Frage an Kerstin Müller von Nina Dr. A. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Frage zur Umsetzung der UN-Resolutionen 1325 und 1820: Beabsichtigen Sie, die Forderungen der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF/WILPF) nach einem Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Resolutionen 1325 (unter der Maßgabe der 3 Ps: Prävention von Kriegen, Protektion und Partizipation von Frauen) und 1820 (Schutz vor gewalttätigen Übergriffen in bewaffneten Konflikten) im deutschen Bundestag aktiv zu unterstützen, eine ressortübergreifende Zusammenarbeit (AA, BMZ, BMV und BMFSJ) dazu anzuregen und sich dafür einzusetzen, dass das Ziel der Erarbeitung eines Aktionsplans zur Umsetzung der Resolutionen in einem eventuellen Koalitionsvertrag verbindlich verankert wird?
Sehr geehrte Frau Althoff,
vielen Dank für Ihre email. Mit Ihrer Anfrage zur Umsetzung der UNO-Sicherheitsrats-Resolutionen 1325 und 1820 sprechen Sie ein Thema an, das für Bündnis 90 / Die Grünen schon lange ein zentrales friedenspolitisches Anliegen ist: Die Rolle von Frauen in Friedensprozessen muss gestärkt werden. Frauen und Mädchen brauchen wirksamen Schutz vor sexualisierter Gewalt. Beide UNO-Resolutionen sind für uns von zentraler Bedeutung bei der Ausbuchstabierung und Umsetzung konfliktpräventiver Außenpolitik.
Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass Bündnis 90 / Die Grünen die einzige Fraktion im Deutschen Bundestag ist, die sich in der aktuellen Legislaturperiode aktiv und wiederholt für eine wirksame Umsetzung der Resolutionen 1325 und 1820 eingesetzt hat. Dieses Engagement wollen wir in der kommenden Legislaturperiode – sei es nun in der Regierungsverantwortung oder in der Opposition - intensivieren. Beide Resolutionen wären damit auch ein wichtiges Thema für Koalitionsverhandlungen.
Mit unserem Bundestags-Antrag „UN-Resolution 1325 – Frauen, Frieden und Sicherheit – Nationaler Aktionsplan zur strategischen Umsetzung“ vom 07.03.2007 (BT-Drs. 16/4555, siehe http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/16/045/1604555.pdf ) fordern wir von der Bundesregierung seit langem einen nationalen Aktionsplan zur wirksamen Umsetzung der Prävention von Konflikten, den Schutz für Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisensituationen vor Gewalt, die volle Beteiligung der Frauen an den politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen und die fundierte geschlechtersensible Vorbereitung für alle beteiligten Akteurinnen und Akteure in der deutschen Außenpolitik. Leider ist unser Antrag seitens der Fraktionen von CDU/CSU, FDP und SPD abgelehnt worden, weshalb die Umsetzung unserer Forderungen vorerst ausgebremst wurde.
Darüber hinaus haben wir auch mit unserem Bundestags-Antrag „Sexuelle Gewalt gegenüber Frauen in der Demokratischen Republik Kongo unverzüglich wirksam bekämpfen“ vom 25.06.2008 (BT-Drs. 16/9779, siehe http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/097/1609779.pdf ) von der Bundesregierung Maßnahmen zur Beendigung der grausamen sexualisierter Gewalt vor allem im Ost-Kongo eingefordert. Denn sexualisierte Gewalt macht Frieden unmöglich. Im Kongo - wie übrigens auch im Sudan oder in Afghanistan - werden Frauen und Mädchen massiv Opfer von sexualisierter Gewalt. Vergewaltigung wird als Kriegswaffe eingesetzt, um Frauen und Mädchen seelisch und körperlich zu vernichten, den jeweiligen Gegner zu demoralisieren und Gesellschaften zu zerstören. Das sind schwerste Menschenrechtsverbrechen. Der Sicherheitsrat hat mit seiner Resolution 1820 derartige Gewaltexzesse klipp und klar als Kriegsverbrechen und Bedrohung für den Weltfrieden eingestuft. Die UNO-Mitgliedstaaten, also auch Deutschland sind daher verpflichtet, Frauen vor diesen unsäglichen Menschenrechtsverbrechen wirksam zu schützen. Wir haben deshalb von der Bundesregierung (u.a.) gefordert, dass sie die Bekämpfung sexualisierter Gewalt endlich zu einem Schwerpunktthema des deutschen Friedensfonds macht. Dieser Fonds soll mit seinen 50 Millionen Euro bislang vor allem Infrastrukturprogramme im Kongo fördern. Besonders die engagierten kleinen Hilfsorganisationen sollten unbürokratischen Zugang zu den Geldern erhalten. Sie sind besonders erfahren und wissen genau worauf es beim Umgang mit den Opfern sexualisierter Gewalt ankommt.
Um die Abgeordneten der übrigen Fraktionen für das Thema zu sensibilisieren, haben wir auch im September 2008 in Zusammenarbeit mit der Frauenrechtsorganisation medica mondiale – deren Arbeit ich als Botschafterin der Aktion „Im Einsatz“ ausdrücklich unterstütze - zu dem parlamentarischen Nachmittag "Die Lage der Frauen in der Demokratischen Republik Kongo" eingeladen. Die kongolesische Frauenrechtlerin Immaculee Birhaheka sprach hier angesichts der Dimension der Gewalt von einem "Femizid". Die Gründerin von medica mondiale Monika Hauser - Preisträgerin des Alternativen Nobelpreises 2008 - verwies auf die Ursachen der Gewalt. Traumatisierte Kindersoldaten würden die Grausamkeiten, die ihnen widerfahren sind, als Erwachsene weitergeben, weil sie nicht aufgearbeitet würden.
siehe: http://www.gruene-bundestag.de/cms/internationales/dok/252/252428.zur_lage_der_frauen_im_kongo.html
Dennoch wurde auch der Antrag zur sexualisierten Gewalt im Kongo mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU, SPD und der LINKEN abgelehnt. Zudem haben wir auch auf Ebene der EU in engem Austausch mit UNIFEM die teils fragwürdige Umsetzung der Resolutionen 1325 und 1820 bei EU-Friedensmissionen kritisch begleitet.
In der Konsequenz hat unsere eindeutige Position für einen deutschen „Aktionsplan 1325“ und die Verwirklichung von Resolution 1820 auch den Weg in unser Bundestags-Wahlprogramm 2009 gefunden: „Wir setzen uns dafür ein, dass geschlechtersensible Ansätze in der Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik umgesetzt werden. Für die Gestaltung einer geschlechtergerechten Außen- und Sicherheitspolitik wollen wir einen nationalen Aktionsplan und Monitoringstellen auf nationaler und auf internationaler Ebene institutionalisieren. Wir brauchen dringend eine Aufwertung des UN-Frauenrechtskonventionsausschusses…“ (S. 213 f. http://www.gruene-partei.de/cms/files/dokbin/295/295495.wahlprogramm_komplett_2009.pdf )
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Müller, MdB