Frage an Kersten Artus von Britta P. bezüglich Familie
Liebe Kersten Artus,
vielen Dank für Ihren Eisnatz gestern auf dem Rathausmarkt für die Hebammen.
Bisher gab es von politischer Seite nur freundliche Lippenbekenntnisse; jetzt wird die Lage sehr ernst. Da tut es gut, wenn Sie als Politikerin klare Stellungnahme der Unterstützung beziehen. Hoffentlich sind auch andere aus der Politik an einer Lösung interessiert.
Viele Grüße von BRitta Petersen, Hebamme
Liebe Frau Petersen,
bereits seit Jahren schlagen Hebammen Alarm, seit Jahren begleite ich den Protest. Doch eine Lösung für die ausufernden Haftpflichtprämien ist nicht in Sicht. Der Pressemeldung der Hebammen, dass der Minister kurzfristige Hilfe und eine grundsätzliche Lösung in Aussicht gestellt hat, widersprach Gröhe gleich am nächsten Tag. Es werde geprüft. Auch die Große Koalition übt sich in Lippenbekenntnissen. Seit Jahren fordert DIE LINKE eine strukturelle Lösung: einen staatlichen Haftungsfonds. Bereits 2010 haben wir als LINKE einen Antrag in den Bundestag eingebracht. Leider haben weder die SPD noch die Grünen diesen unterstützt. Aber nur ein staatlicher Haftungsfonds schützt die Hebammen.
Was viele immer noch nicht wissen: Betroffen sind nicht nur außerklinische Geburten. Die Vor- und Nachsorge von Wöchnerinnen ist nicht mehr gesichert. Immer weniger Hebammen sind finanziell in der Lage, eine Wochenbettbetreuung anzubieten. Durch die niedrigen Honorare der Krankenkassen rechnet sich das nicht. Die Wochenbettbetreuung der Mutter wird schlecht, die des Kindes überhaupt nicht vergütet. Im Schnitt liegt das Einkommen (Gewinn) einer freiberuflichen Hebamme bei 15.500 Euro im Jahr (2010). Daraus müssen noch die Kranken- und Rentenversicherung bestritten werden. Eine wirksame Honorarreform muss sofort auf den Weg gebracht werden. Hebammen leisten eine qualifizierte und wichtige Arbeit, die gut entlohnt werden muss, denn die Hebamme übernimmt die medizinische und psycho-soziale Nachbetreuung von Mutter und Kind.
Ich sehe das auch so: Der Wettbewerb um lukrative Geschäftsfelder ist voll entbrannt. Abteilungen mit hohen Kosten oder Risiken, wie Geburtshilfe oder Intensivstationen, werden geschlossen. Wirtschaftlich attraktive Eingriffe wie Kaiserschnitte nehmen zu. Hier gehört die Bundesrepublik zur Weltspitze, gleichauf mit den Spitzenreitern Australien und USA. Je 1 000 Geburten wurden in Deutschland 314 Kaiserschnitte durchgeführt, in den USA 329, in Australien 287. Zum Vergleich: Dänemark 211, Schweden 168, Großbritannien 239, Niederlande 148.
Alle spüren die Folgen: Wenn Beleghebammen gehen, steigt der Arbeitsdruck der angestellten Hebammen. Die Arbeitsverdichtung im Krankenhaus wird auf dem Rücken der Hebammen ausgetragen. Das geht zu Lasten der Qualität und der Betreuung der Wöchnerin.
Wir lassen nicht locker. Es bleibt viel zu tun, bis sich die wirtschaftlichen Verhältnisse für die Hebammen bessern und jede Frau eine Wahlmöglichkeit hat, wie und wo sie gebären möchte. Vor- und Nachsorge, 1 zu 1-Betreuung, weitere Verbesserung der Qualität der Geburtshilfe – alles Themen, die heute auf die Tagesordnung gehören. In den bisherigen Anhörungen im Bundestag haben wir gegen den Widerstand aller anderen Parteien darauf bestanden, alle Hebammenverbände und ihre Institute zu öffentlichen Anhörungen einzuladen.
Ich bin weiterhin an Ihrer Seite.
Freundliche Grüße
Kersten Artus