Frage an Kersten Artus von Christopher B. bezüglich Umwelt
Guten Tag, Frau Artus!
Ich würde gerne wissen, wie Sie - wenn Sie dies mit gestallten könnten - Ihrer Ansicht nach die Energiewende und die Klimaschutzpolitik weiter gestaltet werden sollten.
Ist der Emissionshandel - auf Internationaler und Europäischer Ebene - nach wie vor das geeignete Instrument, um effektive Klimaschutzpolitik zu betreiben? Wie sollte es Ihrer Ansicht nach weitergehen mit der Förderung der Erneuerbaren Energien?
Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen,
Christopher Brandt
Lieber Herr Brandt,
vielen Dank für Ihre Frage.
Der Emissionshandel als zentrales Klimaschutzinstrument der EU hat bislang versagt. Die bisherige Ausgestaltung macht ihn zu einer Gelddruckmaschine für die Stromversorger. Auch der Klimaschutz blieb in der ersten Emissionshandelsphase von 2005 bis 2007 vollkommen auf der Strecke.
Gerne inszeniert sich die EU als Vorreiterin im internationalen Klimaschutz. Tatsächlich agiert sie jedoch zögerlich bis widersprüchlich. Ich finde, sie darf nicht darauf warten, dass Länder wie die USA oder China, die das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert haben, den Weg für einen effektiven Klimaschutz frei machen. Unabhängig von anderen Staaten muss sich die EU verbindlich für effektive Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgase verpflichten und für eine wirksame sowie gerechte Klimapolitik eintreten.
Ich fordere ein Ende der Geschenke an die Stromkonzerne. Da das Europarecht eine vollständige Versteigerung erst ab dem Jahr 2013 zulässt, müssen die Mitnahmegewinne der Energieversorger aus dem Emissionshandel bis dahin über eine Sondersteuer abgeschöpft werden. Der Zukauf von „faulen“ Emissionsrechten aus anderen Teilen der Welt ist rigoros einzuschränken. Kraftwerke und Unternehmen müssen schärfere Vorgaben für den Klimagasausstoß erhalten. Das Aufkommen aus der Versteigerung der Emissionsrechte ist für den sozialökologischen Umbau zu verwenden. Bleiben solch grundlegende Reformen aus, wird der Emissionshandel weiter keine klimapolitische Wirkung zeigen.
Um den Ausstoß von umweltschädlichen Klimagasen einzuschränken, hat die EU die Menge der Emissionen von Kohlendioxid durch Kraftwerke und Anlagen der energieintensiven Industrie begrenzt. Die Unternehmen bekommen von der Bundesregierung so genannte Verschmutzungsrechte in Form von CO2-Zertifikaten zugeteilt, die sie untereinander handeln können. Am Ende muss jeder Betreiber so viele Emissionsrechte vorweisen, wie er tatsächlich Kohlendioxid freigesetzt hat. Die Zuteilung der Emissionsrechte erfolgt bisher für die Konzerne weitgehend kostenlos. Sie geben den Zertifikaten nichtsdestotrotz einen Marktwert, schlagen diesen zum Beispiel auf den Strompreis auf und verbuchen die so erzielten Milliarden als „unerwartete Gewinne“. Die Rechnung zahlen die Verbraucherinnen und Verbraucher über ihre Energierechnung.
Die Menge der ausgegebenen Emissionsrechte lag über dem tatsächlichen Klimagas-Ausstoß der Unternehmen. Für die zweite Handelsphase (2008-2012) wurden die Minderungsziele für den Kohlendioxid-Ausstoß der zweiten Emissionshandelsperiode (2008-2012) auf Druck der EU-Kommission etwas verschärft. Zudem werden neun Prozent der CO2-Zertifikate von der Bundesregierung verkauft und nicht mehr verschenkt. Hierbei handelt es sich jedoch nur um kosmetische Veränderungen. Beginnend im Jahr 2013 werden die Emissionsrechte vollständig versteigert – mit Ausnahme der energieintensiven Industrie, die die CO2-Zertifikate weiterhin kostenlos erhält.
Die größten Mitnahmegewinne verbuchen die Betreiber von Atomkraftwerken, deren Anlagen zwar nicht am Emissionshandel teilnehmen, aber vom Anstieg der Stromhandelspreise durch den Emissionshandel profitieren. Kohlekraftwerke erhalten im Vergleich zu Gaskraftwerken doppelt so viele Emissionsrechte gratis zugeteilt. Die besonders klimaschädliche Braunkohleverstromung erhält noch einen zusätzlichen Aufschlag und bleibt damit für die Konzerne lukrativ. Zwar werden den Stromkonzernen seit 2008 weniger CO2-Zertifikate zugeteilt. Doch können sie dafür in gesteigertem Maße Emissionsrechte aus dem Nicht-EU-Ausland zukaufen. Diese stammen meist aus Projekten in Entwicklungsländern, die nicht oder nur gering zum Klimaschutz beitragen. Werden solche „faulen“ Zertifikate in Anspruch genommen, hat dies einen zusätzlichen Ausstoß an Klimagasen zur Folge.
Ergänzend zum Emissionshandel, der nur für Stromerzeuger und Sektoren der Schwerindustrie gilt und damit rund 50 Prozent der EU-weiten Treibhausgasausstöße abdeckt, hat die EU die sogenannte „Lastenteilungsentscheidung“ verabschiedet. Ziel ist es in den Sektoren in denen der Emissionshandel nicht greift, z.B. Transport, Gebäudesanierung, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren und Europa damit in eine CO2-arme Wirtschaft zu transformieren.
Um dies zu erreichen sollen die nationalen Regierungen z.B. den Öffentlichen Nahverkehr stärken oder die Energieeffizienz von Gebäuden verbessern. Lastenteilung bedeutet in dem Fall, dass die wirtschaftlich stärkeren Staaten höhere Reduktionsziele haben während vor allem die Mitgliedsstaaten Osteuropas ihren Ausstoß von Treibhausgasen sogar steigern dürfen. Bis zum Jahr 2020 soll der gesamte EU-Treibhausgasausstoß in Referenz zu 2005 um elf Prozent sinken.
Was sich auf dem Papier erst einmal gut liest, ist in Wirklichkeit nicht mehr als oberflächliche Kosmetik für eine Wirtschaft, die auf schmutziger Energie aufbaut. Die Ziele der EU sind mit elf Prozent erstens nicht ambitioniert genug und zweitens nicht einmal verbindlich. So gibt es z.B. keinen automatischen Sanktionsmechanismus für Staaten, die sich nicht an die Vorgaben halten.
Unsere Forderungen, die wir im neuen Bundestag einbringen werden:
DIE LINKE fordert in ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahlen 2013 „100% sozial“ einen konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien bis zur Vollversorgung, eine wirksame Ausgestaltung des Erneuerbare-Energien-Gesetz sowie mehr Wärme aus Erneuerbaren und Kraft-Wärme-Kopplung. Wir wollen einen Energiesparfonds mit dem Fokus auf einkommensschwache Haushalte und strengere Standards beim Energieverbrauch einführen sowie gewisse Stand-by-Schaltungen verbieten. Außerdem wollen sie eine energetische Sanierung des Gebäudebestandes und Klimaneutralität von Neubauten sowie eine bundesrechtliche Vorgabe für eine ökologische Bauleitplanung. Endlagerstandorte sind auf Kosten der Atomindustrie zu suchen – aus der Atomkraft wollen wir unverzüglich aussteigen. Die Strom- und Gasnetze sollen vergesellschaftlicht werden. Sozialtarife sollen verbindlich sein. Die Extra-Profite der Energiekonzerne aus dem Emissionshandel sollen besteuert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Kersten Artus