Frage an Kersten Steinke von Christian B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Steinke,
im Rahmen meiner Abschlussarbeit des Studiengangs Politikwissenschaft (B.A.) mit dem Thema "ePetitionen im Deutschen Bundestag" möchte ich Ihnen als Mitglied des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestags einige Fragen zu diesem Thema stellen.
1. Welche Vorteile und Nachteile bieten aus Ihrer Sicht ePetitionen ggü. "klassischen" Petitionen?
2. Wie schätzen Sie den Erfolg von ePetitionen ein?
3. Wie sehen aus Ihrer Sicht die Zukunftsperspektiven von ePetitionen aus?
4. Welche Verbesserungs- und Ausbaumöglichkeiten sehen Sie bei ePetitionen?
Ich würde mich sehr über eine Antwort Ihrerseits freuen.
Mit freundlichen Grüßen,
Christian Beier
Sehr geehrter Herr Beier,
aus der Sicht des Petitionsausschusses möchte ich Ihnen wie folgt antworten:
1. Welche Vorteile und Nachteile bieten aus Ihrer Sicht ePetitionen ggü. "klassischen" Petitionen?
Vorweg ist zu sagen, dass es zwei Möglichkeiten von ePetitionen gibt: Die klassische Einzelpetition, also Bitten um Hilfe in persönlichen Notlagen, die über das Webformular auf dem Petitionsportal eingereicht wird; und die öffentliche Petition, eine elektronisch eingereichte Petition, die auf Bitte des Petenten auf dem Internetportal des Petitionsausschusses veröffentlicht werden kann.
Die elektronische Einreichung eine Petition ist mit keinerlei Vor-oder Nachteilen verbunden. Für die Petenten ist es völlig unerheblich, ob sie ihre Petition schriftlich oder online einreichen, denn jede Petition wird mit der gleichen Sorgfalt parlamentarisch geprüft. Eine gewisse Sonderstellung nehmen die so genannten „öffentlichen Petitionen“ ein: Ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung haben alle registrierten Nutzer des Portals für vier Wochen die Möglichkeit, die Petition in einem eigenen Diskussionsforum zu diskutieren und elektronisch mitzuzeichnen oder mit anderen Worten: das Anliegen zu unterstützen. Der Petent muss also nicht erst mühsam auf Unterschriftensuche gehen. Bei einer Petition mit sehr vielen Unterstützern ist zudem mitunter eine größere mediale Aufmerksamkeit zu verzeichnen und möglicherweise eine öffentliche Beratung, sofern ein Quorums von 50.000 Mitzeichnungen erreicht wird.
Für den Petitionsausschuss macht es jedoch keinen Unterschied, ob nur ein einzelner, ein Dutzend oder hunderttausende Bürgerinnen und Bürger ein Anliegen unterstützen, denn Artikel 17 garantiert jedem, dass seine Petition entgegen genommen, geprüft und beschieden wird.
2. Wie schätzen Sie den Erfolg von ePetitionen ein?
Mit den Möglichkeiten, Eingaben online einzureichen oder veröffentlichte Petitionen von allgemeinen Interesse in Diskussionsforen zu diskutieren und zu unterstützen, ist die Seite „e-Petitionen“ mittlerweile ein zentraler Bestandteil unserer Arbeit geworden. Das Interesse der Bevölkerung an Petitionen ist zudem besonders online zu beobachten: Mit weit mehr als 1,8 Millionen registrierten Nutzern und Nutzerinnen ist die Internetseite des Petitionsausschusses schon seit einigen Jahren das mit Abstand erfolgreichste Internetangebot des Deutschen Bundestages. Die Möglichkeit, Petitionen im Internet zu veröffentlichen, zu diskutieren und zu unterstützen, erlaubt es den Bürgerinnen und Bürgern sich gemeinsam für ein Anliegen stark zu machen – und das kommt an: Jährlich werden hunderttausende elektronische Mitzeichnungen registriert und auch die Anzahl der Nutzer nimmt stetig zu. Besonders bei Petitionen zu aktuellen Themen sehen wir, wie sich Petitionen über die sozialen Netzwerke verbreiten können und sich plötzlich tausende Bürger anmelden oder auf die Internetseiten zugreifen.
Auch nutzen immer mehr Bürgerinnen und Bürger das Internet, wenn sie eine Einzelpetition einreichen. 2013 ist bereits fast jede zweite Petition elektronisch eingereicht worden – 2011 war es nur etwa jede Dritte.
3. Wie sehen aus Ihrer Sicht die Zukunftsperspektiven von ePetitionen aus?
Die veröffentlichten Petitionen eröffnen den Bürgerinnen und Bürgern neue Möglichkeiten der Beteiligung: Eine Petition von öffentlichem Interesse mitzuzeichnen und mitzudiskutieren, erlaubt es den Bürgerinnen und Bürgern sich über Wahlen hinaus zu beteiligen und sich gemeinsam für ein Anliegen stark zu machen. Die Zahlen der registrierten Nutzerinnen und Nutzer, Seitenaufrufe oder der getätigten Mitzeichnungen zeigen, dass die neuen Möglichkeiten sehr gut ankommen. Allerdings braucht es nicht nur die digitalen Medien und Prozesse, um die Bürgerinnen und Bürger zu erreichen. Diese Beteiligungstools eröffnen zwar neue Möglichkeiten und deren Potenzial wird langsam erkannt, das wichtigste ist jedoch, dass diese „Werkzeuge“ auch Widerhall finden. Die Adressaten und damit die Politik sind hier gefragt, für mehr Transparenz zu sorgen, Forderungen anzuhören und wenn möglich darauf einzugehen. Wenn das nicht passiert, führen die neuen Möglichkeiten nicht zu mehr Akzeptanz oder Erfolg, sondern zu mehr Frust. Die anhaltende Bedeutung des Petitionswesens ergibt sich aus seiner Offenheit, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit für unvorhergesehene und neuartige Problemlagen. Die Reformierung und Modernisierung des Petitionswesens ist deshalb eine ständige Aufgabe.
4. Welche Verbesserungs- und Ausbaumöglichkeiten sehen Sie bei ePetitionen?
Eine Petitionen online zu stellen, ist beim Deutschen Bundestag seit 2005 (zu dieser Zeit noch Probebetrieb) möglich. Das aktuelle System unserer Petitionsplattform ist seit 2012 online und bot bereits beim Start viele Vorteile gegenüber den Erneuerungen, die 2008 erfolgten. Dabei ist besonders die Stärkung des Diskussionscharakters im Forum zu nennen – weg von einem flachen Aufbau, hin zu einer so genannten Baumgliederung. Damit haben wir den Austausch von Meinungen verbessert, denn eine hierarchische Gliederung von Beiträgen kann einzelne Aspekte einer Diskussion genauer darstellen.
Auf vielfachen Wunsch ist zudem die Möglichkeit eingeführt worden, Petitionen unter einem Pseudonym zu unterstützen: Wer dies wünscht, wird in der Mitzeichnungsliste nicht mehr unter seinem richtigen Namen aufgeführt, sondern unter einem vom System vorgegebenen kryptischen Decknamen. Damit wird die Unterstützung aber nicht anonymisiert: Das vorgegebene Pseudonym wird nur den Nutzern angezeigt, für die Mitarbeitern des Ausschussdienstes ist der Klarname sichtbar.
2014 haben wir das System um eine weitere Funktion ergänzt: Die Einbindung des neuen Personalausweises. So ist es den Bürgerinnen und Bürgern nun möglich, sich mit dem neuen Personalausweis (nPA) im Portal zu registrieren oder eine Petition einzureichen.
Für die Zukunft gibt es weitere Projekte zur funktionalen Weiterentwicklung der Anwendung, wobei das nächste große Ziel die Einrichtung von Mechanismen zur einfacheren und strukturierteren Auswertung der Diskussionsforen ist, damit die Meinungen der Bürgerinnen und Bürger noch besser in die Petitionsbearbeitung des Ausschusses einfließen können – und auch die Öffentlichkeit nach Ablauf der Mitzeichungsphase eine übersichtliche Zusammenfassung der Diskussion zur jeder öffentlichen Petition einsehen kann.
Es wird auch teilweise viel im politischen Bereich darüber diskutiert, eine Art Tool zu entwickeln, mit dessen Hilfe Bürger Petitionen gemeinsam formulieren und einreichen können.
Mit freundlichen Grüßen
Kersten Steinke