Frage an Kerstin Köditz von Rima H. bezüglich Recht
Frau Köditz,
die aus Ägypten stammende Apothekerin wurde vor elf Jahren im Dresdner Landgericht Opfer eines rassistisch motivierten Mordes.
El-Sherbini, früher Mitglied in der ägyptischen Handballnationalmannschaft, hatte am 1. Juli 2009 als Zeugin gegen den Mann ausgesagt, der sie auf einem Spielplatz rassistisch beleidigt hatte, als sie ihn bat, die Schaukel für ihren dreijährigen Sohn freizugeben. Der Mann, der damals 29-jährige Alex W., beschimpfte sie, die ein Kopftuch trug, als Islamistin und Terroristin.
Während der Verhandlung vor dem Landgericht wegen dieses Auftritts zog er ein Messer aus seinem Rucksack und stach damit 16-mal auf die 31-jährige Frau ein, vor den Augen ihres Mannes und des gemeinsamen Kindes.
El-Sherbini war im dritten Monat schwanger, sie starb noch im Gerichtssaal. Ihrem Ehemann Elwy Okaz, der ihr als einziger im Saal zur Hilfe kam, wurde vom Täter Alex W. ebenfalls 16 Messerstiche beigebracht.
Gibt es dazu einen Untersuchungsausschuss? Falls nein, wieso nicht?
Falls ja, zu welchen Ergebnissen ist dieser gekommen?
Was ist aus dem Täter Alex W. geworden? In welchem Maße kann ich mir seine Strafe vorstellen?
Es ging dabei unter anderem um fehlende Sicherheitsmaßnahmen – Taschenkontrollen wurden im Landgericht erst nach dem Mord eingeführt, obwohl W. El-Sherbini auch in einem Brief bedroht hatte – und die Lage nach W.s Angriff.
Welche Sicherheitsmaßnahmen wurden im Landgericht Dresden eingeführt?
Die Mitglieder des Gerichts halfen El-Sherbini nicht, ein herbeigerufener Polizist zielte auf den helfenden Ehemann, nicht auf den Attentäter.
Welche Konsequenzen hatte es für die Mitglieder des Gerichts (Unterlassene Hilfeleistung) und dem Polizisten der den Ehemann mit seiner Schusswaffe lebensbedrohlich verletzte?
Gab es eine "Entschädigung" für die Familie El-Shirbini? In welcher Form?
Was hat das Land für Maßnahmen eingeführt um die muslimische Minderheit zu schützen v.a. muslimische Frauen?
Sehr geehrte Frau Hassan,
dieser schlimme Fall rassistischer Gewalt ist mir noch gut in Erinnerung. Er hat uns auch im Landtag in verschiedener Weise
beschäftigt und ist für uns als Fraktion DIE LINKE nach wie vor ein zentraler Anlass, uns auf Dauer mit rechtsmotivierten Taten zu beschäftigen.
Einen eigenen Untersuchungsausschuss zu Marwa El-Sherbini hat es nicht gegeben. Im Mittelpunkt stand damals die juristische Aufarbeitung, also die Ahndung der Tat. Der Täter ist wegen Mordes und wegen versuchten Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Da das Gericht die besondere Schwere der Schuld festgestellt hat, ist eine vorzeitige Haftentlassung ausgeschlossen.
Ein Untersuchungsausschuss befasst sich dagegen nicht mit der Aufklärung von Straftaten, sondern mit einem möglicherweise fehlerhaften Handeln der Landesregierung. Dafür lagen damals keine hinreichenden Anhaltspunkte vor, und so weit ich mich erinnere, hat es auch aus dem außerparlamentarischen Bereich keine Forderung gegeben, einen Untersuchungsausschuss einzurichten. Wir haben uns allerdings später im Landtag – im Zuge zweiter Untersuchungsausschüsse zum NSU-Komplex – unter anderem auch mit dem staatlichen Umgang mit Betroffenen rechter und rassistischer Gewalt und ihren Angehörigen bzw. Hinterbliebenen befasst.
Ich darf darauf hinweisen, dass sich mit dem Mord an Marwa El-Sherbini ein Buch befasst, das 2011 durch die Opferberatungsstelle des Vereins RAA Sachsen e.V. herausgegeben worden ist. Mehr dazu finden Sie hier:
https://www.vielfalt-mediathek.de/mediathek/4435/t-dliche-realit-ten-der-rassistische-mord-an-marwa-el-sherbini.html
Mit freundlichen Grüßen,
Kerstin Köditz