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Kersten Steinke
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Frage von Anke N. •

Frage an Kersten Steinke von Anke N. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Naumann,

Bürokratieabbau ist ein erklärtes Ziel der Bundesregierung.

Warum wird für jeden Arbeitnehmer einzeln berechnet, wie hoch die einzelnen Sozialabgaben sind? Letztendlich ist es mir persönlich doch egal, ob Sie 12,5 % für dies und 3,2 % für jenes abziehen. Am Ende sind das 15,7 %. Einfluß darauf habe ich sowieso nicht.

Es wäre doch möglich, sozusagen alles in einen Topf zu schmeissen und diesen Topf gesamt auseinander zu rechnen.

Daraus folgt auch gleich folgdende Frage: warum sind Steuer und Sozialabgaben überhaupt voneinander getrennt? Der Staat muss finanziert werden. Ich zahle einen Teil meines Einkommens dafür. Einverstanden. Ich finanziere damit ein höllisch kompliziertes System, das mich einmal im Jahr völlig abnervt und Zeit kostet. Damit bin ich nicht einverstanden.

Jedes Steuer- und Abgabensystem ist vom Prinzip her schon ungerecht. Irgend jemand wird immer benachteiligt. Ein gutes Steuer- und Abgabensystem wäre demnach eines, das so wenig Kosten wie möglich verursacht, dann bleibt unter dem Strich mehr für die wesentlichen Dinge.

Bruttolöhne und Gehälter 2007: 957,04 Mrd. Euro
Abzüge der Arbeitnehmer 2007: 333,85 Mrd. Euro
(Quelle: Bundesamt für Statistik, Inlandsprodukt, Tabelle 2.1.8)

Mir scheint, durch die Einzelberechnung wird einfach nur ungeschickt vertuscht, dass am Ende schlicht und ergreifend knapp ein Drittel weg ist vom Bruttolohn.

Meine Bitte daher: Vereinfachung der Steuer und der Sozialabgaben. Das ist teure Haarspalterei.

Mit freundlichen Grüßen,

Anke Niebuhr

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DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Niebuhr,

Steuervereinfachung, Abbau bürokratischer Hürden sowie Vereinfachung der Gesetzeslage ist schon seit Jahren in der politischen Diskussion. Mit den großen Reformwerken in den Bereichen Gesundheit, Rente, Arbeitsmarkt und Privatisierung der Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge wurde seit Schröder’s Zeiten auch immer von Bürokratieabbau gesprochen. Leider ist es ein sehr scheinheilig geführte Debatte, denn genau das Gegenteil ist passiert: Die Gesetzeswerke wurden noch komplizierter, das Steuer- und Sozialrecht werden jährlich geändert. Mit der Pendlerpauschale und Leistungen der Sozialkassen befassen sich sogar die Gerichte und erklären genau das Gegenteil von Bundestagsbeschlüssen. Und was viel schwerwiegender ist: das ganze Sozialabgabe- und Steuersystem wurde ungerechter.

Als Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE unterstütze ich sehr ein für alle Bürgerinnen und Bürger vereinfachtes Modell der Sozialkassenzahlung. Meine Fraktion will deshalb die „Solidarische Bürgerversicherung“ für ihre parlamentarische und konzeptionelle Arbeit übernehmen, die Bestandteil des auf dem letzten Parteitag beschlossenen 100-Punkte-Programms: Die Grundidee der Bürgerversicherung ist, alle Bürger mit allen Einkommen in die Finanzierung der Gesundheitsversorgung einzubeziehen. Alle Bürger zahlen also einen bestimmten Prozentsatz aus der Summe aller eigenen Einkünfte (Lohnarbeit, Kapitalerträge, Mieteinnahmen, Zuschüsse und sonstige Einnahmen) ohne Beitragsbemessungsgrenze in die Bürgerversicherung ein. D.h. natürlich, dass auch die besonders gut Verdienenden im Verhältnis zum Einkommen einzahlen müssen, da es keine ungerechte Beitragsbemessungsgrenze mehr geben sollte. Durch die „Solidarische Bürgerversicherung“ soll die Einnahmesituation der gesetzlichen Krankenkassen so weit verbessert werden, dass weitere Beitragssteigerungen und Leistungskürzungen vermieden werden können.

Die Zwei-Klassenmedizin wird durch die Einführung einer solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung, in die alle Berufsgruppen einzahlen, abgelöst. Darüber hinaus fordern wir, dass die Praxisgebühr zurückgenommen wird. Versicherte mit geringem Einkommen werden im Rahmen der Härtefallregelung vollständig von Zuzahlungen befreit. Eine humane und solidarische Pflegeversicherung wird eingeführt. Eine bedarfsorientierte, armutsfeste Kindergrundsicherung wird gesetzlich garantiert. Kinder erhalten mindestens das Existenzminimum von monatlich 420 Euro.

Mit der Bürgerversicherung sind jedoch bisher nur Vorschläge für eine Umgestaltung der Krankenversicherung gemeint. Ob das Modell der Bürgerversicherung im Prinzip auch auf die gesetzliche Rentenversicherung angewendet werden kann, bedarf einer Prüfung und Diskussion.

Ihre Vorstellung alle Abzüge vom Einkommen zusammenzuziehen und nur eine Abgabenquote für die Bürgerinnen und Bürger einzuführen, klingt zunächst plausibel für ein sehr vereinfachtes Abgabensystem. Steuereinnahmen und Einnahmen aus Sozialbeiträgen sind ja Teil des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Jedoch gebe ich zu bedenken, dass dann sowohl für den Bürger als auch für den Staat nicht mehr auseinanderdividiert werden kann, welcher Teil des BIP der Staat für sich beansprucht und welcher für Sozialleistungen benützt wird bzw. aus welchen Quellen diese stammen. Immerhin fließt der Teil für Sozialabgaben (Renten-, Kranken-, Arbeitslosen-, Pflegeversicherung) wieder zurück an die Bevölkerung. Steuerrückzahlungen sind jedoch nur bedingt möglich. Auf der einen Seite ist das gesamte Steuer- und Sozialabgabenrecht so kompliziert und undurchschaubar, dass ich gegenwärtig eine solche Zusammenlegung der Abgaben aus dem Einkommen für nicht praktikabel halte. Auf der anderen Seite bleibt es für jede Bürgerin und jeden Bürger wichtig, entsprechend ihren verschiedenen Sozial- und Steuerabgaben Ansprüche zu erheben, wie Arbeitslosengeld, Rente und Steuerrückzahlung, die je nach den individuellen und familiären Verhältnissen und Einzahlungen berechnet
werden.

Meines Erachtens wäre anstelle einer Zusammenlegung aller Abgaben es viel wichtiger, dass Steuergerechtigkeit und Sozialabgabengerechtigkeit gegenüber allen Bürgern und Unternehmen besteht. So ist z.B. nicht nachvollziehbar, warum beim Lohneinkommen ein sofortiger Quellenabzug besteht, während Steuern auf Gewinn- und Vermögenseinkommen in großen Umfang hinterzogen werden können oder große Konzerne ganz und gar von der Umsatzsteuer befreit werden. Hier gehen Milliarden für den Staat verlustig. Letztendlich wäre mit diesen Einnahmequellen eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger und dann auch mehr Netto vom Bruttoeinkommen möglich.

Mit freundlichen Grüßen
Kersten Naumann