Frage an Kerstin Griese von Michael S. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Griese,
immer mehr unterhaltszahlende Elternteile müssen feststellen, dass Kindesunterhalt, der in den Haushalt eines nichtarbeitenden, ALG2 beziehenden Elternteils fließt, gar nicht vollständig dem Kind zugute kommt, sondern mit dem Bedarf der dortigen Erwachsenen verrechnet wird. Nimmt man z.B. ein 12-jähriges Kind, das 288.- "Mindestunterhalt"+ 154.- Kindergeld erhält, also 442.- Euro Einkommen hat. Diesem beläßt die ARGE nur 290.- (208.- Regelsatz + 82.- anteilige KdU). Je nach Alter der Kinder variert der Betrag, den der Staat den Kindern wegnimmt.
Der Staat spart so monatlich Millionen, indem er den Kindesunterhalt zweckentfremdet.
Interessanterweise könnte ein Großteil der Kinder sofort aus der Kinderarmuts-Statistik verschwinden, wenn sie einfach in den Haushalt des kindesunterhaltserwirtschaftenden Elternteils wechseln würden.
Andererseits gibt es zunehmend viele Geringverdiener, die nach Abzug ihrer Kindesunterhaltszahlungen (nach §11, Abs 7 SGB II) noch aufstockend Hartz4 beziehen müssen. In aller Regel gestatten ihnen die Jobcenter/ARGEN nur den Regelsatz für 1 Person für ihre Lebenshaltung, ohne jede Rücksicht auf die Umgangverpflichtungen oder gerichtliche Umgangsregelungen. Ein Freibetrag für die Verpflegung der Kinder während dem Umgang ist nicht vorgesehen. Ein Rechtsgrundlage zur fairen Aufteilung des Kindeseinkommens aus Unterhalt+Kindergeld nach Dauer des Aufenthalts im jeweiligen Eltern-Haushalt gibt es nicht.
Wieviele Umgangstage/-wochenenden pro Monat kann man Ihrer Meinung nach vom Regelsatz von 347.- für 1 Person mit seinen Kindern gestalten? Ab wievielen Kinder tritt hier automatisch vom Gesetzgeber beabsichtigt eine Kindeswohlgefährdung ein? Ist diese Ungleichbehandlung gegenüber kinderlosen Leistungsbeziehern gerechtfertigt? Ist es beabsichtigt, dass auf diesem Wege Umgangskontakte zwischen getrennt lebenden Eltern und ihren Kindern reduziert und faktisch verunmöglicht werden?
Mit freundlichen Grüßen
M.Stiefel
Sehr geehrter Herr Stiefel,
ihre These, dass der Staat zulasten der Arbeitslosengeld-II-Empfänger „spare“, ist nicht haltbar. Die Alg-II-Leistungen werden – wie andere staatliche Leistungen auch – aus den Steuergeldern der Bürgerinnen und Bürger bezahlt. Darüber hinaus macht die öffentliche Hand immer noch Schulden, die künftige Generationen zurückzahlen müssen. Selbst wenn Peer Steinbrück die Neuverschuldung schrittweise zurückfahren kann, sind wir davon, dass der Staat Geld spart, noch sehr weit entfernt.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch haben, dass mit ihren Steuergeldern sinnvoll umgegangen wird. Wenn sich zwei Eltern entscheiden, getrennt zu leben, ist dies zunächst ihr privater Entschluss. Inwiefern die Allgemeinheit die Kosten dieser Trennung zu übernehmen hat, muss mit Fingerspitzengefühl entschieden werden. Klar ist, dass eine zusätzliche Bedarfsgemeinschaft mit den entsprechenden Leistungen für die zweite Wohnung Alg-II-berechtigt ist.
Entscheidend ist für mich, dass die Eltern und die Gesellschaft immer zuallererst das Wohl der Kinder im Blick haben müssen. Deswegen trete ich nachdrücklich dafür ein, dass die Leistungen, die direkt bei den Kindern ankommen, noch mehr ausgeweitet werden. Dazu gehören für mich der Ausbau von Kindertageseinrichtungen und Ganztagsschulen, Schulstarterpakete und kostenfreie Mahlzeiten in Kitas und Schulen.
Ihre Fragen lassen sich aus meiner Sicht nicht mit einem Ja oder Nein oder einer konkreten Zahl beantworten. Hinzu kommt, dass ich als Bundestagsabgeordnete keine verbindlichen Rechtsauskünfte geben kann. Ich möchte darauf hinweisen, dass das Bundessozialgericht entschieden hat, dass beispielsweise hohe Fahrtkosten beim Sozialamt und erhöhte Lebenshaltungskosten bei der Arge beantragt werden können.
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Griese