Hunde im typischen Stadtbild Berlins haben.
Auch in unserem Wahlprogramm erkennen wir an, dass Hunde des Menschen bester Freund sind und es in Berlin auch so bleiben soll. Z.B. erhöhte Steuern sind unsozial und treffen dann eben alle Hundebesitzer ohne Rücksicht auf ihr Verhalten. Daher müssen vor allem die Bußgelder deutlich erhöht werden, um hier auch eine abschreckende Wirkung zu entfalten. Die CDU fordert, dass die Mitarbeiter des Ordnungsamtes mit einer stark fokussierten Zuständigkeit (ein Parkraumüberwacher darf aktuell ausschließlich den Parkraum überwachen! ) aufgehoben werden.
Der Schmutz in unseren Straßen, Gebüschen, in Hausfluren, an Häuserwänden, heruntergerissene Müllereimer, die furchtbar dreckige Straßenbahnhaltestelle Osloer Straße, die viele leeren Alkoholflaschen, die einfach irgendwo stehen, liegen oder deren Scherben verteilt auf dem Boden zu finden sind, oder die Tatsache, dass vor einer Kita Menschenkot nachts hinterlassen wird, wie mir gerade letzten Samstag von einer Angestellten der Kita berichtet wurde. Ja, alles das gibt es auch in unseren Weddinger Kiezen. Viele Bürger haben mir „ihre Beobachtung“ erbost und hilflos mitgeteilt.
Mein spezieller Aufreger ist immer wieder die Haltestelle Osloer Straße. Am Anfang waren es vier Metallsitze an der Haltestelle. Einer war „schon immer“ kaputt. Bald darauf war am zweiten Sitz das Metallgitter ein Stück hochgebogen: Sitzen nunmehr unmöglich. Dann war auch der Nachbarsitz hochgebogen usw. Erstaunlich viel Zigarettenkippen finden sich aber immer unter den Sitzlöchern. Ich frag mich immer, was daran schick ist in oder unter nicht vorhandene Sitze Zigarettenkippen zu werfen und natürlich leere Bierflaschen zu stellen.
„Was soll man fragen?“ schreiben Sie.
Was Sie und ich fragen, ist wohl sehr klar und deutlich geworden. An der Stelle wiederhole ich, Politik kann viel, aber nicht alles, wenn auch wesentlich mehr als das, was wir in den letzten 10 Jahren in Berlin erlebt haben. So kann durch mehr Aufsichtspersonal, das am Bahnsteig anwesend ist, bestimmt schon einiges, was wir an Unannehmlichkeiten beklagen, verhindert werden.
Kennen Sie das Phänomen, dass man die U-Bahntreppe benutzen will, kommt aber nicht hoch oder runter, weil einem eine Meute von Leuten, die sich untereinander gar nicht kennen, nebeneinander laufend als „Mauer“ entgegenkommen sieht?
Wir haben offenbar in unserer Gesellschaft „vergessen“, was wir miteinander vereinbart hatten. Wir haben vereinbart und haben dafür gute Gründe, dass wir bei "rot" an der Ampel anhalten. Wir stellen uns wartend an und lassen erst die Menschen aus Bahn und Bus heraus, bevor wir hineingehen und die Treppen benutzen wir, eigentlich ohne nachzudenken, auf der rechten Seite, halt wie beim Auto fahren.
Wir sind rücksichtsloser geworden unseren Nachbarn und Nachbarinnen gegenüber. Es scheint uns nicht zu interessieren, wie es dem Anderen geht, Hauptsache wir können das machen, was wir gerade machen wollen. Eine Verrohung im Umgang miteinander und wir beklagen eine Missachtung fremden Eigentums: brennende Autos u.a.
Es scheint mir so, dass wir den Dreck einfach vor unserer Haustüre hinwerfen, weil wir uns dort nicht wohl fühlen, an dem Ort und an unserem eigenen Lebenspunkt, an dem wir stehen. Unzufrieden sind viele Jugendliche, viele unserer Kinder. Unser Wedding hat überdies viele arbeitslose Erwachsene. Wer Arbeit hat, bekommt nach dem eigenen Empfinden zu wenig Geld dafür. Gerade unser Wedding hat alle diese Probleme direkt vor Ort. Und in meinen Gesprächen wird mir erzählt, dass es in den letzten Jahren immer schlimmer und schlechter geworden ist.
Es fehlt die Kaufkraft der Bürger, die bezahlte Arbeitsstelle mit der man die normalen Dinge des Lebens bewältigen kann. Dazu gehören Unternehmer und deren Unternehmen, die sich vor Ort ansiedeln, Arbeitsplätze bieten und Waren oder Leistungen bereithalten.
Und damit schließe ich hier meinen langen Brief an Sie und die Nachbarinnen und Nachbarn im Wedding ab.
Wir brauchen im Wedding endlich eine deutliche Veränderung. Wir brauchen Aufbruchstimmung. Mehr Polizisten und Aufsichtspersonal, eine Durchmischung der Mieterstrukturen in den Häusern, keine Spielhallen in Wohngebieten, keine Fensterbeklebungen/Verdunkelungen an Spielstätten im Straßenbild, Unternehmer, die sich in diesem schwierigen Übergangszeiten vorstellen können ihren Betriebssitz in unsere Kieze zu legen, gute Bildung und individuelle Förderung eines jeden Kindes im Wedding.
Bei Ihrer Frage ist mir aber der Umfang der Worte gar nicht so schwer gefallen und insoweit danke ich Ihnen, dass ich die Gelegenheit hatte, mich bei Ihnen und den Lesern noch mehr vorzustellen.
Auch Ihnen alles Gute, viel Gesundheit und ebenfalls liebe Grüße nach dem Wedding.
Ihre Kerstin Neumann