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Kerstin Köditz
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Frage von Ekkehard S. •

Frage an Kerstin Köditz von Ekkehard S. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrte Frau Köditz,

aus Anlaß des bevorstehenden 20. Jahrestages der Friedlichen Revolution in der DDR, die das Ende der SED-Diktatur einleitete, hat die sächsische LINKE im Februar dieses Jahres ein Thesenpapier mit dem Titel „Der Herbst 1989 in Sachsen“ – „Wir sind das Volk“ erarbeitet. Der erste - dieses Papier einleitende Satz - lautet:

"Nachdem sie in der alten Bundesrepublik von Adenauer vernichtet worden war und durch die DDR diskreditiert wurde, gibt es heute in der Bundesrepublik Deutschland wieder eine politikfähige, in der parlamentarischen Demokratie erfolgreiche linksrepublikanisch-sozialistische Partei."

Dazu habe ich folgende Fragen:

1. Soll auf diese Weise zum Ausdruck gebracht werden, daß sich die LINKE in einer unmittelbaren Traditionslinie mit der 1956 auf dem Gebiet der Bundesrepublik nach einem rechtsstaatlichen und demokratischen Verfahren verbotenen KPD sieht?

2. Wurde die KPD "vernichtet"? Wie bewerten Sie die Verwendung dieses Begriffes in dem Zusammenhang mit dem Verbot einer Partei oder Organisation?

3. Möchte die sächsische LINKE mit dieser Formulierung zum Ausdruck bringen, daß sie die KPD rückblickend als "eine politikfähige, in der parlamentarischen Demokratie erfolgreiche linksrepublikanisch-sozialistische Partei" sieht, ebenso, wie sie sich heute selbst betrachtet?

4.Weshalb stimmte die KPD Ihrer Meinung nach ebenso gegen das Grundgesetz, wie über 35 Jahre zuvor gegen die Weimarer Reichsverfassung?

5. Wo liegt Ihrer Meinung nach der konkrete Unterschied zwischen einer demokratischen und einer antidemokratischen Partei oder Organisation? Besteht er für Sie primär in der politischen / ideologischen Ausrichtung oder in der konkreten Stellung, welche die jeweilige Partei bzw. Organisation zu den Grundgeboten einer demokratischen und freiheitlichen Gesellschaft einnimmt und durch ihr Verhalten zum Ausdruck bringt?

Mit freundlichen Grüßen

E. Schultz

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Schultz!

Ich will Ihnen gern ehrlich auf Ihre Fragen antworten, obwohl Sie selbst es scheinbar damit nicht so genau nehmen. Meinen Informationen nach trifft es zwar zu, dass Sie aus W. stammen, doch leben Sie dort schon längst nicht mehr. Mir ist auch bekannt, dass Sie mehrere Jahre Redakteur der rechtsaußen angesiedelten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ waren und sich noch immer in diesem Umfeld bewegen. Vorsorglich untersage ich Ihnen hiermit ausdrücklich die Nutzung meiner Antworten für die „Junge Freiheit“ oder Blätter vergleichbarer politischer Ausrichtung.

Mir ist zudem nicht ersichtlich, warum Sie diese Fragen mir stellen und nicht den – öffentlich bekannten - Autoren des Thesenpapiers. Zu den Merkmalen einer linksrepublikanisch-sozialistischen Partei, wie es DIE LINKE ist, gehört eben auch, dass politische Papiere aus der Partei keinen verbindlichen Charakter für die Gesamtpartei und erst recht nicht für jedes einzelne Mitglied besitzen. Das ist ein Wesensmerkmal einer pluralistischen Partei wie der LINKEN. Sie schreiben selbst, dass es sich um ein Thesenpapier handelt. Solche Papiere sind dazu gedacht, die inhaltliche Auseinandersetzung zu fördern, zur Diskussion anzuregen, Kritik und Positionen auch von außerhalb der Partei einzuholen. Es handelt sich also keineswegs um Verlautbarungen aus dem Bereich „ewige Wahrheiten“. Als Journalist sollte Ihnen das eigentlich bekannt sein.

Zu 1.) Die bedauerliche Restalinisierung der KPD in der alten Bundesrepublik ist nicht ohne den Zusammenhang mit den zahllosen Repressionsmaßnahmen durch die Adenauer-Regierung zu verstehen, die in der Vernichtung der ökonomischen Existenz vieler Mitglieder, der Ausgrenzung der gesamten Partei und einer ständigen Medienkampagne gipfelte. Davon war übrigens nicht nur die KPD betroffen, Opfer waren vielmehr auch linkssozialistische Gruppen wie die „Sozialistische Aktion“. In der Tat gehört die kommunistische Traditionslinie zu jenen, auf die wir uns als DIE LINKE berufen. Das heißt allerdings keineswegs, dass wir diese kritiklos betrachten. Im Gegenteil. Es sind gerade auch die Fehler, die dort begangen wurden, aus denen wir lernen. Ich will aber auch die positiven Aspekte dieser Traditionslinie nicht unterschlagen. Dazu gehören der konsequente Kampf gegen den Krieg, der opferreiche Widerstand gegen das NS-Regime oder der Einsatz für die sozialen Rechte der Lohnabhängigen. Hierbei gibt es nichts, dem wir „abschwören“ müssten. Daneben, das soll nachdrücklich erwähnt werden, berufen wir uns als Partei jedoch auch auf die linksozialistischen Gruppen und Parteien der Vergangenheit, gibt es inzwischen bei uns eine starke sozialdemokratische Traditionslinie, verstehen wir uns als Teil der feministischen wie der pazifistischen Geschichte, begreifen wir uns als integraler Teil der Ökologiebewegung und verbindet uns selbstverständlich viel mit der Gewerkschaftsbewegung. Ich verstehe bei Ihrer eigenen politischen Position zwar, dass Sie den Blick allein auf die KPD fokussieren, merke jedoch die Absicht und bin ein wenig verstimmt. Ich nehme Ihre Meinung zu Kenntnis, dass es sich bei dem Verbotsverfahren gegen die KPD um ein rechtsstaatliches und demokratisches Verfahren gehandelt habe. Ich teile sie nicht.

Zu 2.) Wenn eine Partei verboten worden ist, ist sie damit noch lange nicht vernichtet. Sie finden für diese Aussage zahllose Belege in der Gegenwart, wenn Sie jene Parteien, Vereine und Organisationen der extremen Rechten betrachten, die in den vergangenen Jahren verboten worden sind. Oftmals konnten deren Mitglieder ihre frühere Tätigkeit nach dem Verbot in nur leicht veränderter Form ungehindert fortführen. Bei der neonazistischen „Sozialistischen Reichspartei“ (SRP), gegen die der Verbotsantrag zur gleichen Zeit wie gegen die KPD gestellt wurde, verhielt es sich sogar so, dass ihre Mitglieder und Funktionäre vielfach einfach in die Parteien des regierenden Bürgerblocks (CDU, FDP, BHE, Deutsche Partei) integriert wurden.

Bei der KPD dagegen verhielt es sich so, dass zehntausende ihre Mitglieder und Anhänger nach dem Verbot mit Gerichtsverfahren überzogen wurden, die zu teilweise langjährigen Haftstrafen führten. Dies war verbunden mit einem gravierenden Abbau von Demokratie, einer Welle von Verdächtigungen und Denunziation sowie einem Ausbau des Spitzelunwesens des Inlandsgeheimdienstes. Wenn Sie dieses Thema tatsächlich näher interessiert, kann ich Ihnen nur die einschlägige Literatur zu den Opfern des Kalten Krieges empfehlen, besonders den Band des ehemaligen NRW-Justizministers Diether Posser (SPD): „Anwalt im Kalten Krieg“.

Zu 3.) siehe den ersten Punkt.

Zu 4.) Dazu empfehle ich Ihnen die Lektüre der Protokolle des Parlamentarischen Rates der entsprechenden Sitzung am 8. Mai 1949. Der Vorsitzende der KPD-Fraktion Max Reimann nannte als Grund, dass mit diesem Gesetz die deutsche Spaltung zementiert werde. Er fügte ausdrücklich hinzu, dass die KPD die Grundrechte gegen die zu erwartenden Angriffe gegen sie verteidigen werde. Wörtlich: „Sie, meine Damen und Herren, haben diesem Grundgesetz, mit dem die Spaltung Deutschlands festgelegt ist, zugestimmt. Wir unterschreiben nicht. Es wird jedoch der Tag kommen, dass wir Kommunisten dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben.“ Seine Prognose ist leider bestätigt worden. Inzwischen ist das Grundgesetz dutzende Male durch Änderungen verwässert und meiner Ansicht nach verschlechtert worden. Mit Ihrer Frage scheinen Sie unterschwellig andeuten zu wollen, dass es sich bei der KPD von Anfang eine verfassungsfeindliche Partei gewesen sei. Ich möchte an dieser Stelle zu bedenken geben, dass auch die CSU damals gegen das Grundgesetz gestimmt hat.

Zu 5.) Beides ist notwendig. Um als demokratisch bezeichnet werden zu können, bedarf es demokratischer innerparteilicher Strukturen. Dabei ist DIE LINKE sicherlich weiter als die meisten anderen Parteien. Ich verweise nur auf den Umstand, dass bei uns über die Mindestquotierung die Gleichbehandlung von Frau und Mann festgeschrieben ist. Aber eine demokratisch strukturierte Partei kann selbstverständlich trotzdem undemokratisch sein, wenn ihre Handlungen nicht auf Bewahrung und Erweiterung der Demokratie auf allen gesellschaftlichen Ebenen zielen. Es wird Sie wenig erstaunen, wenn ich als Mitglied der Partei DIE LINKE mir die auf Rosa Luxemburg zurückgehende Maxime des Sozialwissenschaftlers Professor Oskar Negt aneigne: „Kein Sozialismus ohne Demokratie, keine Demokratie ohne Sozialismus.“ Genauso sah dies übrigens der damalige SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher, der erklärte: „Der Sozialismus kann nur durch die Demokratie verwirklicht, die Demokratie nur durch den Sozialismus vollendet werden.“ Ich bedauere es sehr, dass die SPD diese wesentliche Einsicht längst vergessen hat.