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Katrin Göring-Eckardt
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Frage von Christian D. •

Frage an Katrin Göring-Eckardt von Christian D. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Görig-Eckard,

auf Ihrer Homepage haben Sie sich zur Rente (01.08.2008) geäußert. Es ist richtig, dass die Rentenerhöhungen der letzten Jahre relativ niedrig war. Es sind aber folgende Punkte zu beachten.
In Deutschland ist die Armut bei den Rentnern (2%) geringer als bei den jüngeren Bevölkerungsgruppen. Diest wird in einem Gutachten im Rahmen des Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (Köln, August 2004) in der Tabelle 16 auf der Seite 52 ausgewiesen.
Die Familienarmut betrug im Jahr 2006 ca. 15% (S. 15). Dies ist in einem Beitrag von Irene Becker beim WSI-Herbstforum (11/2007) zu lesen.
Der Jahresbericht der Rentenversicherung weist für 2007 auf Seite 21 einen Bundeszuschuss zur Rentenzahlung von 62,3 Mrd Euro aus. Der Bundeshaushalt von 2007 hat ein Gesamtvolumen von 272 Mrd Euro. Der Bundesfinanzminister hat ca. 23% seiner Ausgaben als Rentenzuschuss ausgegeben.
Diese Zahlen geben uns sehr wichtige Informationen:
Die Rentner sind die Bevölkerungsschicht mit dem geringsten Anteil an Armen. Zugleich ist der Zuschuss des Bundes zur Rentenversicherung der größte Anteil (ca. 23%) am Bundeshaushalt.
Für mich ergeben sich daraus folgende Fragen:
Wenn es gewünscht wird, dass die Renten stärker steigen, bitte ich Sie, einen Vorschlag zu unterbreiten, wie dies finanziert werden soll. Wo werden dazu Kosten im Bundeshaushalt eingespart? Welche Steuern werden dazu erhöht?
Wie soll das ganze Rentensystem in Zukunft überhaupt finanziert werden? Die Bevölkerung wird immer älter. Immer weniger junge Bürger müssen immer mehr Rentner finanzieren. Dafür gibt es nur zwei Lösungen:
Die arbeitende Bevölkerung erhöht ihre Zahlungen oder die Rentner bekommen weniger gezahlt.
Wie sehen Sie dieses grundsätzliche Rentenproblem?

Vielen Dank

Christian Decker

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Decker,

vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Rente. Armut ist gegenwärtige unter Älteren zwar weniger verbreitet als bei anderen Altersgruppen. Gleichwohl sollte deshalb Altersarmut nicht verharmlost werden, denn zwei Millionen Ältere sind in Deutschland betroffen. In den nächsten Jahrzehnten wird sich das Bild deutlich und besorgniserregend ändern. In Verbindung mit den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt steigt das Risiko der Altersarmut für bestimmte Gruppen. Hohe Langzeitarbeitslosigkeit, Erwerbsunterbrechungen und vermehrte Teilzeittätigkeit verhindern oft den Aufbau hinreichender Rentenanwartschaften. Trotz langjähriger Vollzeitbeschäftigung werden in Zukunft immer mehr Geringverdienende keine armutsfesten Renten erreichen. Der Abstand zwischen der gesetzlichen Rente und der bedarfsorientierten Grundsicherung, die ohne Gegenleistung erreicht werden kann, wird für viele bedenklich gering werden.

Die Probleme am Arbeitsmarkt von heute werden die Probleme in der Rentenversicherung von morgen sein - wenn nicht entschlossen gehandelt wird. Altersarmut muss an der Wurzel bekämpft werden: durch Teilhabe am Arbeitsmarkt und Teilhabe an Bildung. Bildung für alle und Weiterbildung, insbesondere auch für ältere ArbeitnehmerInnen, ist die beste Prävention gegen Armut im Alter. Die massive Ausweitung des Niedriglohnsektors ist eine der wesentlichen Ursachen von drohender Altersarmut kommender Rentengenerationen. Das Gezerre um den Mindestlohn muss endlich ein Ende haben. Mindestlöhne für alle, das ist das grüne Ziel.

Wir Bündnisgrüne wollen in die Gesetzliche Rentenversicherung weitere Bevölkerungsgruppen einbeziehen um Altersarmut zu verhindern. Das macht aber nur Sinn, wenn höheren Einzahlungen - z.B. aus Vermögenseinkommen - nicht im gleichen Maße höhere Ansprüche gegenüber stehen. Wir wollen also eine stärkere Umverteilung innerhalb des Rentensystems: Gutverdiener würden dann die Aufstockung von Niedrigrenten solidarisch mitfinanzieren. Mit Einführung einer Garantierente wollen wir Geringverdiener entlasten und einen Beitrag dazu leisten, dass einfache Arbeit in Deutschland nicht mehr zwangsläufig zu Armut führt. Die Pflichtmitgliedschaft in der Gesetzlichen Rentenversicherung muss schrittweise auf einen größeren Kreis von BürgerInnen erweitert werden. Selbstständige ohne andere verpflichtende Alterssicherung sollen in die Pflichtversicherung der gesetzlichen Rentenversicherung einbezogen werden.

Die Rentenversicherung wird in Zukunft dennoch eher die Basis sichern. Die private Altersvorsorge wird immer wichtiger. Mit der "Riester-Rente" haben wir erste Anreize gesetzt.

Bündnis 90/Die Grünen bemühen sich um einen gerechten Ausgleich zwischen den verschiedenen Generationen. Eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit kann ein Beitrag sein, die nachkommende Generation der Jüngeren nicht über Gebühr zu belasten. Die Anhebung des Rentenalters muss aber verbunden werden mit einer verbesserten Integration Älterer in den Arbeitsmarkt. Die Praxis der Frühverrentung hat in den letzten Jahrzehnten zu einer massiven Unterbeschäftigung von Älteren über 55 Jahre geführt und die Rentenlaufzeiten erheblich verlängert. Ältere Beschäftigte müssen die Chance erhalten, bis zum Rentenalter tatsächlich arbeiten zu können. Firmen, die mehr ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen, können damit ihren Fachkräftemangel beheben. Dies setzt allerdings auch die Bereitschaft zu kontinuierlicher Qualifizierung voraus. Maßnahmen zur Förderung lebenslangen Lernens müssen zum Selbstverständnis von Betrieben gehören und die Rahmenbedingungen dafür von staatlicher Seite verbessert werden.

Noch einmal vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre Fragen!

Mit freundlichen Grüßen

Katrin Göring-Eckardt

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